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Pließnitzkurier – Amtsblatt und Informationen der Stadt Bernstadt a. d. Eigen
Ausgabe 11/2025
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Bevor die Bagger anrücken

Nach 1945 Fasching im Kinosaal Bernstadt

Eine Reise in die Vergangenheit unseres Stadtkellers
Das Bernstädter Kino

Das Bernstädter Kino war von 1920 bis 1990 im Gebäude der Gaststätte „Stadtkeller“, Bautzener Str.4 in Betrieb. Bevor wir uns über das Bernstädter Kino informieren einige geschichtliche Daten:

In kleineren Städten wurden die Säle der Gaststätten genutzt. So auch in Bernstadt. Reine Kinozweckbauten gab es ab 1907.

Wie kam nun Bernstadt zu seinem Kino?

1920 beantragte Herr Volkmar Hugo Lindner die Filmvorführung in Bernstadt. Herr Lindner betrieb einen Kohle-Holz-Zement- und Düngemittelvertrieb. Daneben bewirtschaftete er auch zeitweise den Saal im Haus der Gaststätte „Stadtkeller“.

Bürgermeister Druckmüller und der Rat genehmigten den Antrag. Das Sächs. Innenministerium gab den Hinweis auf das Lichtspielgesetz. Für Kinder gab es bis 14 Jahre nach 19.00 Uhr eine Besuchsbeschränkung. Ab 1921 taucht ein Stempelabdruck „ Stadtkellerkino“ auf. In dieser Zeit gab es wöchentlich eine Vorstellung am Nachmittag für Kinder und am Abend für Erwachsene. Schon damals gab es eine Filmzensur. Es wurden immer wieder Filme eingezogen und durften nicht mehr gezeigt werden.

Ab Oktober 1922 tritt ein Herr Rudolf Richter als Filmvorführer auf, bevor dann Herr Franz Fischer der Filmvorführer wird. Es gab damals schon einen Gewerbeschein Filmvorführer und eine Prüfnachweis für das Bedienen von Filmvorführmaschinen. Die Filme enthielten damals Glyzerin und waren sehr leicht entflammbar. 1923 wurde der Kinobetrieb in Bernstadt wegen der wirtschaftlichen Situation kurzzeitig eingestellt. Das Kino hatte 150 Plätze, der Saal wurde mit einem Ofen beheizt. Der Vorführraum mit den Filmmaschinen befand sich damals im Bereich des späteren Kassenraumes. Es wurde quer zur Saallänge projiziert.

Ab November 1924 gab es wieder Kino, Webmeister Robert Brendler zeigte wieder Filme, hatte aber noch nicht das Filmvorführerzeugnis abgelegt. Herr Brendler gab damals an, er hätte eine Filmvorführerlaubnis von 1911. Dies wurde aber vom Rat angezweifelt. Ab 1925 durfte Herr Knespel aus Strahwalde, Friedenstal, den Filmvorführer geben. Die Anforderungen an die Filmmaschinen und Vorführstätten wurden immer komplizierter. So durften nur noch geprüfte Elektrotechniker an der Filmmaschine arbeiten. Im Februar gibt Schankwirt Otto Riedel (Stadtkeller) bekannt, dass er die Kinoeinrichtung an Herrn Bruno Simon aus Görlitz verpachtet hat.

1928 kam es im April zu einem Brand im Vorführraum. Herr Brendler wurde an beiden Armen und am Kopf schwer verletzt. Er hatte immer noch keine Erlaubnis. Bildstreifen hatten sich an der unteren Spule verfangen. Der Schaden wurde auf 4.300 RM geschätzt. Brisant ist dabei, dass es im Januar 1928 eine Aufforderung zu Mängelbeseitigung gab. Herr Mros hatte eine Mängelliste von 9 Seiten Umfang erhalten. Herr Max Ahlendorf, Prokurist der Firma Schüller, wurde für seinen Rettungseinsatz geehrt.

Ab 1928 spricht man jetzt vom Lichtspieltheater Bernstadt, es gibt wöchentlich eine Vorstellung, der jetzige Besitzer ist Erich Mros, Schankwirt. Nach 1920 gab es eine gute Klavierbegleitung. Frau Ella Lehmann, geb. Nonnig, spielte bei den Stummfilmvorführungen.

Ab 1930 wurden dann Tonfilmapperaturen aufgebaut. In Bernstadt musste das Filmvorführerhaus erst erweitert werden. 1933 gab es dann auch in Bernstadt Tonfilm. Nach mehreren Wechseln wird ab 1930 Herr Ernst Walter Fiedler Betreiber des Lichtspieltheaters in Bernstadt. Als Besonderheit werden wöchentlich 2 Vorstellungen gegeben. Dabei werden auch schon Farbfilme und der Ton im Nadeltonverfahren dargeboten. Leider ohne Genehmigung. Ab 1932 gibt es den Beruf des Fimberichterstatters. Erst mit dem Jahr 1933 wurde der Tonfilm regulär in Bernstadt gezeigt.Im Jahre 1934 trat das 2.Reichslichtspielgesetz in Kraft. Dabei spielte das Kino eine wichtige Rolle für die Propaganda. In den Kriegsjahren war es sehr schwierig den Kinobetrieb aufrecht zu erhalten. Das Regime der Nazis hatte aber ein großes Interesse am Betrieb. Insbesondere die „Wochenschau“ war ein wichtiges Mittel zur Information und Propaganda während des Krieges.

Nach 1945 begann der Kinobetrieb schrittweise wieder unter dem Namen „Landfilm“. Erst in den 50iger Jahren entstand der VEB Kreislichtspielbetrieb Löbau, diesem wurden alle örtlichen Kinos zugeordnet. 1949 musste der Spielbetrieb eingestellt werden. Die Saaldecke war einsturzgefährdet. Es wurde aber schnell eine Baugenehmigung erteilt und das Dach erneuert. Im Jahre 1951 erfolgten die größten Umbauten. Die Bühne wurde komplett für Totalvision umgebaut. Ebenso wurde das Mehrkanaltonsystem eingebaut. Der Vorführraum wurde an der Rückseite des Saales angebaut und mit einer Eisentreppe versehen.

10 Jahre später, 1961, erfolgte der Einbau einer geneigten Ebene aus Holz. Dazu wurde das Holz im Rahmen eines NAW – Einsatzes (Nationales Aufbauwerk) im Forst Marienthal gewonnen. Der renovierte Kinosaal konnte am 6.2.1961 wieder genutzt werden. Der Kinosaal hatte 208 Sitzplätze in 14 Reihen., diese waren aus Holz und klappbar. Es gab keine Polsterung. Bis zum Ende des Kinos im September 1990 wurden keine größeren Veränderungen mehr vorgenommen. Das Kino wurde mindestens an 3 Tagen bespielt. Vorstellungen gab es zumeist am Mittwoch, Freitag, Sonnabend und Sonntag. Die Kindervorstellung begann um 15.00 Uhr. Die Abendvorstellungen um 17.00 und 20.00 Uhr. Viele Jahre wurde das Kino von Gertrud Neumann, mit Unterstützung von Heinz Neumann betrieben. Für die Aufsicht im Saal wurden auch Hilfskräfte, zumeist Schüler (z.B. Hartmut Lehmann, Frank Lange), eingesetzt. Weitere Angestellte waren Ewald Ziegler und Gretel Tschirch.

Die Abendvorstellungen kosteten 1,25 Mark der DDR. Das Kinderprogramm begann bei 25 Pfennigen. Bei Abendveranstaltungen wurde durch VP-Helfer mitunter auch das Alter sehr genau geprüft. Die Jahresfreigabe der Filme wurde streng kontrolliert. Übrigens war Bürgermeister Bachmann, bevor er 1966 das Amt übernahm, Filmvorführer in Löbau. Die Besucherzahlen haben sehr geschwankt. Gespielt wurde ab 5 Besuchern. Manche Filme wurden auch in Bernstadt mehrfach wiederholt gezeigt. Immer am 24.12. gab es für die Kinder um 15.00 Uhr eine Sondervorstellung mit Märchenfilmen. Damit sollte die Zeit bis zur Bescherung verkürzt werden. Das Kino wurde auch für viele öffentliche Veranstaltungen genutzt-so zum Beispiel: Brandschutzschulungen, Jugendweihe, Einwohnerversammlungen und Schulveranstaltungen.

Bis 1989 wurde auch im Waldbad regelmäßig Freilichtkino abgehalten. Dazu wurde extra eine große Leinwand aufgebaut. Gezeigt wurden zumeist Filme aus dem westlichen Ausland. (z.B. Dirty Dancing, Das fliegende Auge) Es wurde auch ein Ausschank betrieben. Bei schönem Wetter kamen bis zu 500 Besucher zu den Vorstellungen.

Das sehr schnelle Ende des Bernstädter Kinos kam schon im September 1990. Der Kinosaal und die Einrichtung wurden noch durch den Kreisbetrieb zurück gebaut. Leider gibt es kein Bild mehr von der Inneneinrichtung des Kinos.

Eigentlich ist es schade um diese Art der kulturellen Unterhaltung. Aber ein Kino rechnet sich nur in einer größeren Stadt oder muss ehrenamtlich betrieben werden (z.B. Kunstbauer Kino Großhennersdorf). Die nächsten Kinos der Region befinden sich in Görlitz und Zittau.

Kinoerinnerungen von Hartmut Lehmann:

„Etwa in den Jahren 1964-1967/68 waren wir, Udo Riccius und ich, im Kino freiwillige, ehrenamtliche "Mitarbeiter" der Leiterinnen Frau Bergmann und Frau Neumann.

Unsere Aufgaben bestanden in Folgendem: Am Sonntag kamen mit dem Nachmittagsbus (meist mit Hänger) aus Löbau die Filmkisten für die nächsten Veranstaltungen. Diese durften wir mit dem Vertrauen der beiden Damen abholen. Keine immer leichte Angelegenheit bei dem Gewicht der Kisten. Bei Nachmittags- und frühen Abendveranstaltungen durften wir an der Einlasstür, (an der ein dicker, hoher verschiebbarer Vorhang hing), die Kinokarten kontrollieren und abreißen. Frau Bergmann verkaufte draußen auf dem Gang, hinter dem kleinen Fenster, die Kinokarten. Neben dem großen Kachelofen im Inneren des Saales stand immer ein Tisch, auf dem ausgebreitete Kuriere (Programmfaltblätter) zum Verkauf angeboten wurden, meist von Frau Neumann. Später durften wir diese verantwortungsvolle Aufgabe auch übernehmen.

Mit wachsender Erfahrung durfte ich je nach Situation und Film auch die Filmlautstärke auf dem einzelnen letzten Platz im schrägen Gang nach oben regeln. Das war eine tolle Aufgabe, die mich stolz machte.

Spätere Filmvorführer/Kartenverkäufer waren Herr Richter (Vater von Frau Sparkassen Dagmar Richter? -jung verstorben) und Herr Hugo Franz. Das Kino war immer gut besucht und oft ausverkauft (je nach Film). Die Menschen standen oftmals Schlange die Treppe im Stadtkeller hinab bis zum Ausgang. Besonderer Andrang war z.B. bei dem Film "Die glorreichen Sieben" mit Yul Brynner, den ich damals wegen der Altersbeschränkung nicht ansehen durfte. Da waren die Damen vom "Filmpalast" Bernstadt auch bei uns sehr streng. Ansonsten eine tolle Zeit - meine Kinozeit.

Ich glaube mich auch zu erinnern, dass am Sonntag um 10.00 Uhr ein Kinderfilm lief, parallel zu Kirchenzeit - da musste man sich schon etwas einfallen lassen.

Zur Zeit des Stummfilms spielte meine Großmutter, Ella Lehmann, geb. Nonnig, am Klavier auf bzw. vor der Bühne die Begleitmusiken nach Filmsituation mal lustig, spannend oder traurig.“

Jugendweihe 1960 im Kino

Der Aushang der Filmplakate und der Spielzeiten erfolgte in dem sich noch heute an der Hauswand des Stadtkellers befindenden Schaukasten rechts neben der Eingangstür. Die Filmplakate waren, auch für internationale Produktionen, meist Anfertigungen des Progress-Filmverleihes der DDR. Sie folgten einer eigenen Ästhetik, da die Grafikkünstler, welche nicht an Verträge mit westlichen Filmstars und Produktionsfirmen gebunden waren, eine für die DDR typische Formensprache verwenden konnten. Als Beispiel ist hier das Filmplakat von “Die Olsenbande fliegt über die Planke” abgebildet.

Während der Wendezeit von November 1989 bis zur Schließung des Kinos 1990 erfolgte neben dem Kartenverkauf auch der Verkauf von Süßigkeiten am Kassenfenster im ersten Stock.

Die Abwicklung des Kinos in Bernstadt und im Landkreis Löbau (Lichtspielbetrieb Löbau) ging sehr schnell. Schon 1990 erfolgte eine Besichtigung aller 10 Filmtheater durch die „Neue Constantin-Filmgesellschaft“. Der Auftrag dazu kam von der Treuhandanstalt Berlin. Dabei sollten die Filmtheater ausgewählt werden, die eine Überlebenschance hatten. Es kamen nur das Kino in Löbau, Neugersdorf und Ebersbach in die engere Wahl. Letztendlich hat nur das Kino in Ebersbach überlebt. Alle anderen Kinos wurden sehr schnell geschlossen.

Aufgeschrieben im März 2018 G.Lange, Zuarbeiten J. Lohse, Fam. Lehmann, K.-H. Kutschke
Quellen: Geschichte des Kinos Wikipedia deutsch