Schon Goethe (1749-1832) brachte es in seinem 1827 entstandenen Gedicht „Erinnerung“ auf den Punkt: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“. Wie passend diese Zeilen nach wie vor sind, davon hat uns auch der zweite Aufenthalt innerhalb einer Woche im jahrhundertealten, geschichtsträchtigen Wasserschloss Frankleben mehr als überzeugt. Zugegeben, es ist nicht das erste (Wasser-)Schloss, das uns – zwei Midlifer (ohne Crisis) on Tour – innerhalb weniger Augenblicke bereits beim ersten Besuch faszinierte und in seinen Bann schloss. Jedes Kulturgut hat seinen eigenen, ganz besonderen Reiz. Sowohl die großen, prunkvollen Schlösser als auch die kleinen, nicht minder schönen. Und dennoch ist das vierflügelige Wasserschloss Frankleben in unmittelbarer Nähe zum Geiseltalsee „einmalig...einzigartig“, wie Onkel Bernd mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung feststellte. Ihn, inzwischen stolze 83 Jahre alt, nahmen wir neben dem Vater bei unserem zweiten Aufenthalt auf dem Schloss nur eine Woche später mit.
Von Anfang an war es ein seltsames, ja magisches Gefühl des absolut Vertrauten. Nicht zuletzt lag es an den so charmanten, herrlich bodenständig gebliebenen „Schlossgeister“ Gabi und Birger. „Wir sind Freigeister“ – das sagen die beiden über 60-Jährigen über sich selber und genau dieses lebensbejahende, angenehme Gefühl strahlen sie auch aus.
Wie alles begann
Nach einer vergnüglichen Schiffstour auf dem Geiseltalsee bei herrlichem Frühlingswetter und einem anschließenden Besuch der beeindruckenden Ausstellungen in der Zentralwerkstatt Pfännerhall machten wir an einem Samstag Mitte April spontan noch Halt im idyllisch gelegenen, erstmalig vor circa 1500 Jahren erwähnten Dorf Frankleben. Von der Straße aus gesehen hinter hohen Bäumen versteckt liegt hier das Schloss Frankleben im Unterhof von Frankleben. Schon bei Betreten des Schlossgeländes fühlte es sich seltsam vertraut an. Wie von magischer Hand zog es uns immer näher. Bereits der Weg zum Schloss durch eine alte schmiedeeiserne Schlosstoreinfahrt von 1908 war beschwingter als sonst.
Im Schlossgarten saßen unter einem schattigen Plätzchen an einem liebevoll gedeckten Kaffeetisch zwei äußerst sympathische, offene und dennoch unaufdringliche Menschen. Wie sich später dann herausstellte – Gabi und Birger. Eine Freundin war auch dabei. Alle drei verströmten eine relaxte, harmonische Atmosphäre. Auf Nachfrage durften wir das denkmalgeschützte Bauwerk im Stil der Renaissance besichtigen. Die Tür zum Schlossinneren, die über eine von beiden Seiten aus begehbare Freitreppe zu erreichen war, stand sperrangelweit offen. Wir aber, auch ein Stück von Ehrfurcht erfüllt, nahmen zunächst den sogenannten „Steingang“, der uns in den Schlossinnenhof führte. Als wir in die unteren Schlossgemächer traten, verschlug es uns für einen Moment die Sprache. Sehenswert ist auch der schlosseigene Teich, indem sich Goldfische und Karpfen tummeln.
Ein besonderes Highlight für uns sollte auch noch auf uns warten – wir durften auf den Schlossturm. Dazu müssen Sie, liebe Leserschaft, wissen: Türme jeglicher Art werden von uns, überall wo wir sind und wo es möglich ist, besichtigt. Wie ein lieb gewonnenes Ritual. Immer wieder werden wir dabei mit großartigen Ausblicken belohnt. Auch vom Turm dieses Schlosses ist die Natur zum Greifen nah – vor uns liegt die wunderschöne, überaus reizvolle, anziehende Landschaft rund um den Geiseltalsee.
Weil Genießen mit Wohlfühlen beginnt
Mit intensiv erlebten und überaus genussvollen Augenblicken und damit verbundenen, teils überwältigenden Emotionen sowie einer Extraportion Motivation, Kraft und Leidenschaft für kommende Projekte im Gepäck verließen wir diesen für uns magischen Ort mit dem Vorsatz, ganz bald wiederzukommen. Es ist für uns ein absolutes „Must-See“ [unbedingt empfehlenswert] geworden auch dank ganz persönlicher (Gesprächs-)Momente zum Auftanken. Zufälle gibt es nicht; es sollte wohl alles so sein. Wo findet man solche wunderbaren Plätze mit solch einer HerzensWärme & Genuss heutzutage noch? In einer Zeit der Globalisierung und Digitalisierung, in der es immer hektischer und schneller zugeht. Im und um das Schloss herum scheint die Welt stillzustehen und ein Hauch von Ewigkeit in der Luft zu liegen.
Vom Gönnen einer Auszeit über Nacht...und das als Schlossherren und -dame
Bei unserem zweiten Aufenthalt kamen wir – wie bereits erwähnt zu viert – in den Genuss einer privaten Schlossführung vom wortgewandten, sehr geschichtsinteressierten „Kastellan“ Birger, der uns mit viel (Detail-)Liebe von der Historie und Nutzung des Schlosses in vergangenen Zeiten erzählte. Überall, selbst in den verborgensten Winkeln gibt es was zum Entdecken und Staunen. Hier liegt Magie auch in den kleinen Dingen. Da wie überall Gelder immer knapp sind, um so ein Schloss mit (Möbel-)Leben zu füllen, nehmen die Schlossherren gern ausrangierte, noch gut intakte und funktionierende Möbel oder Utensilien als Spenden in ihre Obhut. So kann es sein, dass ein alter DDR-Kleiderschrank zwar optisch nicht ganz in das Schloss passt, aber seinen Zweck zur Aufbewahrung mehr als erfüllt. Genau diese wohlplatzierte Unperfektion macht den unwiederbringlichen Charme des Schlosses aus. Überall ist die Liebe und Leidenschaft zur Kreativität zu spüren. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema. Das Schloss sprüht nur so vor unglaublichen Charme und natürlicher Anmut, auch wenn es noch einige kleinere und größere Baustellen gibt.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass man im Schloss auch übernachten kann. In einem der wunderschön hergerichteten Zimmer mit solch’ klangvollen Namen wie etwa Bose-Zimmer, Bose-Suite oder Rosetten-Zimmer im ersten Obergeschoss. Das Schloss bietet zudem Pilgern des Jakobswegs seit 2011 einen großen Schlafraum im Erdgeschoss mit gegenüberliegendem Bad, indem sich Waschbecken, Dusche sowie WC sowie eine Waschmaschine den Platz teilen. „Herbergsmutter“ Gabi bereitet mit großer Leidenschaft und Engagement auf Wunsch ein einfaches und dennoch reichhaltiges Frühstück zu. Was braucht es auch zig Sorten an Wurst und Käse oder Marmeladen. Die Reduziertheit spiegelt sich auch hier wider. Und erdet auf ganz bewusste Weise.
An diesem wundervollen Fleckchen Erde kann man sich definitiv eine Auszeit gönnen, die Seele baumeln lassen, sich vom hektischen Treiben des Alltags erholen – entweder allein oder zu zweit, mit der Familie, Freunden oder Bekannten. Ein wahr gewordener Wohlfühltraum abseits der ausgetretenen Touristenpfade. Definitiv zu einem unserer besonderen Lieblingsorte, sogenannte „Happy Places“ [„Glücksplätze“] geworden. Denn ohne jeden Zweifel liefert das Schloss frischen (Gedanken-)Wind und jede Menge Energie. Gabi und Birger wiederum freuen sich mit den Schlossherren, Familie Pacher von Theinburg, wenn das Schloss belebt wird.
Giacomo Leopardi (1798-1837), der größte italienische Dichter des 19. Jahrhunderts, sagte einst: „Die Welt gehört dem, der sie genießt.“ Besser könnte ich es auch nicht sagen.
Gut zu wissen: Kulturzeit im Schloss
Im Schloss finden standesamtliche, kirchliche oder freie Trauungen (Außenstelle von Braunsbedra) sowie Hochzeiten, aber auch Familienfeiern und Seminare statt. Darüber hinaus wird das Schloss als kulturelles Zentrum genutzt. Von Sommer bis Herbst werden nicht nur Musik-, Kunst- und Kulturinteressierten wechselnde Konzerte, Theatervorführungen und Lesungen unterschiedlicher Art angeboten.