Alte Grabsteine auf dem Reinhardtsdorfer Friedhof
Johann Gottlieb Hering auf einem Gemälde. (2)
Bei einem Gang über den Friedhof in Reinhardtsdorf stellte sich dem einen oder anderen bestimmt schon einmal die Frage, welche Bedeutung die unmittelbar hinter der Kirche stehenden drei großen alten Grabsteine wohl haben mögen.
Einstmals waren das ja aufwendig gearbeitete, mit vielen Elementen und Bildern verzierte Kunstwerke. Inzwischen hinterließ der Zahn der Zeit an ihnen deutlich seine Spuren und auch von den zahlreichen Inschriften lassen sich nur an wenigen geschützten Stellen noch einige Worte entziffern. Wer waren nun diese Personen, für die eine solche prächtige Grablege entstand?
Beginnen wir mit dem linken Stein. Dieser wurde gesetzt für Johann Gottlieb Hering (1767–1839). Er lebte als Besitzer eines Reinhardtsdorfer Bauerngutes, war Schiffsherr, Holzhändler und Schulvorstand. Außerdem wurde er als Bürger von Schandau bezeichnet, ihm gehörten dort zwei Häuser. Er besaß eine Sägemühle in Böhmen, sowie Floßholzniederlagen an der Elbe in Schöna und in Niedermuschütz (unterhalb von Meissen). (1)
Während der Befreiungskriege 1813 hatte der französisch sprechende Bauer sich einem napoleonischen Offizier als Freimaurer zu erkennen gegeben und so sein Dorf vor größeren Repressalien bewahrt. Für die Einwohner war dieses Ereignis dann der Grund, ihn fortan „Franzosen-Hering“ zu nennen, einem Beinamen, den noch am Ende des 19. Jahrhunderts seine Enkelkinder trugen.
Auf der vorderen Seite seines Grabsteines ist ein Schiff abgebildet, wie sie auf der Elbe zum Einsatz kamen. Auch auf seine Zugehörigkeit zur Freimaurerei wurde Bezug genommen, worauf auf der rechten Seite eine Erdkugel, ein Winkel und ein Zirkel hinweisen. Eine Besonderheit sind außerdem die ungewöhnlichen Darstellungen eines weiblichen und eines männlichen Engels an den Seitenflächen.
Im Jahre 1835 veröffentlichte Johann Gottlieb Hering ein Buch mit dem Titel „Religion; ihre Erkenntnis aus Natur und Offenbarung und ihre Geschichte; nebst beigefügten rein christlichen Betrachtungen über christliches Verhalten“. Darin setzte er sich mit den verschiedenen Religionen auseinander.
Der mittlere Stein trägt auf seiner Rückseite den Namen Karl August Hering. Dabei handelt es sich um einen Sohn des Franzosen-Herings, der 1826 seine Cousine, die Tochter des Besitzers der sogenannten Schönschen Mühle (Rehnmühle), Karl Gottfried Hering (Bruder d. Franzosen-H.), heiratete. Auf der Vorderseite ist der Name Gustav Severus Hering zu lesen, einem Enkelsohn des Johann Gottlieb. Dieser Hering war ebenfalls Besitzer der späteren Rehnmühle, außerdem besaß er die Eidammühle sowie zwei Bauerngüter.
Der rechte Stein ist der älteste. Er gedenkt vier Generationen der Hering-Familie, die zwischen den Jahren 1637 und 1826 lebten.
Johann Gottlieb Hering bedachte die Reinhardtsdorfer Kirche mehrmals mit wertvollen Geschenken. So 1836 mit einer karmesinroten Altardecke. Kurz vor seinem Tote 1839 übergab er die Summe von 225 Talern. Die davon anfallenden Zinsen sollten unter den Armen und den verwaisten Schulkindern verteilt werden. Dieses Hering`sche Legat ist möglicherweise auch der Grund, der zur Erhaltung der Grabanlage über diese lange Zeit führte.
Quellen:
(1) Christiane Pape, Fuldatal, „Die Familien Hering und Biener in Reinhardtsdorf, Schöna und Krippen“, 2017 im Mitteilungsheft des Arbeitskreises Sächs. Schw. Nr. 15.
(2) ebenda.