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Amtsblatt der Stadt Bad Schandau und der Gemeinden
Ausgabe 23/2025
Stadt Bad Schandau
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Caspar David Friedrich könnte 1813 monatelang im Anwesen des Krippener Erbgerichtes gewohnt haben

A) C. D. Friedrich, Blick aus Kummers Fenster

B) Blick auf das Krippener „Erbgericht“ von Ostrau aus

C) Häusergruppierungen des Anwesens „Erbgericht“

Der 250. Geburtstag Caspar David Friedrichs (1774-1840) im Jahr 2024 war deutschlandweit ein bedeutender Höhepunkt in der Geschichte der romantischen Landschaftsmalerei. Ins Blickfeld der Feierlichkeiten rückte auch Krippen.

Dabei flammte erneut die berechtigte Frage nach seiner Krippener Unterkunft im Jahr 1813 auf, was die Suche nach seiner Bleibe wiederbelebte.

C. D. Friedrichs Briefzeile, „Kummer, bei dessen Familie ich hier wohne“ und die Zeichnung „aus Kummers Fenster“ vom 22. Juli 1813 waren die einzige dünne Ausgangslage des Vorhabens.[1]

In der Ortsgeschichte gibt es keinen belegbaren Hinweis auf seine Unterkunft. Die schwierige Aufgabe einer Verortung besteht nach etwa 200 Jahren darin, das Krippener Haus zu finden, für das diese zwei Fakten schlüssig zusammenpassen. Gelänge es, die Wohnung der Familie Kummer aufzuspüren, wäre damit gleichzeitig C. D. Friedrichs Unterkunft gefunden.

Der Familienname Kummer ist in Krippen nicht nachzuweisen.[2] Der Name aus C. D. Friedrichs Brief bezieht sich auf seinen Dresdener Freund Dr. phil. Friedrich Gotthelf Kummer (1782-1854). Dieser war als Münzbuchhalter, in der Literatur auch als Münzmeister, an der Dresdner Münze angestellt und eine angesehene kulturoffene Persönlichkeit. Seine Wohnung „zeugte von einem behaglichen Wohlstand und guten Geschmack“. Der gastliche Hausherr zählte zu seinen abendlichen Gästen und Freunden auch Prof. Dr. med., Dr. phil. Carl Gustav Carus (1789-1869) und C. D. Friedrich.[3]

Das von Kaiser Napoleon besetzte Dresden im Kriegsjahr 1813 wurde zum Hauptstützpunkt seiner Armee. Viele Einwohner verließen in dieser Zeit die Stadt. Das veranlasste sicherlich auch die Familie Kummer, zumindest Teile von ihr, die Stadt zu verlassen und vorübergehend in das abseits vom Kriegsgeschehen gelegene Krippen auszuweichen. Der befreundete C. D. Friedrich kannte bereits seit 1802 das kleine Dorf an der Elbe. Im ansehnlichen „Erbgericht“ oder in einem Nebengebäude könnten die Geflüchteten aus Angst vor Krankheiten, Hunger und den politischen und militärischen Wirrnissen der Zeit untergekommen sein. C. D. Friedrich hielt sich von März bis November 1813 mit kurzen Unterbrechungen bei den Kummers in Krippen auf.

Von dem „Erbgericht“ wird berichtet, es dürfe „schlachten, backen, schenken, habe Gastnahrung, Brau- und Weinverkauf, viel Holz und starke Viehzucht“.[4] Der Heimatforscher M. Schober, ein Kenner der Geschichte der regionalen Erbgerichte, sichert das mögliche Quartier der Kummers mit einer versteckten Information im Begriffsinhalt des alten Wortes „Gastnahrung“ ab. Dort heißt es, dass nur der Erbrichter eines Dorfes das alleinige Recht hatte, auch Gäste zu beherbergen und zu beköstigen. Dieses Privileg wurde streng überwacht.[5]

Damit dürfte die zeitweilige Wohnung der Kummers und damit C. D. Friedrichs Unterkunft in Krippen mit großer Sicherheit geklärt sein. Welche Räumlichkeiten sie in dem Anwesen belegten, wird wohl unbeantwortet bleiben.

Der Blick aus Kummers Fenster auf eine teils verdeckte Fichte an einem Abhang kann heute nur mit reichlich Vorstellungskraft aus einer oberen Etage des „Erbgerichtes“ in die östliche Richtung gelingen. Aus vier weiteren Häusern des Gebäudekomplexes lässt sich das Motiv ebenfalls rekonstruieren, setzt dort jedoch immer einen „Kummer“ als Zimmerbenutzer voraus.[6]

In diesem Zusammenhang ist elbtalaufwärts auch die ehemalige Krippener Ziegelei („Ziegelscheune“) interessant. Sie gehörte damals zum Besitz des „Erbgerichtes“. Dort lässt sich ebenfalls der Blick aus Kummers Fenster nachvollziehen, wenn es einen „Kummer“ als Zimmerbenutzer gegeben hat.

Zusammenfassung

Im komplexen Zusammenspiel von Fakten und Indizien deutet vieles darauf hin, die Unterkunft C. D. Friedrichs 1813 mit großer Sicherheit im Anwesen des Krippener „Erbgerichtes“, einschließlich der Ziegelei, gefunden zu haben. Diese weitgehend gesicherte Annahme ist eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Erkenntnisstandes.

Für die Region, für Krippen und besonders für das Krippener „Erbgericht“ wäre es wichtig und richtig, auf C. D. Friedrichs Unterkunft, die heutige „Ziegelscheune“ inbegriffen, hinzuweisen. Eine ergänzende grüne Infotafel zum Dorfrundgang in Krippen neben dem barocken Hauptportal von 1715 sowie eine Zusatztafel an der „Ziegelscheune“ sollten künftig angebracht werden.

Bildnachweise

A) Frank Richter: Wandern mit Caspar David Friedrich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2024, Seite 133, Nadelbaumstudie

B) Ludwig Richter: Aussicht von der Ostrau(er) Scheibe, Radierung um 1820, Bildausschnitt

C) Meilenblatt, vor 1800, Kartenausschnitt

An dieser Stelle bedanke ich mich bei den namhaften Heimatforschern Manfred Schober (Sebnitz) und Dieter Füssel (Schöna) für ihre Hilfe bei der Suche nach C. D. Friedrichs Unterkunft.

Gerd Englick

[1] Karl-Ludwig Hoch (1995): Caspar David Friedrich in der Sächsischen Schweiz, Verlag der Kunst, Seiten 56 und 57.

[2] Dieter Füssel: Mitteilung des Heimatforschers, dass Namens- und Grundstücksverzeichnisse in Sachsen erst um 1840 angelegt wurden. Das könnte auch die Geschichtslücken zu F. G. Kummer und C. D. Friedrich erklären. Beim Archivstudium tauchte der Familienname Kummer in Krippen nicht auf.

[3] Petra Dorfmüller/Kristin Gerth/Matthias Lehmann (2009): Die Familien des Münzmeisters Dr. Friedrich Gotthelf Kummer in Dresden und des Zeichenlehrers Friedrich Hoßfeld in Schulpforta, Bad Kösen und Schulpforte, o. V., Seiten 20-23.

[4] Prof. Dr. Alfred Meiche (1991): Historisch-Topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, Reprint, v. Baensch, Seiten 150 und 151.

[5] Manfred Schober: Mitteilungen des Heimatforschers. Nach den damaligen Verhältnissen hatten in den Dörfern nur die Erbrichter das Privileg auf „Gastnahrung“, d. h., Gäste zu beherbergen und zu beköstigen. Es sei denn, ein anderer Gastgeber besaß eine Sonderkonzession von noch höherer Stelle. Die Einhaltung dieses Rechtes wurde genau kontrolliert. Über den Erschließer der Sächsischen Schweiz und Buchautor Pfarrer Wilhelm Leberecht Götzinger ist zu erfahren, dass dieser bei seinen Wanderungen um 1800 auch das Krippener Erbgericht aufsuchte und von der einladenden Pracht des ansehnlichen Gebäudes mit sogar tapezierten Räumen überschwänglich begeistert war. Aus dieser Zeit ist der Erbrichter Samuel Gotthold Zumpe bekannt, der auch Eigentümer der Krippener Ziegelei war.

[6] Gerd Englick: Lokalisierungsversuche des möglichen Blickes aus Kummers Fenster. 1. Das langgestreckte veränderte Gebäude mit dem Jetzigen Kindergarten „Fuchs und Elster“, 2. Ein verschwundenes Haus, mit dem Giebel zur Elbe zeigend, an der Hofeinfahrt zur „Villa Carolahöhe“, 3. und 4. Im Grundstück Berghangweg Nr. 7 das Vorgängerhaus des jetzigen Wohnhauses und das abgerissene Fachwerkhaus (Ruine). Das Grundstück müsste damals noch zum Erbgericht gehört haben.