In frühster Kindheit habe ich mir ein ganz besonderes Bild auf den Jahrmarkt eingeprägt. Ich kann damals nicht älter als 3 oder 4 gewesen sein. Mitte der 60er Jahre, schlenderte ich mit meiner großen Schwester Hand in Hand um die Jahrmarktwagen. Was in den anderen Wagen geboten wurde kann ich nicht mehr sagen, aber diesen einen bunt bemalten Zirkuswagen sehe ich heute immer noch vor meinen Augen. Unten auf einer kleinen Bühne stand der stärkste Mann der Welt mit seinen Muskelpaketen und einer Hantel in den Händen. Aber am meisten beeindruckte mich eine Ecke weiter oben, schon fast bündig mit dem Dach eine sehr schöne Frau mit langen blonden Haaren. Es war die damalige Attraktion, die Frau ohne Unterleib. Dies hat mich sehr beeindruckt als kleines Mädchen so was zu sehen.
Meine weiteren Erinnerungen greifen dann erst im Schulalter mit ca. 7 Jahren. Da war ich sehr stolz als mich mein Vater mitgenommen hat. Neben der alten Marktscheune wo die Buden damals gelagerten, stand eine hölzerne Steilwand. In diesem Zylinder haben Motorradfahrer ihre Kunststücke gezeigt, später stand dort immer die Schmetterlingsbahn.
Für mich war als erste Anlaufstelle, die Kinderkahnschaukel, einmal hatte die gute Frau uns vergessen, weil sie beim Nachbarkarussell sich verplappert hatte, so konnte wir eine halbe Stunde schaukeln. Dann gab es noch eine Schaukel für Erwachsene wo auch zwei Überschlagschaukeln waren. Die stand genau vor den alten Kindergarten, heute Jugendclub Galaxy. Wir Kinder haben uns immer dahinter auf die Wiese gesetzt und zugesehen, wann der Überschlag erfolgte. Beim ersten Überschlag kam es schon mal vor das die Schaukel einige Sekunden oben still stand, bevor es wieder abwärts ging. Gleich daneben stand das Riesenrad, bei dem schmalen Durchgang musste man erst nach oben gucken, damit man nichts auf den Kopf bekommt, wenn eine Gondel darüber war. Auf der Wiese, wo jetzt immer das große Zelt steht, stand die Walzerbahn. Am Abend war auf diesem, kaum ein Durchkommen mehr und man musste großes Glück haben um eine Gondel zu erwischen, die man nicht gleich wieder hergab oder sie den nächsten Freund überlassen hat. Ganz vorn, wo jedes Jahr die Drachenbahn fährt, standen immer wieder mal verschiedene Karussells dort. Kettenkarussell, Pferdekarussell …. und einmal wurden die kleinen Wagen von Pony`s gezogen. In der Mitte des Marktes stand immer der Autoscooter. Dazwischen gab es Kinderkarussell, Schießbuden, Bockwurstbuden, Zuckerwatte ……. Auf den hinteren Maschinenmarkt gab es Pferde zum Reiten, war zwar mit 50 Pfennige etwas teurer als die Karussells, aber eine Runde reiten war Pflicht.
Von der ersten Brücke bis zur nächsten standen drei Doppelreihen mit den Holzbuden. Da hat man im August schon mal die Weihnachtsgeschenke gekauft oder an den nächsten Geburtstag gedacht. Man konnte aber nur mit dem Menschenstrom ziehen, ein normales rüber/nüber gucken war nicht drin bei den Menschenmassen. Die langen Lullatsche hatten es da einfacher, sie konnten über die Köpfe der anderen sehen, was es in den Buden gab. Einmal bin ich mit meiner Schwester, Schwager und großen Hund durch, da hat man uns freiwillig Platz gemacht.
Der bestbesuchte Stand allerdings, war immer die Korbmacherei mit den Einkaufskörben. Da hat man sich schon mal 4 Uhr angestellt um als erster 8 Uhr bedient zu werden. Auf dem sogenannten Maschinenmarkt war der Töpfermarkt untergebracht. Eine große Freifläche wurde mit Seilen abgesteckt und in der Mitte standen jede Menge verschiede Töpfe, Wannen, Fässer, Saftpressen….
Vor allem Dingen sind wir Samstagvormittag nur wegen einer Melone runter gegangen, die gleich von einem Hängerzug verkauft worden sind. Allerdings diese 800m-Strecke mit einer ca. 8-10 kg schweren Melone…., da ist man aus der Puste gekommen.
Wenn bei uns der Jahrmarkt war, hatten wir sehr viel zu tun. Als erstes, das ganze Haus auf Hochglanz bringen, mein Vater lies immer zwei Kaninchen schlachten und meine Mutter hat gebacken wie ein Weltmeister, um alle satt zu bekommen. Denn zu diesem Wochenende kam die ganze Verwandtschaft angerückt, die man das ganze Jahr sonst nicht zu sehen bekam. Da gab es auch was zu kaufen, was sonst nur als die sogenannte Bückware deklariert war. Für uns Kinder war es auch ergiebig, von der Verwandtschaft bekamen wir öfters mal eine Mark als Rummelgeld zu gesteckt. Sobald wir wieder etwas flüssig waren sind wir Richtung Markt gezogen, und wenn es 3-4-mal am Tag war. Einmal hatte ich in einer Losbude großes Glück, ich gewann ein 500er Puzzle, und war mächtig stolz darauf. Auch wenn es nur der Nischel von Karl-Marx- Stadt war.
Einmal ist mir ein großes Missgeschick passiert. Es war Anfang der 80er Jahre und ich habe mein Geld schon selbst verdient. Mein Bruder hat in einer Schießbude eine Flasche Ketchup gewonnen und sie mir zum Aufbewahren gegeben. Ich hatte nur einen Stoffbeutel bei mir und hab sie eingesteckt. Irgendwann musste ich einen dringenden Bedürfnis nach gehen und hing den Beutel von innen an die Türklinke und was dann passierte könnt ihr euch ja bestimmt vorstellen. Jemand anders wollte auch da rein, sah aber die rote Verriegelung nicht und drücke die Klinke nach unten. Als ich dann mit diesem klirrenden Ketchup triefenden Beutel aus dem Klo trat, gab es erst einmal erschrockene große Augen unter den anderen Wartenden, waren aber dann beruhigt als sie merkten das es nur rote Soße war. Das Ende vom Lied, Scherben in den Papierkorb, Beutel ausgewaschen und meinen Cousin gefragt, ob er mir noch eine Flasche schießen kann. Für diesen Abend hatte ich dann die Nase voll und bin mit einer neuen Flasche nach Hause.
Dienstag war immer Kindernachmittag, nach der Wende waren sogar mal die Schule und der Hort mit von der Partie und haben den Kindern mit Spielen und kleinen Gewinnen was geboten. Pünktlich um 19. 00 Uhr kam das Sandmännchen, mit einem schön geschmückten Gefährt. Einmal war es ein Traktor, Kutsche oder Auto, sogar auch mal mit einem Radlader.
Als Jahrmarktabschluss fand dann immer das Höhenfeuerwerk statt. Ich habe es meist von zu Hause aus den Bodenfester angeschaut, da sah man den ganze Hofeberg in tollen bunten Lichtern. Das waren einige Erinnerungen wie er früher einmal war. Leider hat der Jahrmarkt sein altes Flair verloren.