Kennen Sie den Gottesacker B in Bad Gottleuba und seine Geschichte?
Die meisten Leute waren schon einmal auf dem neuen Friedhof in Bad Gottleuba an der Hellendorfer Straße. Man nennt ihn auch den Gottesacker A.
Aber kennen Sie auch den Gottesacker B? Eine kleine unscheinbare Pforte in Richtung Schule führt uns auf ein weiteres Totenfeld. Seine Geschichte ist so bedeutend, dass die Stadt 2012 ein Denkmal für 60.000 Euro errichten ließ. Es besteht aus 12 eisernen Tafeln mit 61 eingestanzten Namen. Was ist dort geschehen?
Es begann 1939, als das Sanatorium Bad Gottleuba zum Reserve-Lazarett umfunktioniert wurde. 1940 starb dort der erste Soldat. Aber noch lief alles geordnet ab. Die Verstorbenen waren namentlich bekannt, die Hinterbliebenen und Standesämter wurden benachrichtigt und ein würdevolles, wenn auch bescheidenes Begräbnis fand statt. So blieb es bis Februar 1945.
Durch die verheerenden Bombenangriffe auf Dresden, strömten Verletzte und Flüchtlinge aus Dresden in unsere Stadt. Mein Urgroßvater kam mit meiner Urgroßmutter zu Fuß mit einem Leiterwagen aus Dresden-Löbtau und bekam bei seiner Enkelin, Stieftochter der Sidonie Kehrer, ein Dach überm Kopf.
Aus dem Landesinneren wurden im März 1945 KZ-Häftlinge in Richtung Theresienstadt getrieben und in Hellendorf und Oelsen in unbeheizten Scheunen, ohne Wasser und Toiletten bis Kriegsende festgehalten. Wie viele Menschen dabei den Tod fanden, ist nicht bekannt.
An der Böhmischen Grenze fand der letzte Kampf unter Führung von Feldmarschall Schörner statt, in dessen Folge Soldaten desertierten. Sie wurden gnadenlos verfolgt und wenn sie in die Hände ihrer Häscher fielen sofort erschossen.
Am 8. Mai 1945 wurde Bad Gottleuba bombardiert. 49 Menschenleben verloren dabei ihr Leben, darunter 29 Einwohner. Gleichzeitig kamen aus der Tschechoslowakai vertriebene Flüchtlinge in unsere Stadt.
Es kam innerhalb der Bevölkerung zu Suiziden, aus Angst vor der eintreffenden russischen Armee. Die Menschen erhängten oder vergifteten sich.
Im Sanatorium wusste nicht mehr wohin mit den Toten und begann am 11.05.1945 auf dem eigenen Gelände 4 Massengräber für 27 Tote anzulegen. 1951 wurden diese Toten exhumiert und auf einem Grundstück neben dem Friedhof ein zweites Mal bestattet.
Der Gottesacker B wurde in 10 Abteilungen unterteilt und Massengräber ausgehoben. Teilweise hatte man nicht die Zeit und die Möglichkeit die Toten zu identifizieren. Es gab nicht genug Särge, so dass in Kisten 2 bis 4 Personen gelegt wurden. So findet sich man eine Bemerkungen des Pfarrers: „In eine Zeltbahn eingehüllt“ in den Unterlagen.
Auf einem alten Lageplan ist dokumentiert:
| 190 | Tote im Lazarett verstorbene (Gottesacker B) |
| 72 | Tote Soldaten (Gottesacker B) |
| 41 | Flüchtlinge aus Dresden (Gottesacker A) |
| 17 | KZ-Häftlinge (Gottesacker A) |
| 73 | Tote durch Kampfhandlungen |
| 49 | Tote aus dem Sanatorium wurden auf dem alten Friedhof an der Kirche bestattet. |
Die 73 Toten „aus Kampfhandlungen“ befanden sich auf einem Grundstück außerhalb des Friedhofgeländes und wurden 1998 exhumiert. Es handelte sich um 33 namentlich bekannte, 20 unbekannte Todesopfer und 20 Tote vom Gelände des Sanatoriums. Diese wurden tatsächlich zweimal exhumiert und nun auf dem Gottesacker B ein drittes Mal bestattet. Alle Namen stehen heute auf der Gedenktafel: „Die Toten mahnen – erhaltet den Frieden“.
Die Dresdner Toten fanden auf dem Gottesacker A ihre letzte Ruhestätte. Auch sie erhielten ein Denkmal „Dresdner Grab – Im Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe Im Februar“. Das Denkmal wurde vom Gottesacker A auf den Gottesacker B umgesetzt und fristet dort ein unwürdiges Dasein. Es müsste sich dringend mal ein Friedhofsgärtner darum kümmern!
Auch die KZ-Häftlinge (vermutlich Häftlingsfrauen aus Dresden-Reick Zeiss Ikon) erhielten eine Gedenkplatte. Leider ist die Inschrift verblichen und schade, dass die Namen auf dem Stein falsch geschrieben sind.
Viele Nationalitäten fanden auf dem Gottesacker B ihre letzte Ruhe. Darunter Ungarn, Russen, Italiener und Deutsche. Das Leid der Menschen und ihrer Hinterbliebenen war unfassbar groß.
Also nehmen wir uns einmal die Zeit, das kleine Pförtchen vom Gottesacker A zum Gottesacker B zu durchschreiten und halten inne, bei dem Gedanken, dass wir nun schon fast 80 Jahre in Frieden leben. Die damalige Botschaft ist immer noch aktuell:
„Wir gedenken aller Opfer in Konzentrations- und Vernichtungslagern, aller Geflüchteten und aller Ermordeten. Die Erinnerung mahnt uns zu Menschenachtung, Demokratie, Toleranz und Frieden."
Geschichten und Geschichte von Annemarie und Prof. Dr. Siegfried Fischer über unsere Stadt gibt es im Schreibwarengeschäft Hauswald in Berggießhübel.
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Ein gesundes frohes Jahr 2025 wünschen Ihnen