Heike Brückner berichtete über die Entstehung der Landschaftskunst an der Goitzsche.
Vortrag von Heike Brückner (Landschaftsarchitektin Bauhaus Dessau) am 14. November 2025 in der Musik-Galerie an der Goitzsche
Hand aufs Herz: Wer weiß, dass in der Bergbaufolgelandschaft Kunstobjekte zu sehen sind, die rund um die Expo 2000 entstanden sind? Wer kennt sie, kann einige beim Namen nennen und weiß um deren Bedeutung? Einige gibt es noch, aber mehr und mehr gerät dies Wissen schon in Vergessenheit. Dem will sich das Team der Musik-Galerie um Katja Münchow entgegenstemmen. Immerhin wurde es einmal das „weltweit größte Landschaftskunstprojekt der Welt“ genannt. Ob das jemals stimmte, weiß Heike Brückner nicht. Sie hat es nie überprüfen können. Die Landschaftsarchitektin vom Bauhaus Dessau macht in ihrem Vortrag über die „Hügel und Kegel“, den „Verschwundenen Fluss“ oder den „Schmetterlingspfad“ aber deutlich, dass sich 60 km² künstlerisch gestaltete Fläche „jedenfalls schon sehr groß anfühlen“. Heike Brückner hat den Gestaltungsprozess als Mitglied des Goitzsche-Kuratoriums, welches Ende 1997 seine Tätigkeit aufnahm, mit begleitet.
Architekten, Künstler, Politiker und Gestalter nahmen sich der Aufgabe an, die ehemalige Kohlelandschaft nicht nur wiederherzustellen, sondern ihr eine Bedeutung, einen Charakter zu geben: mit Ausstellungen im Schloss Pouch, Exkursionen in die Goitzsche, Vorträgen und Workshops. Mit dem Ufervertrag fing es 1999 an: die Anrainer der Bergbaufolgelandschaft einigten sich gemeinsam mit dem Sanierer Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau- Verwaltungsgesellschaft (LMBV) darauf, die Ufer für alle zugänglich zu halten und sie der Vermarktung von Privaten zu entziehen. Aber wie den vorhandenen Raum und Abraum strukturieren? Ideen wurden diskutiert und man einigte sich auf einen Rahmen: vier Seiten wurden bestimmt. Die Bitterfelder Promenade, der Südraum, der Goitzsche-Wald und die Halbinsel Pouch. Gestaltungswettbewerbe, Workshops, Seminare folgten. Modelle und Zeichnungen entstanden und gaben den vier Seiten des Rahmens ihre individuelle Form. Der Bitterfelder Stadthafen etwa führt das Wasser ganz dicht an die Innenstadt heran. Dass es ganz anders hätte kommen können, sah man an den von Heike Brückner mitgebrachten Entwürfen, die vor über 20 Jahren nicht den Vorzug erhielten. Naturbelassenes Ufer oder Bepflanzung, von kleinen Wegen durchzogen, bis dicht an die Wassergrenze. Kein Raum für Gastronomie oder das beliebte Hafenfest weit und breit. Vieles ist damals entstanden, viel Geld stand zur Verfügung. Möglich machte dies der Status Bitterfelds als „Expo-Korrespondenzregion“ der Weltausstellung im Jahr 2000 in Hannover. Brückner zog den Bogen von 1998 bis heute. Nach der Expo und der Zeit des Kuratoriums übernahm ein Förderverein die Verantwortung für die Kunstwerke, pflegte sie, moderierte Diskussionen zur Zukunft der Landschaftskunst, organisierte Führungen, Spaziergänge, Konzerte, ließ mit Fördergeldern und der Unterstützung von Arbeitsfördergesellschaften neue Kunstwerke hinzukommen. Der Verein existiert nicht mehr, Ideen für neue Kunstwerke liegen aber noch in der Schublade. Haben sie eine Chance, das Licht der Welt zu erblicken? Durch eine Kulturstiftung ähnlich der Wörlitzer vielleicht?
Katja Münchow und Heike Brückner rufen zur Suche nach tragbaren Konzepten auf und bitten die mehr als 30 Gäste um Weitertragen der Idee und um Unterstützung. Vielleicht kann das eine oder andere Kunstwerk noch erschaffen werden? Zumindest aber sollte machbar sein, das Wissen um das Vorhandensein der Landschaftskunst und deren Deutung in die Köpfe der Menschen zurückzubringen. Junge Menschen sollen aufmerksam werden. Der Anfang ist durch eine Kooperation der Galerie mit dem Walther-Rathenau-Gymnasiums gemacht. Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse pflegten und bepflanzten am 12. November das „Rosa Eck“ im Goitzsche-Wald, damit dort vielleicht im nächsten Jahr wieder rosa Rosen blühen. Fortsetzung folgt. Ob es wieder Sichtachsen geben wird, wie vom Kuratorium erschaffen und über die Jahre zugewachsen, oder ob die Erosion an Kunstwerken rückgängig gemacht werden soll – wer weiß. Einige Gäste wünschten sich dies. Das wurde in den anschließenden Gesprächen mit dem Publikum deutlich. Andere rieten ab. Die Veranstaltung in der Musik-Galerie will unter diese Diskussion keinen Schlussstrich ziehen. Sie möchte Lust auf das (Neu)Entdecken der Kunst in der Landschaft machen. Gelegenheit dazu gibt ein Besuch in der Dauerausstellung zur Landschaftskunst in der Musik-Galerie an der Goitzsche.