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Wesenitztaler Landbote – Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach
Ausgabe 5/2023
Wissenswertes und Unterhaltsames
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Johann Gottlieb Fichte in Dittersbach

Am liebevoll gestalteten Wanderparkplatz in Elbersdorf steht ein Monolith mit der Aufschrift „In Elbersdorf weilte J.G. Fichte 1785“. Eine inhaltlich gleiche Inschrift hatte der Elbersdorfer Heimatforscher Siegmar Schuster mit breitem Meißel in einen Sandsteinblock in der Mühlleite eingeschlagen, nachdem er 1965 durch den Porschendorfer Pfarrer Richard Wagner auf diesen Aufenthalt Fichtes aufmerksam gemacht worden war. Johann Gottlieb Fichte wurde als erstes von 8 Kindern am 19. Mai 1762 in Rammenau als Sohn eines Bandwebers geboren und starb am 29. Januar 1814 in Berlin. Als Philosoph („Das absolute Ich“) gilt Fichte neben Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel als wichtigster Vertreter des Deutschen Idealismus.

Mitte 1770 verließ Fichte sein Elternhaus mit einer Empfehlung des Rammenauer Pfarrers Nestler und wurde auf Schloss Siebeneichen von einer Familie Mitlitz aufgenommen. Nach dem Besuch der Stadtschule Meißen und der Fürstenschule in Schulpforte bei Naumburg begann Fichte ein Studium der Theologie in Jena und wechselte später nach Leipzig. Als die finanziellen Unterstützungen seiner Eltern und der Familie Mitlitz ausblieben, brach er das Studium ab und wurde Hauslehrer. Seine erste Hauslehrerstelle nahm er Ende 1784 auf dem Rittergut Elbersdorf bei der Familie des 1782 verstorbenen Erb-, Lehns-, und Gerichtsherrn Christian Gottlieb Hähnel an und wirkte hier bis zum Frühjahr 1786. Ob er das wirklich auf Empfehlung des Dittersbacher Pfarrers Karl Gottlieb Fiedler (1752-1820, in Dittersbach 1775-1793) annahm, wie S. Schuster behauptet, kann nicht nachgewiesen werden. Fest steht, dass Fiedler und Fichte in engem Kontakt standen und philosophische Gespräche bzw. Briefwechsel führten. Nachgewiesen ist z.B. ein Brief Fiedlers vom 28. Januar 1785 als Antwort auf ein Schreiben Fichtes, in dem dieser sich wohl zum Determinismus bekannte und eine Abhandlung in Aussicht stellte: „Doch schreiben Sie nur Ihre Abhandlung u. schicken mir ein Exemplar, denn das ist ausgemacht u. ich bin in jeden Fall, Sie mögen Recht haben oder nicht, Ihr Freund.“

Im gleichen Brief äußert Fiedler seine Freude darüber, Johann Gottfried Fichte an Maria Lichtmess (2. Februar) in Dittersbach begrüßen zu können.

Als Fichte im Jahre 1791 auf seiner Reise von Leipzig nach Polen Elbersdorf und Dittersbach besuchte schrieb er: “Ich näherte mich Elbersdorf, und so viele alte Erinnerungen gingen vor meiner Seele vorüber. Ich besuchte Madame H. – Welch ein Anblick, wenn man selbst indeß so viel erfahren hat, so weit fortgerückt ist, Leute zu finden, wo noch alles ganz beim Alten ist, die nichts interessirt, die nichts begreifen. Man erkannte mich nicht mehr, wohl mit Recht!“

Erkannte man ihn wirklich nicht, oder wollte man ihn nicht erkennen? Immerhin wird Fichte - zumindest bei späteren Anstellungen- vorgeworfen, offen seine Abneigung gegenüber Arbeitgebern und Zöglingen zu zeigen. Besorgte Eltern warfen Fichte vor, ihre Kinder zum Ungehorsam zu erziehen, er war wohl auch oft betrunken und ständig pleite. Fichte war der Auffassung, dass man, bevor man Kinder erzieht, zuallererst die Eltern erziehen müsste. Das wird nicht allen „geschmeckt“ haben!

In Dittersbach hat Fichte wohl einen anderen Eindruck hinterlassen, denn hier berichtet er:

„Von da nach Dittersbach. Die Kinder erkannten mich sogleich, die Aeltern waren nicht da. Die älteste Tochter* brachte mir ein Glas Bier. Ich trank nicht; ich war leider, wie man von einer so starken Fußreise ist, etwas verdrießlich. Ich ging sogleich wieder ab, abermals durch die herrlichste Gegend, doch mit einem etwas anderen Charakter, nach Stolpen, wo ich im Hirsche (einem Gasthofe, wo man den guten Willen, aber nicht die Mittel hat,) einkehrte, und an Pastor Fiedler und meinen Vater schrieb.“

Ob Fichte auch Lehrer der Kinder von Pfarrer Fiedler war, ließ sich nicht recherchieren Die Tatsache, dass er sofort nach der Ankunft in Stolpen an Pfarrer Fiedler schrieb beweist das gute Verhältnis zwischen den beiden.

Als Fichte 1791 auch durch Wolfshain bei Bad Muskau kam, wo er nach seiner Zeit in Elbersdorf die Kinder auf das Gymnasium vorbereitete, wollte er die Eltern seiner Zöglinge nicht besuchen. Auch hier scheint es also Spannungen gegeben zu haben.

In Dittersbach aber, bei der Familie des Pfarrers Karl Gottlieb Fiedler, war Fichte ein gern gesehener Gast und Gesprächspartner.

*Das war wohl die 1777 geborene Juliane Charlotte, sie war 8 Jahre alt, als Fichte in Dittersbach verkehrte und 14 Jahre, als er 1791 auf der Durchreise war. Sie hatte noch 8 Geschwister (5 Brüder, 3 Schwestern), alle bis 1789 geboren.

Bernd Heinrich