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Wesenitztaler Landbote – Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach
Ausgabe 7/2023
Wissenswertes und Unterhaltsames
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Das Märchen Ende meiner Festrede

Interpretation des Märchens

(Teil zwei der Festrede 2001)

Sie alle wissen es, der Thyrann von Dittersbach, das ist Johann Gottlob von Quandt. Er hatte so gar nichts Thyrannisches an sich, aber er hatte Spaß daran, sich selbst so zu bezeichnen, z.B. im sog. „Dittersbacher Merkur“. ...

Als Quandt 1829/30 das Rittergut Dittersbach erwarb, fasste er schnell den Entschluss, hier auf Schönhöhe einen Turm zu bauen und ihn Goethe und der Deutschen Romantik zu widmen. Am 12. September 1831 legte er in den Grundstein des Gebäudes einen ihm wichtig gewordenen Brief Goethes, in dem dieser sich nach dem Zustand der Quandt´schen Besitzungen während der Wirren der bürgerlichen Revolution erkundigte. Aber erst 1836 fand er in Carl Gottlieb Peschel einen geeigneten Maler, der seine Vorstellungen von einer Freskomalerei im Turmsaal in die Wirklichkeit umsetzen konnte. So entstanden die Fresken vom „Sänger“, dem „König in Thule“, dem „Geistesgruß“, dem „Fischer“, dem „Erlkönig“ und zu Goethes „Märchen“. Die Deckenentwürfe stammten von Gottfried Semper. Auf diese Art und Weise entstand die früheste Goethe-Verehrungsstätte. …

1945 kamen die Russen, machten aus den Ländereien des Rittergutes einen Gemüseanbau-Standort. Auf Schönhöhe zogen zwischenzeitlich Umsiedler ein. Der Turm wurde Kinderferienlager. Das alles schadete dem Gebäude und natürlich den Fresken. Es begann auf Schönhöhe die Zeit der Betriebsferienheime. Die Besitzer wechselten oft. Der letzte von Ihnen – VEB Elektrokeramik Berlin – schloss nicht nur den Freskensaal wegen Baufälligkeit sondern auch den Turm als Aussichtspunkt. Das war 1972. Der Turm mit seinem Freskensaal geriet in Vergessenheit. Das war manchem ganz recht: Der Turmsaal wurde Flaschenlager für die Gaststätte. Einmal noch nahm der Berliner Betrieb aus eigener Kraft Anlauf zu einer Wiederbegehbarmachung, das war 1978 als im unteren Teil des Turmes eine neue Treppe eingebaut wurde. Dann ruhten alle Aktivitäten. Als ich 1983 das Gefühl gewann, dass es Leute in Dittersbach gab, die an dem Turm noch Interesse hatten und mitziehen würden bei den Bemühungen zur Wiederbegehbarmachung und Rettung der Fresken, schrieb ich einen ersten Brief nach Berlin. Ich zitiere aus dem Antwortschreiben:

„In Beantwortung Ihres Schreibens vom 22.6. 83 zum baulichen Zustand des Turmes im Ferienobjekt „Schöne Höhe“ möchten wir Ihnen folgendes mitteilen: Wir sind über den künstlerischen Wert und den gegenwärtigen Zustand des Turmes informiert. Jedoch sind wir als Betrieb weder in der Lage Renovierungs- bzw. Rekonstruktionsarbeiten an diesem Projekt durchzuführen, noch die anfallenden Kosten zu tragen.“

Nachdem alle offiziellen Stellen eingeschaltet worden waren, beugte sich der Betrieb Ostern 1984 dem Druck und stellte 30 TDM zur Verfügung, um den Turm wieder als Aussichtspunkt begehbar zu machen. 2 Wochen nach Himmelfahrt 1984 (hier hatte ich meine ersten Mitstreiter überzeugt) begannen die Arbeiten. Der Saal wurde geräumt, der Putz im Turm abgehackt, eine neue Eisen-/Eichen-Treppe eingebaut, neu verputzt, die Aussichtsplattform abgedichtet usw. Zum 200. Geburtstag Quandts im Jahre 1987 wurde der Turm feierlich als Aussichtspunkt eröffnet. Ich habe noch das Bild vor mir, als Vertreter des Rates des Kreises und der SED-Kreisleitung neben unserem Bürgermeister in der Kirche zu Dittersbach saßen! Ganz so problemlos, wie es hier klingt, war die Arbeit allerdings auch nicht: Ich besitze die Kopie eines Briefes, in dem ein auswärtiger Genosse die entsprechenden Stellen beim Rat des Kreises (Stichwort Stasi) darauf aufmerksam macht, dass er „...die Gefahr heraufkommen sah, dass in der Dittersbacher Chronik der Großgrundbesitzer Quandt eine dominierende Rolle zu spielen schien“ und die Beschäftigung mit Quandt „mit der Erforschung und Darstellung des antifaschistischen Widerstandes und mit der Pflege revolutionärer Traditionen kaum etwas zu tun hat“.

Ursprünglich war geplant, als nächsten Bauabschnitt die Restaurierung des Freskensaales in Angriff zu nehmen, der Betrieb bat jedoch darum, den Bauabschnitt „Ausbau der ersten Etage zu Ferienzimmern“ vorziehen zu dürfen, was er dann auch tat. Trotzdem ließen wir den Freskensaal nicht links liegen. Die Decke wurde wieder geschlossen, die Farbschichten der Decke wurden gesichert, der Freskenzustand dokumentiert, der weggefaulte Unterzug im Auflager gesichert. Neue Fenster wurden eingebaut, dem Original, das wir von Bildern kennen, nachempfunden. Mit der Wende kamen die Arbeiten ins Stocken. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse (Berlin, Dresden, Dittersbach oder Porschendorf?) behinderten ein Weitermachen. Das ging so weit, dass Dürrröhrsdorf-Dittersbach den Turm nicht mehr als Logo benutzen sollte. Mit der Eingemeindung von Porschendorf wurde dieses Problem auf einfache Art und Weise gelöst! Nach erfolgter Rückübertragung war die Stadt Dresden Besitzer des Turmes, und es keimte Hoffnung, dass die Stadt die Restaurierung vorantreiben würde. Die Erkenntnis, dass dies nicht geschehen würde und die Gründung des Quandt-Vereins Dittersbach zur Förderung der Künste e.V. trafen zeitgleich aufeinander. Und so schrieb sich dieser Verein den Erhalt des Quandt`schen Erbes „Freskensaal Schönhöhe“ in die Satzung und kämpfte seit dieser Zeit verbissen gegen alle Widrigkeiten. Es gelang, den Gemeinderat von der Wichtigkeit der Aufgabe zu überzeugen, wir kauften Turm, Gaststätte und Gelände nach zähen Verhandlungen von der Stadt Dresden. Es schloss sich die außerplanmäßige Sicherung der Turmfundamente an. Das kostete uns immerhin 81 TDM! Endlich – 15 Jahre nach Beginn der Aktivitäten – konnten wir 1999 mit den eigentlichen Restaurierungsarbeiten beginnen und im Jahre 2000 abschließen. Die Gesamtkosten der Turmrestaurierung liegen bei 425 TDM. Dass wir von dieser Summe „nur“ 60 TDM selbst aufbringen mussten, ist Sponsoren zu verdanken, die das Projekt großzügig unterstützten. Unser Dank gilt aus diesem Grunde dem Freistaat Sachsen, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Freistaat, der Sparkasse Freital-Pirna und dem Quandt-Verein Dittersbach. Dank auch für die gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Gemeinde, die immerhin fast 2000 Stunden am Objekt verbrachten. Unser Dank gilt auch den vielen freiwilligen Helfern, die durch Veranstaltungen, Führungen usw. dazu beigetragen haben, das Interesse am Turm „Schönhöhe“ wach zu halten.

Heute, am 04. Mai 2001 weihen wir den Turm wieder ein. In voller Schönheit begrüßen uns die restaurierte Decke, die Wandfassungen, die Vorhangmalerei und nicht zuletzt die Fresken.

Quandt sprach in seiner Rede zur Grundsteinlegung davon, dass nachfolgende Generationen an ihn denken sollen, wenn das Gebäude einst zerfällt. Wir wollen es anders machen und haben das bewiesen: Wir denken an den Erbauer des Belvedere, indem wir sein Erbe vor dem Zerfall beschützen. Uns geht es nicht wie dem Erlkönig, unser Kind ist nicht tot, es ist nach Krankheit wieder gesundet, das Leben kehrt zurück in den Turmsaal auf „Schönhöhe“. Tun wir es so, wie der Sänger auf dem Fresko, stoßen wir an und danken denen, die Kunst unterstützen, mit welchen Mitteln auch immer. Und hoffen wir, dass unser Märchen so endet wie das von Goethe, in dem es heißt “... und bis auf den heutigen Tag wimmelt...(es)... von Wanderern, und der Tempel ist der besuchteste auf der ganzen Erde.“

Bernd Heinrich