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Wesenitztaler Landbote – Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach
Ausgabe 1/2024
Wissenswertes und Unterhaltsames
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Villa Betty

Ich könnte mir vorstellen, dass viele von Ihnen nicht wissen, wo das ehemalige Kaaden, heute Kadaň, liegt. Diese Frage ist schnell geklärt: Der tschechische Ort Kadaň liegt ca. 30 km. südlich von Marienberg. Und was interessiert uns eine „Villa Betty“ dort?

Ein Blick ins tschechische WIKIPEDIA hilft, denn dort können wir nachlesen:

Im Juni 1887 legte Baron Johann Gustav von Quandt, ein prominenter sächsischer Adliger, dem damaligen Bürgermeister von Kadan, JUDr. Karl Reif, ein Projekt für seinen neuen Wohnsitz vor, den er gegenüber der Klášterní aleja im neu entstehenden modernen Wohnviertel Zahradní Město errichten wollte. Der Autor des Entwurfs für diese prächtige Residenz war der Karlsbader Baumeister Johann Matusch, der sie als ebenerdige Neorenaissance-Villa nach italienischem Vorbild konzipierte. Die Villa wurde Villa Betty genannt.

Im Frühjahr 1888, als die Villa Betty fertiggestellt war, zog Baron Johann Gustav von Quandt, eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit, ein. Schon sein Vater, Johann Gottlob von Quandt (gest. 1859), ein gebürtiger Dresdner und bedeutender Vertreter der sächsischen Romantik, war als Kunsthistoriker und bedeutender Kulturmäzen bekannt, der auch Präsident des Sächsischen Kunstvereins und Mitglied der Königlich Preußischen Akademie in Berlin war. Sein Sohn Johann Gustav von Quandt wurde am 14. Februar 1822 auf dem Gut Dittersbach geboren. Er heiratete 1844 die Schauspielerin Clara Krüger, eine gebürtige Berlinerin. Fünf Jahre später wurde die Ehe offiziell geschieden, da das Gericht die Schuld des Ehemannes feststellte, da er ein unordentliches Leben geführt und die Familie mit hohen Schulden belastet hatte. Später erlebte Johann Gustav jedoch eine tiefe innere Bekehrung und schloss sich noch stärker der evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses an, die damals die Mehrheitskirche in Sachsen war. Im Jahr 1860 wird er als Mitglied des evangelischen Domkapitels in Wurzen bei Leipzig erwähnt, ab 1884 sogar als dessen Propst. Für kurze Zeit zog er nach Nordwestböhmen, und zwar nach Teplice, wo einige seiner Verwandten zu dieser Zeit lebten. Schließlich entschied er sich jedoch, sich in Kaaden niederzulassen. Hier beteiligte er sich schnell am Leben der entstehenden evangelisch-lutherischen Gemeinde, die 1899 in eine reguläre Kirchengemeinde umgewandelt wurde. Er war maßgeblich an der Finanzierung des Baus der evangelisch-lutherischen Kirche des Heiligsten Erlösers (der heutigen Kirche St. Peter und Paul der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche) beteiligt, die 1903 eingeweiht wurde. Bis zu seinem Tod lebte Baron Johann Gustav von Quandt in der Villa Betty, die häufig von christlich orientierten Intellektuellen und Künstlern aus der Umgebung besucht wurde. Der Baron starb am 29. Juni 1908 und wurde auf Kosten des Wurzener Domkapitels unter großer Anteilnahme der örtlichen evangelischen, katholischen und jüdischen Bevölkerung in Kaaden beigesetzt.

Heute ist die Villa besser bekannt als Villa Dagmar. Einer der neuen tschechischen Nachkriegsbesitzer der Villa, angeblich ein Offizier der tschechoslowakischen Armee, soll eine Frau Dagmar gehabt haben, zu deren Ehren er die Villa umbenennen ließ.

Leider lässt sich nach Auskunft der Friedhofsverwaltung von Kaaden der Standort des Grabes von Gustav von Quandt nicht mehr bestimmen. Interessant ist aber der Hinweis, dass Quandt neben seiner Frau beerdigt wurde. Die Tatsache, dass sich Quandts Nichte, eine Berta Kurz aus Prag, um die Regelung des Nachlasses bemühte, deutet darauf hin, dass Quandts Ehe kinderlos war. Im Nationalmuseum Prag finden sich einige Bilder, die von einer „Frau Berta Šilarova, ehemals Kurz“ dem Museum übergeben wurden. Darunter ist auch je ein Bildnis des jungen Johann Gottlob und Gustav von Quandt. Als ich 2009 die Villa Betty in Kaaden suchte, befand sie sich in einem desolaten Zustand, wie das folgende Foto beweist.

Nur schwer ließen sich noch die Reste der Schrift „Villa Betty“ über der Tür entziffern. Beim nächsten Besuch im Jahr 2016 bot die Villa einen ganz anderen Anblick. Der Hinweis auf den ursprünglichen Namen war jedoch verschwunden.

Schön, dass dieses Gebäude vor dem Verfall gerettet wurde. Schade aber, dass nichts mehr an den Erbauer, Gustav von Quandt erinnert.

Bernd Heinrich