Titel Logo
Amtsblatt der Stadt Bad Schmiedeberg
Ausgabe 10/2023
Aus den Ortschaften
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Heimatmuseum Pretzsch - Im Archiv geblättert

Foto: Heimatmuseum Pretzsch

Spannend wurde die Zeit vom Sohn des Pretzscher Oberpfarrers Carl-Friedrich-Martin geschildert. Er verbrachte seine Kindheit von 1860–1866 in Pretzsch.

Pretzsch war damals ein weltfremdes Städtchen, von keiner Eisenbahnlinie berührt, bewohnt von Ackerbürgern, Handwerkern, Fischern und den Beamten des Schlosses, das seit langem als Militärmädchenwaisenhaus diente und auf einem Hügel lag...

Der Giebel des Pfarrerhauses schaute nach Osten über die Dämme, die rings den Ort zum Schutz gegen Hochwasser umgaben. In der Ferne floss nun die Elbe durch Wiesen und Ackerland...

Aber die Nachbarschaft des Wassers hatte auch ihre sehr ernsten Seiten. Breit und friedlich floss früher die Elbe im Sommer dahin, trug geduldig die braunen Lastkähne und die langen Holzflöße aus dem Oberland. Auf den großen Elbwiesen tummelte sich das Weidevieh...

Dann kam ein strenger Winter. Das Eis kam zum Stehen und ward bald so stark, dass man mit dem Wagen darüber fuhr. Mit einiger Sorge sah man dem Frühjahr entgegen und dem bevorstehenden Eisgang. Früher, bevor das Städtchen eingedeicht war, hatte ein Hochwasser nicht allzu viel zu bedeuten gehabt. Das Wasser stieg allmählich und vertrieb höchstens die Bürger einmal aus den unteren Regionen ihrer Häuser. Jetzt sollten die Dämme ihre Probe bestehen. Der Februar kam und mit ihm gewaltiges Hochwasser...

Überall standen Wachen, um jede Unterspülung, jedes Übersteigen eines kleinen Rinnsals sofort zu melden. Die Bürger arbeiteten mit Sandsäcken, Steinen und Dünger, um jedes Loch sofort zu stopfen...

Aber die Deiche hielten!!!

Der Sohn des Pfarrers berichtet weiter:

Es war wunderbar mit den Pretzscher Kindern herumzustromern. Wir brachten „Bumskeulen“ mit, die die Jugend „Wamsknüppel“ nannten...

Auf den Altwässern, draußen vor den Dämmen, besaß der Fischer Budewell, der 12 Kinder hatte, einen Kahn. Auf dem Kahn schaukelten wir gern. Erwischte uns der alte Fischer, so setzte es unbarmherzig Keile, wobei ich als der jüngste und als der Enkel von „Oberpfarrsch Großmutter“ am besten fortkam. Großmutter war nämlich seine beste Kundin. Sie war als Liebhaberin von Fischen bekannt. Der Fischer brachte jeden guten Fang, die dicksten Aale, den breitesten Blei und die besten Krebse immer zuerst ins Pfarrhaus...

In jenen Jahren scheinen sich aber Elemente gegen das Städtlein verschworen zu haben. Häufig brannte es. Es mussten wohl Brandstifter dabei im Spiele sein. Sonst hätte wohl kaum in einem Sommer 4 Wochen hintereinander allwöchentlich ein großer Brand ausbrechen können.

Es gab keine Feuerwehr. Jeder griff zu, wo er konnte...

In Pretzsch erlebte ich ein Ereignis, das angeblich für den Menschen von größter Bedeutung sein soll: Ich kam in die Schule.

Unser Lehrer Herr Meyer hatte eine eigene Methode zu strafen. Der Straftäter musste vorstehen und Herr Meyer sagte: „Mach dein Kompliment!“, worauf jener sich bücken musste und mit dem Rohrstöckchen die seinem Verbrechen angemessene Zahl Hiebe auf den dafür bestimmten Körperteil aufgezählt erhielt...

Aus jener Zeit stammt ein deutliches Erinnerungsbild an meinen Vater. Ich hatte mit meinem Vater aus Kiefernborke Schiffchen geschnitzt und ließ sie auf dem Ablauf des Röhrbrunnens schwimmen...

Heimatmuseum Pretzsch Ilona Schönfelder