Titel Logo
Bergstadtecho Brand-Erbisdorf
Ausgabe 11/2024
Leitartikel
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe
-

Aus Sicht des OB

Auszubildende des 1. Lehrjahres boten den Jubiläumsgästen eine Modenschau der Pflegeberufe durch die Zeitgeschichte.

In unserer Bergstadt feierte die BERUFSFACHSCHULE FÜR PFLEGEBERUFE in diesem Monat das 10-jährige Bestehen – und auch ich persönlich sollte und wollte dazu gratulieren! Und ich tat es gern. War anfangs diese Fachschule rein für die Altenpflege angelegt, so werden in Brand-Erbisdorf an der Berthelsdorfer Straße nunmehr seit langem zukünftige Pflegefachkräfte in unterschiedlichen Graduierungen ausgebildet: staatlich examinierte Altenpfleger/innen und Pflegefachfrau/-mann sowie Krankenpflegehelfer/in.

Dies geschieht in enger Kooperation mit der Stiftung Bildung & Handwerk, im speziellen durch die SBH Südost GmbH sowie mit der FBAB - Fort- und Berufsbildungsakademie GmbH Brand-Erbisdorf. Außerdem bietet die von Frau Ines Stäglich engagiert geleitete Berufsfachschule gezielte Weiterbildungen für die gesamte Berufsgruppe „Pflege“ an. Dies erfolgt im Zusammenwirken mit aktuell 16 (meist regionalen) Partnern aus ambulanter und stationärer Pflege sowie dem Krankenhausbereich, alles ist prima organisiert, aufeinander abgestimmt und hält zusammen.

Vor reichlich zehn Jahren brauchte es viel Mut und unerschrockenen Unternehmergeist, sich solchen Ausbildungsfeldern zu widmen; letztlich deutete sich zwar der Mangel an, doch Projekt- oder gar Fördergelder waren eher spärlich gesät. Mittlerweile wurden/werden vom hiesigen Fachschulpersonal und den externen Fachdozent(inn)en hilfsbereite Menschen aus 22 Nationen ausgebildet und in den späteren Beruf gebracht, Respekt vor beidem! Rund 300 Absolvent(inn)en schlossen in BED erfolgreich ihre Ausbildung in einem Pflegeberuf ab, klasse.

Die Pflege von hilfsbedürftigen und älteren Menschen ist eine Aufgabe von hohem Wert und die gesellschaftliche Relevanz dessen hat das Team vom ersten Tage an motiviert und angetrieben.

Nachstehend abgedruckter Text stammt von Leah Weigand. Sie ist Krankenschwester von Beruf und weiß sehr wohl, was Pflegen heißt. Frust und Freude liegen so nah beieinander, dass es manchmal weh tut. Lesen Sie bitte selbst.

Aber es gibt sie immer noch die Barmherzigkeit in unserer Mitte. Von Herzen danke ich all jenen, die sich dieser Passion verschreiben (werden). Unser gemeinsamer Glückwunsch gelte den fleißigen Absolvent(inn)en mit viel Erfolg in der Zukunft, Glück Auf!

Dr. Martin Antonow
Oberbürgermeister

Ungepflegt

(Leah Weigand / Poetry-Slam)

Ok ja, es gibt

Wochenenddienste und Schichten an sich,

Homeoffice und Gleitzeit ist eher unüblich.

Ich werde gekniffen, bespuckt und berotzt,

ich bin manchmal

ganz unmetaphorisch angekotzt.

Hab mich verrenkt und verhoben

trotz allem Klinik-Aesthetik-Wissen;

hab mit dieser Hand schon

zahlreiche Zäpfchen geschoben

und manchmal ist alles beschissen.

Wir werden

geduzt, belästigt und gnadenlos ausgenutzt.

Nicht nur einmal hab ich mir gewünscht,

dass der Tag nie begonnen hätte.

Wir sind oft die allerletzten in der Nahrungskette.

Denn die Klinikstruktur gleicht immer noch gerne

am ehesten einer Kaserne.

Wenn unsere Mitbewohner nachhause kommen

stehen wir gerade auf

und oft sind durchzechte Nächte

Arbeit im Krankenhaus.

Wir werden unterbesetzt, unterbezahlt,

zur Genügsamkeit bequatscht

und von den blanken Bundesbalkonen

dafür dann auch noch beklatscht.

Ich stehe ganz am Anfang und war

schon manchmal am Ende

und oftmals da fragt man mich, ob ich

nichts Vernünftiges fände.

Aber, ich hab auch

schon einhundert Jahre alte Hände gehalten

und berührte Legendenhaut.

Hab in erleichterte Gesichter

und dankbare Augen geschaut.

Ich hab die

letzten Szenen großer Menschen geseh´n

und durfte mit den Kleinsten

die ersten Schritte geh´n.

Mal hörte ich den allerersten Lebensschrei

und mal war ich beim letzten Atemzug dabei.

Ich sah wie Menschen heilten,

von außen und von innen

und konnte mit ihnen Schlachten

gegen die Krankheit gewinnen.

Ich schaute in Körper hinein,

sah wie ein Herz pulsiert,

wurde fasziniert vom „Wunder Mensch“

und wie alles funktioniert.

Manche Tage gehen subkutan und

bleiben wohl für immer erhalten.

Manche Augenblicke verstehen es,

mein Großhirn umzugestalten.

Denn ich lerne.

Ich lerne, dass Menschen immer werden

und jeder wurde geprägt,

und dass jede Person auf Erden

irgendwann Päckchen trägt.

Ich lerne:

„Wie man es in das Zimmer hinein ruft,

so schallt es auch meistens zurück.“

Und manchmal ist eine Minute nur Zuhören

das größtmögliche Glück!

(...)

Ich lerne genau hinzuschauen,

beginnend bei den Augenbrauen

bis runter zu den Waden

und manchmal auch bis hinter

die mächtigsten Fassaden.

Ich kann meinen Namen gut sagen,

denn ich stelle mich täglich neu vor.

Ich lerne, nicht alles persönlich zu nehmen

und weiß, manchmal bleibt der Humor.

Ich lerne meine Meinung zu äußern und

dass ich meine Beobachtung wichtig find,

dass Chefärzt*innen keine Götter

und nicht unfehlbar sind.

Ja ich lerne ein bißchen, was Mensch sein ist!

Denn zerfällt auch ein Körper schon

und schwinden Organe,

verliert man Haltung und Konvention

und all die Kraft die momentane,

wird man auch „verrückt“ genannt und chronifiziert

oder hoffnungslos austherapiert.

(...)

Und weil ich all das mühsam lernte,

will ich es nicht vergessen müssen.

Ich will mir meine sehenden Augen

nicht vom Zeitdruck rauben lassen

und meine verstehenden Ohren

nicht von Personalnot ertauben lassen.

Ich will mit meinem Gehirn denken dürfen

und nicht ausschalten für klingelnde Kassen;

ich will mit meinem Herzen fühlen

und nicht vom Ärger betäuben lassen.

Meine Verantwortung sei mir stets bewusst

und wohin Unachtsamkeiten führen.

Und hab ich mal keine Lust,

soll mein Patient das niemals spüren.

Aber: solange Du denkst,

dass ich nur Arsch abwische und Sälbchen schmiere,

Bettchen mache und dem Arzt assistiere,

werde ich das nicht können.

Ich werde Fehler machen und Dinge übersehen,

werde Medikamente vertauschen aus Versehen

und vorallem werde ich

gegen mein Gewissen handeln müssen.

Denn wir sind „auf Kante genäht“

und es wird nicht besser.

Und jede Pflegekraft, die geht,

reißt das Loch nur noch größer.

Jeder weiß das und nichts passiert,

und so verliert weiter die Menschlichkeit.

Und ich frag mich, was eigentlich noch kommen muss.

Pflegen ist nicht sexy und pflegen ist nicht weiblich,

Pflege passiert nicht nur für Nächstenliebe,

denn davon kann ich meine Miete nicht bezahlen.

Pflegen ist existenziell und außerdem toll,

Pflegen ist generell und anspruchsvoll.

Du sagst, Du könntest das ja nicht…

Ich sag: „Wir auch nicht – nicht so!“