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Amtsblatt der Gemeinde Bennewitz
Ausgabe 2/2024
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Am 16. April 1945 wurde in Canitz Panzeralarm gegeben; amerikanische Truppen rückten, von Grimma kommend, an der Mulde nach Norden vor. Die Straßen- und Eisenbahnbrücke über die Mulde bei Wurzen, die Grubnitzer Muldenbrücke, sowie alle 7 Brücken über den Kanal wurden gesprengt.

Am 16. April 1945 gegen 14.00 Uhr fuhren amerikanische Panzerkolonnen von Bennewitz, kommend über Grubnitz, Nepperwitz, Dögnitz, Püchau Richtung Eilenburg.

Am Abend erschien gegen 21.30 Uhr ein Lastwagen mit Sprengstoff. Arbeiter des Wasserwerkes sollten die Sprengstoffkisten zur Brücke bringen. Sie setzten sie aber in der Sandgrube ab und protestierten gegen die Sprengung. Zwei Stunden zogen sich die Verhandlungen der Arbeiter mit dem Hauptmann hin. Der Widerstand und die Argumente der Arbeiter waren so stark, sodass die Sprengung nicht gewagt wurde.

Am 18. April erschien gegen Mittag am Canitzer Wasserwerk wieder ein Sonderkommando der Wehrmacht. Sie gingen an der Brücke und im Wasserkraftwerk in Stellung. Kurz nach Mittag erschienen drei amerikanische Panzer auf der Püchauer Muldenseite. Von dort schickten sie eine Patrouille zur Brücke. Als ein amerikanischer Soldat auf der Brücke erschien, wurde er beschossen. Die amerikanischen Panzerbesatzungen hatten diesen Vorfall beobachtet und beschossen nun das Wasserwerk und das umliegende Gebiet.

Eine Granate traf den Stall und das Schuppengebäude im Hof Nr. 14 und zerstörte das Dach. Die übrigen detonierten glücklicherweise auf Feldern und in den Gärten. Dieser Vorfall brachte Unruhe ins Dorf.

Bald darauf erschien der Ortskommandant von Wurzen in Canitz. Wieder ging es um die Sprengung der Brücke, was die Zerstörung der Wasserleitung nach Leipzig zur Folge gehabt hätte. Daraufhin montierte die Belegschaft des Wasserwerkes die Treppen an der Brücke ab und kippten sie in die Mulde. Damit wurde vorerst wieder die Sprengung verhindert.

Während dieser Zeit gingen am Püchauer Muldendamm amerikanische Soldaten in Stellung, unternahmen aber nichts. Die Belegschaft des Wasserwerkes musste sich im Werk aufhalten. Nachts wurde ein Flakgeschütz im Hof Nr. 13 gegenüber dem Wasserwerk in Stellung gebracht und im Hof Nr. 3 stand eine Pak. Die alten Männer vom Volkssturm mussten an der Mulde auf und ab laufen und sollten aufpassen, dass kein Ami herüber kommt.

Etwa 35 bis 40 Soldaten und Flakhelfer – das war die ganze militärische Truppe, die auf Befehl der Offiziere hier den Amis Wiederstand leisten sollte.

Am Morgen des 19. April war zunächst noch alles ruhig. Die Wasserwerke in Canitz und Thallwitz arbeiteten wie immer, lieferten Wasser für das bereits von USA-Truppen besetzte Leipzig. Sie waren sogar noch durch Werktelefon mit Leipzig verbunden.

Um 9.00 Uhr begann der Beschuss von Granatwerfern und Infanteriewaffen auf das Wasserwerk und den Ort Canitz. Gegen 13.00 Uhr erhielt das Wasserwerk einige Granattreffer, der Strom fiel aus, die Pumpen standen still. Die Vakuumleitungen zur Heberleitung und die Entsäuerungsleitung waren mehrfach zerschossen. Der Kohleschuppen brannte und der Kessel 3 wurde getroffen. Im Ort Canitz brannten Scheunen, Stallgebäude und Wohnhäuser. Die für das Flakgeschütz untergebrachte Munition explodierte.

Am 20. April erschien im Wasserwerk ein Oberst mit seinem Stab. wiederum sollte die Brücke gesprengt werden. Wiederum verhinderten der Obermeister und die Arbeiter durch geschicktes Argumentieren diese Sprengung. Der Oberst zog mit seinen Leuten wieder ab.

Am 23 April schickten die Amerikaner einen Parlamentär in das Wasserkraftwerk. Er forderte die Übergabe dieses Werkes. Der kommandierende Hauptmann aber verweigerte eine Verhandlung mit dem Parlamentär, weil dieser ein Neger war.

Am 24. April rückten amerikanische Soldaten in Canitz ein. Die Belegschaft des Wasserwerkes, verstärkt durch einige Handwerker aus der Umgebung, ging sofort an die Reparatur der Schäden.

Die Brücke war dank des Einsatzes der Belegschaft erhalten geblieben. Was dies für die Stadt Leipzig bedeutete, ist wohl kaum zu ermessen. Auch die amerikanische Besatzung war an der Instandsetzung interessiert. Schon nach kurzer Zeit, am 27. April, liefen die erste und bald darauf die zweite Dampfpumpe wieder. Die elektrischen Pumpen dagegen waren längere Zeit nicht in Betrieb, da die Schaltanlage Treffer erhalten hatte.

Quelle: Rundblick Lesebuch v. 1999, Seiten: 174 / 175

Verfasser: Walter Püchner 1970