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Amtsblatt der Stadt Bad Schandau und der Gemeinden
Ausgabe 19/2023
Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna
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Die Mordsache P.

Es ist nun schon viele Jahre her, dass mir Harry Weichelt aus Reinhardtsdorf einen kleinen Ausschnitt aus der Freien Presse, einer im West- und Mittelsachsen erscheinenden Tageszeitung, zukommen ließ. Darin erinnerte man in einem Beitrag "Kalenderblätter" in wenigen Zeilen an ein vor 100 Jahren in Freiberg letztmalig vollstrecktes Todesurteil und erwähnte auch, dass es sich bei dem verurteilten Mörder um den Zigarrenmacher Emil Eduard P. aus Schöna, in der Sächsischen Schweiz, gehandelte habe. (1) Das machte mich natürlich neugierig.

Als Erstes ging ich daran ein altes Einwohnerverzeichnis durchzusehen, in dem ich schon bald fündig wurde. Emil Eduard P., geboren am 9. Dezember 1864 in Schöna, zweitältester von sieben Geschwistern. Der Vater, Karl Eduard P. stammte aus Cunnersdorf. Die Familie bezog im Sommer 1875 ihr neuerbautes Haus am Grundweg. Schon 1880 musste man aber, aus mir unbekannten Gründen, ins Gemeinde-Armenhaus umziehen. Um 1889 heiratete der als Tagelöhner bezeichnete Sohn Emil. Das junge Ehepaar nahm sich in Schöna eine Wohnung, lebte aber ab 1892 wieder im Gemeindehaus.

Ein an die Zeitung in Freiberg gesandter Brief, mit der Bitte um Mitteilung weiterer bekannter Einzelheiten zu diesem Ereignis vor 100 Jahren, wurde nicht beantwortet. So blieb zunächst also nichts weiter übrig, als die Angelegenheit, wie es so schön heißt, zu den Akten zu legen. Erst als mir vor einiger Zeit einige Zeitungsartikel in die Hände fielen, wurde es möglich die vollständige Geschichte zu erfahren.

Am 27. Januar 1898 berichtete die in Schandau erscheinende Elbzeitung über einen wenige Tage zuvor, nämlich am 23. Januar, in Großvoigtsberg bei Freiberg verübten Mord und den dringend der Tat verdächtigen, in Schöna Sächsische Schweiz geborenen "Cigarrenmacher" Emil Eduard P., den man bereits ergriffen hätte.

Was war passiert? Aufmerksam geworden durch das ungewöhnliche Verhalten des Viehes, hatten sich Nachbarn Zugang zur Wohnung der 74jährigen Holzarbeiterwitwe Köhler verschafft. Eine große Blutlache in der Stube ließ ein Verbrechen vermuten und es wurde die Polizei verständigt. Die fand nach längerem Suchen die Frau tot im Backofen vor. Neben ihr lag ein angekohltes Reisigbündel. Der Mörder hatte also versucht sein Opfer zu verbrennen. Der Verdacht fiel sofort auf den aus Schöna stammenden P., der mit einer jungen Verwandten des Opfers ein Liebesverhältnis unterhielt. Offensichtlich vermutete er bei der Frau Köhler Geld. Schon tags darauf erfolgte die Festnahme des Verdächtigen durch den Hainischener Gendarm im Gasthaus "Zum Hirsch" in Marbach.

Die Untersuchung der Leiche ergab, dass der Täter acht Mal auf sein Opfer einschlug und es anschließend erdrosselte. Der verdächtige Zigarrenarbeiter P. hatte sich mehrere Tage in Großvoigtsberg aufgehalten. Sein Ruf war dort zweifelhaft gewesen, da er erst kurz zuvor, nach verbüßen einer zweijährigen Haftstrafe, aus dem Zuchthaus entlassen worden war und noch unter Polizeiaufsicht stand.

Der Festgenommene leugnete zwar den Mord zunächst, zwei am Tatort gefundene Knöpfe passten aber zu denen, die an seinem Anzuge fehlten.

Am 30. März 1898 wurde P. nach zweitägiger Verhandlung vor dem Schwurgericht zu Freiberg zum Tode verurteilt.

Die Hinrichtung des Dreiunddreißigjährigen durch das Schafott, erfolgte am 15. Juni 1898 um 7 Uhr im Hofe des Landgerichtsgefängnisses Freiberg. Es ist vermerkt, dass der Hinrichtungsakt den üblichen Verlauf nahm. Außer den 12 Ortszeugen wohnten ihm etwa 200 Privatpersonen bei. Die Vollstreckung führte der Landesscharfrichter Brandt aus.

Ein Zeuge in der Gerichtsverhandlung, der Holzhändler Kühn aus Wendischfähre, hatte in seiner Aussage zu P. angedeutet, dass dieser wahrscheinlich noch einen Mord auf dem Gewissen habe. Im Jahre 1894 hatte man die Mutter Kühns in ihrem Schönaer Haus tot aufgefunden. Ihr Gesicht und Kopf waren eigenartig geschwollen und wiesen zudem rote und blaue Flecken auf. Dem P., der bei der Frau Johanne Henriette Kühn, wohnhaft in Nr. 43, öfters verschiedene Arbeiten verrichten half, konnte nichts nachgewiesen werden. Obwohl eine Uhr, die zusammen mit 300 Mark bei der Frau Kühn verschwunden war und später im Besitz von P. auftauchte, von der er aber behauptete sie wäre ein Geschenk gewesen, verliefen die Untersuchungen damals ergebnislos.

(1) Hier irrte die Zeitung offensichtlich, denn in Freiberg fanden in der Folgezeit noch zwei weitere Hinrichtungen mittels Fallbeil statt, die letzte 1908

Dieter Füssel