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Rohrbach
Ausgabe 12/2025
Aktuelles aus der Gemeinde Rohrbach
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Aktuelles aus der Gemeinde Rohrbach

Die Zeichnung zeigt Schmellers Elternhaus in Rinnberg.

Johann Andreas Schmeller (1785-1852) ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die eine Verbindung zu Rohrbach haben und auf die wir stolz sein können. Er gilt als Begründer der modernen Mundartforschung in Deutschland und hat ein vierbändiges Bayerisches Wörterbuch (München 1827-1837) verfasst. In Rinnberg verbrachte der Sprachwissenschaftler eine glückliche Kindheit. Ende 2024 ist ein Buch über Johann Andreas Schmellers Leben erschienen. Wir haben uns mit dem Autor Dr. Werner Winkler unterhalten.

bürgerinfo: Herr Dr. Winkler, wie kam Ihre Verbindung zu Johann Andreas Schmeller zustande?

Werner Winkler: Anfang der 1970er führte mich mein beruflicher Weg aus Freising in die nördliche Oberpfalz. Land und Leute und insbesondere die Sprache waren mir fremd. Schmellers Bayerisches Wörterbuch, das ich seit meinem Studium kannte, bot mir ersten Zugang zu einer noch unbekannten Welt. 1979 wurde ich Mitglied in der neu gegründeten Johann Andreas Schmeller Gesellschaft und habe mich dort eingebracht.

bürgerinfo: Wie ist die Idee zum Buch entstanden?

Werner Winkler:

Ich habe viele Jahre an einer Edition von Schmellers Briefwechsel gearbeitet. Der erste Teil erschien 1985 zu Schmellers 200. Geburtstag in drei Bänden, der zweite folgte 2022 in zwei Bänden. Während dieser Arbeit vermisste ich eine umfassende moderne Biografie. Das gab den Anstoß. Die Forschung hatte sich bis dahin verstärkt auf Schmellers sprachwissenschaftliche Leistungen konzentriert. Für eine eingehendere Betrachtung seiner komplexen Persönlichkeit sowie seines privaten, sozialen und politischen Umfelds blieb dabei nur beschränkter Raum. Ein weiteres, mir wichtiges Bedürfnis war es, ein lesbares Buch zu schreiben, um einer breiteren Öffentlichkeit den Zugang zu Schmeller zu erleichtern.

bürgerinfo: Welcher Mensch war Schmeller?

Werner Winkler:

Er besaß ein überragendes Sprachtalent, beherrschte über zwanzig Sprachen und konnte in drei Wochen ein Wörterbuch auswendig lernen. Sein Vater, ein armer Kürbenzäuner und Kleinbauer erkannte die sprachlichen Fähigkeiten des Sohnes und wusste, dass gesellschaftlicher Aufstieg nur durch fundierte schulische Ausbildung möglich war. Er musste an viele Türen klopfen, um für seinen Sohn einen Schulplatz in Pörnbach, Scheyern, Ingolstadt und München zu finden.

Schmeller ist eine Schlüsselfigur der bayerischen Kultur- und Geistesgeschichte. Sein Bayerisches Wörterbuch ist bis heute unerreicht, mit ihm begründete er die wissenschaftliche Dialektologie; sein Zimbrisches Wörterbuch steht am Beginn der Sprachinselforschung; er gab wichtige alt- und mittelhochdeutsche Literaturdenkmäler heraus, wie z.B. die Carmina Burana; in Spanien und der Schweiz vertrat er die moderne Pädagogik Heinrich Pestalozzis; seine Katalogisierung Tausender während der Säkularisation nach München gekommener Handschriften bildete die Grundlage für den weltweiten Ruhm der Bayerischen Staatsbibliothek. Dennoch blieb Schmeller stets bescheiden, zurückhaltend und hilfsbereit.

bürgerinfo: In welcher Zeit hat Schmeller gelebt?

Werner Winkler: Es waren Umbruchsjahre. Sie umfassten politisch die Zeit Napoleons, der Befreiungskriege, der Restauration und der beginnenden Industrialisierung. In Bayern regierten König Max I. Joseph, Ludwig I. und Max II. Gesellschaftlich versuchte ein liberal gesinntes Bürgertum den Ständestaat abzulösen; Aufklärung, Romantik und Realismus prägten die Kultur. Die Germanistik etablierte sich. Schmeller war von der Gesinnung her loyal, aber liberal offen und sozial engagiert. Mit seinem Wörterbuch versuchte er den unteren Schichten Gehör zu verschaffen.

bürgerinfo: Welche Bedeutung hatte Rinnberg für ihn?

Werner Winkler:

Rinnberg war der „Tummelplatz“ seiner frühen Jahre. Die Familie lebte „in einem strohgedeckten Häuschen am Ende des Dorfes“ (das Gebäude gibt es heute nicht mehr). Es hat ihn bald in die Welt hinausgezogen: nach München, Tarragona, Madrid, Basel, nach Paris und wieder nach München, wo er sich 1816 endgültig niederließ. Rinnberg aber blieb zeit seines Lebens ein Ort der Sehnsucht und Heimat. Jedes Jahr an Pfingsten besuchte er hier seine Eltern und Geschwister. Diese Familientreffen schenkten ihm Kraft für einen enormen wissenschaftlichen Einsatz.

bürgerinfo: Wie kann man sich die Entstehungsphase des Buches vorstellen?

Werner Winkler: Den Hintergrund bildete eine penible Detektivarbeit. Ich wollte Schmeller möglichst lebendig darstellen. Zu meinen Quellen gehören seine Tagebücher, sein Briefwechsel, die wissenschaftlichen Arbeiten und der nicht veröffentlichte Nachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek.

Schmellers Briefe liegen in der halben Welt verstreut, in München, Wien, Berlin, Bern, Zürich, Oslo, Krakau, São Paulo, … Schmeller korrespondierte mit Bibliothekaren in ganz Europa, unter ihnen waren auch die Brüder Grimm. Neben der Schwierigkeit, die Briefe aufzufinden, gab es Probleme der Transkription, denn manche bestehen aus Kopien in einer heute nahezu unbekannten Steno-Schrift, oder es ist von Dorfpfarrern und Landrichtern die Rede, die in keinem Lexikon verzeichnet sind.

bürgerinfo: Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?

Über zehn Jahre. Das ging zum Teil Hand in Hand mit der Arbeit am Briefwechsel. Wenn man eine Biografie schreibt, passiert mitunter Merkwürdiges. Ein Funke springt über, und man kommt sich durch die Recherche selbst näher. Ich hatte viel Freude an der Arbeit. Jetzt bin ich freilich froh, dass es geschafft ist und das Werk ein gutes Echo findet.

bürgerinfo: Herr Dr. Winkler, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Zum Buch:

Johann Andreas Schmeller

Heimat finden in der Sprache

Verlag Friedrich Pustet

ISBN 978-3-7917-3529-0