1. Klasse
2. Klasse
3. Klasse
„Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen“ – besonders wenn es um eine Fahrt mit der Eisenbahn geht. So war es auch schon vor 180 Jahren, nicht erst heute.
Der erste Zug von Halle nach Leipzig fuhr am 18. August 1840. Und nach reichlich einer Woche erschien ein erster Kommentar zu „Eisenbahnangelegenheiten“ im „Patriotischen Halleschen Wochenblatt“ vom 29. August 1840.
Es kann nur erfreulich sein, daß das patriotische Wochenblatt seine Räume den öffentlichen Besprechungen so interessanter Angelegenheiten wie die Eisenbahn ist öffnet. Die im 34. Stück 1. Beilage enthaltenen Vorschläge aber sind zum großen Theil wenig erwogen. Wir wollen deshalb unsere Gegenbemerkungen nicht zurückhalten und bevorworten nur, daß wir dem Eisenbahncomite fern stehen, was die Redaction des Wochenblatts uns bezeugen kann.
Der unbekannte Abgeber jener Vorschläge fordert 1. unregelmäßige Preise, 2. noch billigere Preise, 3. bedeckte Wagen dritter Klasse, 4. Publication solcher Gesetze, die sich von selbst verstehen.
1. Die Preise für alle Entfernungen auf der Eisenbahn sind nach einem regelmäßigen Tarif berechnet, wonach auf jede Meile ungefähr 2 Groschen Courant kommen. Diese Regelmäßigkeit ist offenbar das sicherste Mittel gegen Beeinträchtigung irgend welcher Art. Welch ein Verlangen ist es nun, daß auf den kürzeren Stationen noch geringere Preise gestellt werden sollen! Wie kämen denn die weithin Reisenden dazu, die ohnehin der Eisenbahnkasse mehr zuwenden, ihre Sitze theurer bezahlen zu müssen? Hieße das nicht aller Gerechtigkeit Hohn gesprochen? Und was hat denn das Hallische Publikum für sonderlichen Gewinn, wenn die Strecken von Halle bis Stumsdorf und Schkeuditz regelmäßig von „Bauerweibern" mit ihren Bündeln und Körben in Besitz genommen werden?
Ohnehin ist es nicht zu erwarten, daß „Bauerweiber" in irgend welchem Falle die Eisenbahn sonderlich benutzen werden solche nämlich, denen der gegenwärtige Kostenbetrag von 6 Sgr. unerschwinglich ist. Sie sind auf dem Markte gewohnt worden, um Pfennige lange zu handeln, und werden nicht regelmäßig Groschen an die Eisenbahn wenden, können auch, ehe sie in Schkeuditz und Stumsdorf aus dem ganzen Umkreise sich sammeln, ihre kleinen Wege, an die sie längst sich gewöhnt haben, recht wohl zu Fuß machen. Ausnahmsweise steht ihnen denn immer noch die Eisenbahn zu Diensten, so oft sie wollen. Zur Regel gemacht aber müßte dies nothwendig endlich alle Passagiere der dritten Wagenklasse, die nicht regelmäßig jene Gesellschaft wünschen, von der Eisenbahn, wenigstens von der dritten Wagenklasse, verscheuchen, womit das Publikum wiederum nichts gewönne.
2. Mit Obigem ist zum Theil auch schon auf die zweite Forderung geantwortet. Auch wir würden mit Dank noch billigere (nur aber gerecht geregelte) Preise annehmen, können dergleichen aber doch nicht besonders lebhaft wünschen. Es geht schon jetzt, namentlich Sonntags, in der dritten Wagenklasse leider ziemlich gemein her. Arme sind zwar keinesweges zugleich Gemeine, und nach unserer Erfahrung gingen die Anstößigkeiten im Benehmen nicht von Armen aus. Doch findet sich auch der nöthige Anstand nicht gerade bei den Aermsten, und ihnen die dritte Wagenklasse gerade zu öffnen, hieße, das Publikum, dem nicht die Regelmäßigkeit äußerster Mischung zusagt, davon verscheuchen!
3. Bedeckte Wagen sind gewiß im Winter und bei bösem Wetter ein Bedürfniß. Wer dasselbe aber befriedigen will, dem steht es mit Zulage weniger Groschen in der zweiten Wagenklasse frei, und man darf dem Eisenbahncomite nicht wohl zumuthen, sich die Zahl der Passagiere zweiter Wagenklasse noch immer mehr zu beschränken. Dessen ungeachtet aber würden auch wir bedeckte Wagen dritter Klasse für die üble Jahreszeit mit Dank annehmen, obgleich wir nicht einsehen, was für ein Unglück es sei, sich mit Mantel zu versehen und der Witterung zu trotzen. Jedenfalls aber müssen wir ernstlichst dawider protestiren, wenn alle Wagen dritter Klasse ihre Decken erhalten sollten. Viele fahren unbedingt lieber offen, Viele fürchten selbst ein Fahren im bedeckten Wagen nicht vertragen zu können, Manche haben darum ihre besondere Freude an den Eisenbahnen, weil es nun endlich einmal ihnen vergönnt ist, öffentlicher Fahrgelegenheiten sich zu bedienen, worauf sie bisher bei physischer Unfähigkeit, bedeckt zu fahren, hatten verzichten müssen. Welche Unbilligkeit, diese Alle wieder zu verscheuchen, ihnen ihre Freude zu nichte zu machen.
4. Wagen mit Sitzen sind ohne Zweifel zum Sitzen, Wagen ohne Sitze zum Stehen bestimmt. Dies dem Publikum vorzudrucken, hieße es beleidigen. Auch begreift schon ohne Weiteres jeder, daß bei der mitunter unregelmäßigen Bewegung, bei dem nahen Vorbeifahren vor Telegraphen, Brücken u. dgl. der Stehende, wenn er nicht recht fest steht, der Gefahr zu schwanken ausgesetzt ist, und die Geschichten von geschehenem Herausfall von Personen sind ja bekannt. Ohnehin benimmt jeder an seinem Sitz Stehende Sitzenden die Aussicht, auf die sie ein Recht haben. Nehmen wir darum dankbar an, was uns die Eisenbahn bietet, und hoffen wir von zeitgereiften Erfahrungen nur allmählige Meliorationen (steht hier für: Verbesserung).
Eine Fahrt mit der Eisenbahn hatte schon damals einen stolzen Preis. Hier sind die Eisenbahn-Tarife von 1840 zusammengestellt:
| 1. Klasse | 2. Klasse | 3. Klasse |
| Halle Leipzig | 27 Sgr. | 18 Sgr. | 11 Sgr |
| Halle Schkeuditz | 15 Sgr | 10 Sgr. | 6 Sgr. |
| Halle Magdeburg | 69 Sgr. | 46 Sgr. | 29 Sgr |
Man sollte dazu auch betrachten, wie hoch der Lohn für die Arbeiter und Tagelöhner zu dieser Zeit war.
So verdiente ein Tagelöhner in der Landwirtschaft 1840 bei über zehnstündiger Arbeit etwa 13 Silbergroschen (Sgr.), und Arbeiter bei der Eisenbahn 0,95 Sgr. bis 1,5 Sgr. pro Stunde.
Bergarbeiter in Mansfeld kamen auf 6 Sgr. am Tag, die Hüttenarbeiter und Schmiede auf 8 -10 Sgr. pro Tag.
Ein Arbeiter im Straßenbau erhielt in Halle 25 Sgr. am Tag und Kinder in der Textilmanufaktur 6 Sgr. am Tag.
Auf der anderen Seite kostete das Hausbackenbrot 1 Sgr. oder 5 Pf. pro Pfund, das Schwarzbrot 10 Pf pro Pfund und für 12 Pfennige (Pf) bekam man 12 Semmeln.
24 Hühnereier kosteten im Vergleich dazu ungefähr 12 Silbergroschen, und der Scheffel Getreide 1,3 Thaler. Ein Scheffel Getreide waren in Preußen 55 Liter und in Sachsen 104 Liter. - Es scheint in Sachsen konnte man mehr scheffeln. -
Auf der Strecke zwischen Halle und Leipzig gab es zunächst nur Stationen in Gröbers und Schkeuditz. Der Bahnhof in Dieskau (diese Benennung der Station erfolgte auf Betreiben des Herrn von Bülow) kam 1891 dazu und der in Großkugel 1908.
Die Magdeburg-Cöthen-Halle-Leipzig-Eisenbahn entwickelte sich sehr gut, sowohl im Personenverkehr wie auch im Güterverkehr. Sie wurde sehr schnell zum wichtigsten Verkehrsmittel. Der Eisenbahnbau war wohl die revolutionärste Umwälzung zu jener Zeit, so wie heute die Computer- und Informationstechnologie.
Auch am Bahnhof in Gröbers waren immer wieder Erweiterungen und Umbauten notwendig. Besonders für den Güterverkehr wurden immer wieder weitere Gleisanlagen benötigt. Und so erfolgte die Errichtung der Ladestraßen – nicht ohne Probleme.
Aber der Güterzugbetrieb konnte dadurch erfolgreich ausgebaut werden.
Wie sorgten die Bahnbeamten, Bahnwärter und Streckenläufer für einen geregelten Betrieb?
P.S. 1821 wurde ein für ganz Preußen gültiges Kleinmünzensystem eingeführt. Der Taler wurde nun in 30 Silbergroschen unterteilt, der Silbergroschen aber weiter in 12 Pfennige.
Wer noch mehr über die Geschichte der Eisenbahn in Gröbers erfahren möchte, ist herzlich eingeladen zum Heimatabend am Freitag, dem 17. November 2023, in den Gasthof „Zum Hirsch“.