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Bote des Geiseltales - Heimatzeitung der Stadt Braunsbedra
Ausgabe 2/2023
Verschiedenes
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Zwischen Kohle und Wasser – 100 Jahre Sportverein Großkayna 1922 e. V. – Teil 12Die „historischen“ Sportarten: Radsport

Aufruf 1954 im "Aufwärts" zur bildung einer Radrennsparte in der BSG Aktivist Großkayna

Mit dem Fahrrad (Diamant!) auf dem Fichtelberg im Sommer 1962

Wie bereits berichtet, hatten sich in den zwanziger Jahren Radsportinteressierte in Großkayna im Arbeiterfahrradsportverein „Solidarität“ zusammengefunden, der im Jahr 1933 von den Nazis verboten wurde: „Jeden Sonntag im Sommer wurden Tourenfahrten gemacht. Es wurden Saalmaschinen und Einräder angeschafft und das Saalreigenfahren und Radball wurde sehr gepflegt. Unser Verein war im Bezirk sehr bekannt und auf vielen Bezirksmeisterschaften wurde gekämpft. Unsre schärfste Konkurrenz waren damals Tagewerben und Klobikau.“ Was nach dem Verbot des Vereins aus den Radsportlern wurde, ist leider nicht überliefert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil in die umliegenden Orte abwanderte, denn dort, z. B. in Reichardtswerben und Tagewerben organisierten sich die Radsportler nach dem Krieg neu. Die dort existierenden Sportgemeinschaften wurden Anfang der fünfziger Jahre den Großkaynaer Betriebssportgemeinschaften zugeschlagen. Auf diese Weise kam der Radsport mit seinen verschiedenen Facetten indirekt wieder nach Großkayna. Heinz Teschner schreibt dazu 1954 im „Aufwärts“: „Seit Oktober vorigen Jahres besteht in unserer BSG eine Sektion Radsport (früher SG Reichardtswerben). Diese Sektion besteht z. Z. aus dem Saalsport und dem Radwandersport. Im Jahr 1954 soll der Radwandersport zum Massensport ausgebaut werden. Unsere Deutsche Heimat hat sehr viel an Naturschönheiten, Museen, alten Burgen, Denkmälern und vieles mehr. All dies sollen unsere Werktätigen einmal kennenlernen, und das ist durch den Radwandersport möglich. Deshalb steht der Radwandersport unter dem Motto: „Lernt die Heimat kennen!“ All diese Fahrten sollen nicht etwa Rennfahrten werden, sondern es wird nur in einem Tempo von 12 bis 15 km/h gefahren, so dass auch schwache Fahrer mitfahren können und einen Genuss von der Natur haben. Unsere Parole soll deshalb in diesem Jahr heißen: „Jeder Besitzer eines Fahrrades - ein Wanderfahrer!“

Einen Aufschwung erlebte der Saalradsport nochmals im Jahre 1959, nachdem Rudi Zech aus Großkayna und die Tagewerbener Herbert Kraft, der als Tischler im Braunkohlenwerk arbeitete sowie Georg Keck bei einer Karnevalsveranstaltung beschlossen, in Tagewerben wieder einen Hallenradsportverein zu gründen und sich der BSG Aktivist Großkayna anzuschließen. Die Drei hatten ihre „Schnapsidee“ am nächsten Tag nicht vergessen und die Sektion entwickelte sich erfolgreich. 1970 kam dann noch Radpolo dazu, 1981 konnten die Radballer Rudolf und Falko Eichardt den Bezirksmeistertitel und noch zweimal danach den Pokal bei den Männern erringen. Eine Mädchenmannschaft qualifizierte sich für die Endrunde der DDR- Meisterschaft im Radpolo. In ihren besten Zeiten gehörten bis zu fünf Schüler- und Jugendmannschaften und vier Männermannschaften zum Radball. Die Großkaynaer erlebten Auftritte „ihrer“ Radballer bei Freundschaftsspielen im Saal der Gaststätte „Bergmannsklause“. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Radsportgruppe mit dem Ende der Unterstützung durch den ehemaligen Trägerbetrieb verfügte sie noch über zweiundzwanzig Radballräder und diverses Zubehör. Zu DDR-Zeiten kostete ein Rad rund 450 Mark.

Ebenfalls im Jahr 1954 ging es um eine andere Disziplin im Radsport, die diesmal Großkayna direkt betraf: Den Aufbau einer Rennsparte.

Im Laufe der Zeit wurden zwei blaue Rennräder der legendären Marke „Diamant“ angeschafft, genau der Marke, mit der die Friedensfahrer der DDR ihre Rennen bestritten.

In den fünfziger und sechziger Jahren herrschte in der Bevölkerung eine sehr große Radsportbegeisterung. Verantwortlich dafür waren die Erfolge der DDR-Straßenrennfahrer. Die Friedensfahrt Warschau – Prag - Berlin (bzw. in wechselnder Reihenfolge) lockte Hundertausende an die Rennstrecken oder zu den Zielankünften in die Stadien. Von Großkayna aus liefen oder fuhren Scharen von Interessierten mit dem Fahrrad an die heutige B 91, um das vorbeihuschende Fahrerfeld und die langen Kolonnen der Begleitfahrzeuge zu erleben. Angetrieben wurden die Fahrer von den Rufen: „Täve, Täve!“ In einem Bericht über diese Zeit heißt es: „Unsere Vorbilder kamen aus dem Sport. An der Spitze stand Täve Schur. Wir fieberten mit, als er Friedensfahrtsieger wurde, 1958 und 1959 Straßenweltmeister der Radamateure. Endgültig zum Helden wurde er für uns, als er 1960 auf dem Sachsenring seinem Mannschaftskameraden Bernhard Eckstein den Vortritt ließ und den DDR-Doppelsieg absicherte.

Die Schule organisierte zusammen mit der BSG die „Kleine Friedensfahrt“. Als erster Preis winkte eine von der BSG gestiftete Eintrittskarte für die Etappenankunft der Friedensfahrer im Leipziger Zentralstadion, als einer von hunderttausend Zuschauern.

Im Rahmen der Vorbereitung auf die Jugendweihe besichtigten wir 1962 die DHFK in Leipzig und hofften auf eine Begegnung mit Täve Schur. Leider klappte das nicht. Allerdings sorgte ein anderes Ereignis für einen späteren Auftritt unseres Idols: Während des Besuches berichtete unser Begleiter von Problemen mit der Versorgung der Sportstudenten. Es mangelte im Winter 1961/62 an Kartoffeln. Unter der Bedingung, dass Täve unsere Schule besucht, wurde eine Kartoffelsammlung organisiert. Die DHFK und Täve erfüllten einige Zeit später ihr Versprechen. Die Veranstaltung fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung im Saal der Bergmannsklause statt.“

Dr. Dietmar Tauber, Sportverein Großkayna 1922 e. V.