Paris, der 13. Oktober 1902 7:30 Uhr: Der Franzose Henry-Paul Morin und Baron Otokar von Bratsky-Laboun starten im Vorort Vaugirard ihre dritte Testfahrt mit einem Luftschiff.
Viele Zuschauer sind gekommen, um dem Spektakel beizuwohnen, darunter Mitglieder des Aeronauten-clubs und Bradskys Ehefrau mit Tochter.
Der Lenkballon (Ballonwerkstatt Henri Lachambre) war 34 Meter lang, hatte einen Rauminhalt von 850 Kubikmeter und war mit Wasserstoff gefüllt. Die Gondel (Pariser Ingenieurbüro Risacher & Herbert) maß 20 Meter und war mit 50 Klavierseiten mit je 125 kg Zugkraft befestigt. Ein 16 PS starker Motor von Buchet, trieb die horizontale und vertikale Schraube an. Das Luftschiff hatte ein Gewicht von 977 kg inkl. Fahrer.
Geplant war, das Manöverfeld Issy-les-Moulineaux zu erreichen und dort weitere Versuche durchzuführen. Als sich das Luftschiff die ersten 30 Meter vom Boden abgehoben hatte, triftete es bei mäßigem Wind in die entgegengesetzte Richtung ab. Das Seitenruder und die Vortriebskraft der Antriebsschraube waren nicht stark genug, um das Luftschiff richtig steuern zu können. Über Montmartre und St. Denis gelangte das Luftschiff in den Pariser Vorort Stains. Hier beabsichtigte Bradsky zu landen und fragte gegen 11 Uhr mittels Megaphons einen Anwohner nach einem günstigen Landeplatz. In ca. 100 Metern Höhe leiteten beide das Landemanöver ein. Jedoch verschoben sich Ballon und Gondel aus der Längsachse. Dieser Verdrehung war die Aufhängung nicht gewachsen. Die Klavierseiten rissen von vorne nach hinten ab. Die Gondel stürzte im 45° Winkel mit den Insassen in die Tiefe. Bradsky wurde vom Motor erschlagen. Morin starb nach wenigen Minuten an seinen Verletzungen.
Es war die Zeit der Luftfahrt, wo man weitere Erfahrungen nur über praktische Versuche machen konnte. Es gab noch keine Computer für Prozesssimulationen. Auch wenn der Flug des Luftschiffes in einer Katastrophe endete, war die Bedeutung für die Luftfahrt doch so groß, dass man 1907 an der Unglücksstelle in Stains ein Denkmal errichtete. Der Obelisk erinnert gleichfalls an einen Absturz der Gebrüder Montgolfier im Jahr 1783 an gleicher Stelle.
Der Leichnam Bradskys wurde nach Cotta überführt und dort am 24.Oktober 1902 begraben. Sein Grab schmückt ein Findling, dessen Inschrift auf einer bronzenen Tafel verloren ging.
Die Schwester von Otokar Bradsky, Dorothea von Eschwege geb. Bradsky-Laboun war verheiratet mit Rudolf von Eschwege. Er war Offizier und Mitglied der Ersten Kammer des kurhessischen Landtags. Man nannte ihn den „Adler der Ägäis“. Er war als Pilot im I. Weltkrieg sehr erfolgreich, bis er am 21. November 1917 mit seinem Halberstadt-Jagdeinsitzer abstürzte. Ironischer Weise attackierte er einen britischen Fesselballon, deren Besatzung eine 250 kg schwere Sprenglandung zündete, die Eschwege in der Luft zerfetzte.
Dorothea von Eschwege hatte nun ihren Bruder Otokar, ihren Vater Franz Viktor Bradsky (1917) und ihren Ehemann auf tragische Weise verloren. Das bewegte sie, gemeinsam mit dem Königlich-Sächsischem Militärverein unter Vorsitz eines Herrn Öhme, einen riesigen Findling in den Cottaer Busch schleppen zu lassen. Diesen stellte man auf drei steinerne Sockel, so dass der Findling das Aussehen eines Tisches (auch Betstein/Altar) erhielt und versah ihn mit einer Gedenkplatte, die leider auch verloren ging.
Hier schließt sich auch wieder der Kreis zur Stadtgeschichte, denn der Cottaer Busch wird umrahmt von den Orten Gersdorf, Ottendorf, Cotta und Berggießhübel.
Der Findling trotzt noch heute jeglicher Widrigkeit im Cottaer Busch. Wanderer und Pilzsucher grübeln über Herkunft und Sinn. Er hat viel zu erzählen. Die letzte traurige Geschichte, ist die des Selbstmordes von Dorothea von Eschwege und ihrem Verwalter Dr. Neidhardt am 9. Mai 1945. Sie vergifteten sich aus Angst vor der nahenden russischen Front.
Stadtgeschichte gibt es weiterhin im Schreibwarengeschäft von Frau Hauswald-Punte in Berggießhübel käuflich zu erwerben. Über Ihre Anregungen und Hinweise freuen wir uns, gern per Mail an Chronik_BGB@t-online.de.
Vielen Dank für Ihr Interesse
Familie Torsten und Ilka Demmer und Annemarie Fischer
Quellen:
Stadtmuseum Grimma https://museum-grimma.de/
Geschichte & Geschichten der Gemeinde Bahretal Nr. 29
Illustrierte Aeronautische Mitteilungen, Strassburg 1903