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Wesenitztaler Landbote – Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach
Ausgabe 11/2024
Wissenswertes und Unterhaltsames
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Meine Zeit im Posaunenchor Dittersbach

Es war in den tiefsten Zeiten der DDR, der Staat versuchte, auf die jungen Leute einen besonderen Druck auszuüben, für eine Zulassung zur EOS (Erweiterte Oberschule, heute Gymnasium) sollte unbedingt eine sog. Jugendweihe notwendig, kirchliche Konfirmation allein nicht ausreichend sein. Und 1968 gab es da einige „Revoluzzer“, die das nicht einsehen wollten. Christian, Mathias, Claudia und Bernd wären nicht auf die EOS gegangen, wenn es nur mit Jugendweihe genehmigt worden wäre. Da sie aber die einzigen Bewerber dieses Jahrgangs für die EOS waren, blieb den „Organen“ nichts weiter übrig, als den jungen Leuten den Zugang zur EOS zu gewähren ….

Und so begann ich 1968 meinen Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Dietmar Beuchel. Die Konfirmanden konnten sich aus einer Reihe von Möglichkeiten etwas heraussuchen, das sie im Jahr des Konfirmandenunterrichtes tun wollen. In meinem Fall waren es sogar drei Sachen, die ich wählte. Ich wollte bei Pfarrer Beuchel das Trompete-Spielen erlernen, eine Arbeit über die Geschichte der Kirche schreiben und nach den Sonntags-Gottesdiensten, die ich auf Tonband aufnahm, ältere Bürger des Ortes aufsuchen, um ihnen den Gottesdienst quasi ins Haus zu bringen.

Und so begannen 1968 insgesamt 5 Konfirmanden unter der Anleitung von Pfarrer Beuchel das Spielen von Trompete, Tenorhorn und Posaune zu erlernen.

Zur eigenen Konfirmation 1969 spielten wir das erste Mal in der Kirche. Wie es geklungen hat, weiß ich heute nicht mehr, vielleicht ist das auch besser so! Als Pfarrer Beuchel unsere Gemeinde verließ, übernahm Tischlermeister Wolfgang Eisold die Leitung der kleinen Gruppe. Fast 30 Jahre dauerte dieses Engagement für den Posaunenchor, in dem viele junge Leute an den verschiedenen Blasinstrumenten ausgebildet wurden, leider aber nicht alle durchhielten. Uns Abiturienten zuliebe wurden die Übungsstunden am Samstag um 16 Uhr abgehalten, denn zwei von uns waren im Internat der EOS. So konnten wir auch noch rechtzeitig gegen 18 Uhr auf dem Tanzsaal im Erbgericht Dittersbach sein. Der Chor wuchs aufgrund kontinuierlicher Nachwuchsarbeit ständig. Pfarrer Albrecht Gühne kam in die Gemeinde. Obwohl selbst kein Bläser, war er dem Posaunenchor, wie auch der Jugend insgesamt, sehr verbunden. Ausfahrten und Weihnachtsfeiern waren stets ein Erlebnis. Ich erinnere mich besonders an die „Schneehasen“ zur Weihnachtsfeier, Zigarren aus dem Westen, die wir zusammen mit Albrecht rauchen durften. Er war es auch, der zusammen mit Pfarrer Alexander Vosgerau eine Partnerschaft zum Posaunenchor Neuenkirchen in Niedersachsen vorbereitete. Im Oktober 1977 besuchten uns die Bläser erstmalig. Nahezu ohne Unterbrechung besteht diese Partnerschaft, aus der eine enge Freundschaft geworden ist, bis heute. Untrennbar ist diese Partnerschaft mit dem Namen Horst Bruning, dem Leiter des Chores aus Neuenkirchen, verbunden. Zwischenzeitlich verließ Albrecht Gühne die Gemeinde in Richtung Pirna und Pfarrer Horst Rasche übernahm die Gemeinde. Er war Bläser und verstärke unseren Chor mit seiner Posaune. Ich habe die Zeit der Partnerschaft immer genossen, auch wenn mir 1984 die allgegenwärtige Stasi deswegen eine Art Berufsverbot auferlegte. Wir haben musikalisch unserem Partnerchor viel zu verdanken. Zusammen haben wir auf der Schönen Höhe gespielt und für die Restaurierung geworben, mit ihm haben wir einen Beitrag zur Verhinderung einer Mülldeponie auf Dittersbacher Flur geleistet. Noch im Jahr 1989 konnten wir unsere Freunde in Neuenkirchen besuchen, nachdem die Besuche lange Zeit eine Art Einbahnstraße waren. Ein Hubschrauber-Rundflug über Neuenkirchen und ein Konzert auf dem Weihnachtsmarkt von Melle waren neben dem Festgottesdienst die Höhepunkte dieses Besuches. Seit der Wende besuchen wir uns gegenseitig jedes Jahr und konnten in den Jahren 1997, 2007 und 2017 unsere „runden“ Jubiläen gebührend feiern, jeweils mit einer eigens dafür komponierten Festmusik.

Im Jahr 1995 übernahm ich von Wolfgang Eisold die Leitung des Chores, den ich bis 2005 leitete. Ich hatte immer die Leichtigkeit bewundert, mit der z. B. Horst Bruning der Chor „führte“, jetzt merkte ich, wie schwer eine solche Aufgabe wirklich ist. In diese Zeit fiel auch unsere erste „große“ Chorausfahrt, die uns zusammen mit Bläsern aus Neuenkirchen und Radeberg in die West Broward Community Church in Weston bei Fort Lauderdale/Miami führte. Jährlich gestalteten wir Bläser-Wochenenden, ab 2000 vorrangig in Tschechien. Dort konnten wir z. B. die kleine Marienkapelle bei Kaltenbach und die sog. „Hockewanzel“-Kirche in Klein-Bocken einweihen, spielten in der Evangelischen Kirche und in der Synagoge von Tetschen-Bodenbach (Decin). Als Ingo Gestring mit seiner Heike nach Stolpen zog, übernahm er ab 2005 „schleichend“ die Chorleitung, während ich eher eine Art „organisatorischer Leiter“ wurde und versuchte, Ingo den Rücken etwas freizuhalten. Diesbezüglich sind wir auch heute noch zusammen mit seiner Heike ein gutes Team. Ingo brachte mit seinen bläserischen Erfahrungen aus Neuenkirchen und den USA neuen Schwung in den Posaunenchor. Kurzzeitig sah es so aus, als würde er strategische Aufgaben im VW-Konzern übernehmen. Glück für uns, dass er stattdessen zum Professor an die HTW Dresden berufen wurde! In dieser Funktion konnte Ingo Kontakte während Dienstreisen knüpfen, aus denen sich dann unsere zweite und dritte große Reise entwickelte: 2018 flogen wir nach China und musizierten u.a. in der Deutschen Botschaft von Peking und waren Teil der Eröffnungsfeier des Kulturzentrums in Hangzhou. In diesem Jahr nun war Kapstadt in Südafrika das Ziel. Musikalische Auftritte, kulturelle Höhepunkte und Blicke in die Geschichte des Landes bildeten eine wunderbare Einheit.

56 Jahre bin ich jetzt Bläser. Wie viele Noten ich gespielt habe und wie viele davon falsch waren (meist war es wohl ein „es“ statt einem „e“ oder ein „as“ statt einem „a“), kann ich nicht sagen. Aber eins ist sicher: Es hat immer Freude bereitet! Ich kann Ihnen, liebe Leser versichern, dass es sich lohnt, selbst Teil dieses Chores zu sein oder die Kinder bzw. Enkelkinder zu animieren, mitzumachen.

Bernd Heinrich