Die Gründung einer staatlichen Einheit 1871 ging mit einer Reihe militärischer Auseinandersetzungen einher. Menschliche Schicksale aus dem Krieg 1870/71 gegen Frankreich betrafen auch die Pretzscher. Am 18. Januar 1871 gründeten die deutschen Kleinstaaten gemeinsam das Deutsche Reich. Im Spiegelsaal von Versailles in Frankreich wurde der preußische König Wilhelm I. zum Kaiser des Deutschen Reichs gekrönt.
„Den Moment der Kaiserproklamation kann man als deutsche Reichsgründung bezeichnen.
In der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 verlor Frankreich den Krieg gegen Preußen und seine Verbündeten. Nach dem Sieg traten die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bund bei und so kam es im Januar 1871 zur Gründung des Deutschen Reiches. Mit dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung entstand am 1. Januar 1871 das Kaiserreich. Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 wird auch als “Reichsgründung von oben” bezeichnet. Damit ist gemeint, dass die Vereinigung zu einem Nationalstaat nicht durch das Volk, sondern durch Fürsten und Militärführer bewerkstelligt wurde. Das Kaiserreich bestand aus 25 Bundesstaaten: vier Königreichen (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg), sechs Großherzogtümern (Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Sachsen-Weimar-Eisenach), fünf Herzogtümern (Anhalt, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen), sieben Fürstentümern (Waldeck, Lippe, Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß Ältere Linie, Reuß Jüngere Linie) und drei Freien Städten (Hamburg, Bremen, Lübeck), die zusammen den Bundesrat bildeten. Der Begriff deutsche Reichsgründung bezeichnet die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Prozesse, die zur Konstituierung des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 und damit zur Entstehung des modernen deutschen Nationalstaats führten.“ Wikipedia
Die Pretzscher Zeitung von 1925 schilderte ein Ereignis während des Krieges 1870/71, welches sich in Pretzsch ereignet hatte: Heute kommen die Franzosen, teilte der Stadtpolizist von Pretzsch den Bürgern mit. Er ging von Haus zu Haus und bestellte „Kartoffelstückchen“, aber die Frauen kochten Klöße mit Birnen. Franzosen mit roten Hosen und blauen Mänteln kamen aus Richtung Merschwitz in zwei Möbelwagen und sollten nach Torgau ins Gefangenenlager. In Pretzsch wurde haltgemacht, dort bekamen sie Verpflegung von den Pretzscher Bürgern. In einer Toreinfahrtsecke lehnte ein Franzose, er sah krank und schmal aus. Ein Mädchen ging auf ihn zu und bot ihm Essen an, dann sah sie das beide Arme verbunden waren. Sie musste den Franzosen füttern. Die Frau hatte Mitleid mit dem Mann. Als er fertig war mit dem Essen hing an jedem Auge eine Träne. Mit der rechten Hand versuchte er unter schweren Bedingungen ein Anhängsel aus der Brusttasche herauszuziehen. Es war das Wertvollste was er bei sich trug. Auf dem Amulett sah man Maria mit Jesusknaben. Dieses sollte ihn vor den Kugeln im Kriege schützen. Mit einem dankbaren Blick schenkte er es dem guten Mädchen.
Zur Erinnerung errichteten die Pretzscher Bürger für ihre Gefallenen aus dem Krieg 1866 und 1870/71 auf dem Marktplatz ein Kriegerdenkmal (Sandsteinobelisk mit Inschrift und eisernem Reliefmedaillon des Kaisers Wilhelms I.). Hinter dem Denkmal wurde 1872 die Friedenseiche gepflanzt.