Als vor 185 Jahren im August 1840, der erste Zug durch Gröbers fuhr, wurde dieser mit einer Ehrenpforte begrüßt. Am Anhaltepunkt bei Gröbers gab es nur eine kleine Holzhütte. Fahrscheine wurden im benachbarten Gasthof verkauft, den der Gutsbesitzer Beil errichtet hatte und dann verpachtete.
Damals hat kaum jemand geahnt, welche rasante Entwicklung die Bahn eingeleitet hat, auch für Gröbers. Durch den Braunkohlenbergbau und die aufblühende Zuckerindustrie war1852 eine Vergrößerung des Bahnhofs notwendig geworden.
Es war zunächst der Personenverkehr auf der Strecke Halle - Leipzig und dann weiter bis nach Dresden, der gut angenommen wurde. Es gab wohl genug Vermögende, die sich so eine Reise mit der Bahn leisten konnten.
Und auch schon in dieser aufstrebenden Zeit gab es Kritiker, die mit der Bahn unzufrieden waren und sogar eine nachteilige Entwicklung für Halle befürchteten.
Dazu wurde in einem Artikel aus dem Hallischen Patriotischen Wochenblatt vom 30. August 1840 ausgeführt:
Die Eisenbahn vergrößert die Entfernung zwischen Halle und Leipzig
Unter den 26,000 Einwohnern von Halle sind gewiß wenige so stumpf für höhere Interessen, daß sie nicht seit dem 6. Juli 1836 freudig hoffend und ungeduldig harrend der verkündigten Eisenbahnverbindung mit Magdeburg und Leipzig entgegengesehn hätten. Wir sollten an die Thore des industriellen Leipzigs gerückt werden; die beiden Schwesteruniversitäten sollten in regem, zuvor nur allzusehr entbehrtem, Verkehr sich wechselseitig anspornen, der Umsatz der Waaren, die Centralisation des Buchhandels, der Zusammenfluß bedeutender Fremden, wodurch die Nachbarstadt vor so vielen zahlreicher bevölkerten Städten Deutschlands sich auszeichnet, Alles sollte unser Gemeingut werden. Das anmuthige Dresden mit seinem Reichthum an Kunstschätzen dachten wir uns bis auf die Entfernung von 4 - 5 Stunden nahe gebracht und jeden Ausflug nach Schlesien oder Böhmen um eine reichliche Tagereise abgekürzt. Ein großer Theil dieser Vortheile ist in Folge be- fremdender Einrichtungen nicht eingetreten, ja, wenn in wenig Tagen die Aufhebung des Postamtes Schkeuditz erfolgt sein wird, ist unsere Verbindung mit Leipzig und
Und den östlich von dort gelegenen Orten in mehrfacher Hinsicht eine unbequemere als zu der Zeit, wo noch keine Eisenbahn bestand. Die gehofften Vortheile sind nicht eingetreten : denn, wer hätte nicht vorausgesetzt, daß er bei einer Ersparnis von 6-8 Stunden der Fahrzeit, um in Leipzig Geschäften und Vergnügungen eben so viel Zeit als sonst zu widmen, nur einen halben Tag von Halle werde abwesend sein müssen, während er früher einen ganzen bedurfte. Nur die eigentlichen Wintermonate wurden allenfalls von dieser Voraussetzung ausgenommen. Bei einer Abfahrt um 12 oder 2 (je nachdem in Halle oder Leipzig zu Mittag gegessen werden sollte) und einer Rückfahrt um 6 oder 7 waren uns 3 - 6 Stunden Aufenthalt geblieben, die in den meisten Fällen genügt oder doch zu baldiger Wiederholung der Fahrt veranlaßt haben würden.
Gar Manche verabredeten schon Nachmittagspartien in das Rosenthal und nicht Wenige hofften, nach dem Schlusse des Theaters noch zu nächtlicher Heimfahrt einen Wagenzug bereit zu finden. - Die Bevölkerung von Halle besteht zu einem unendlich kleinen Theile aus geschäftslosen Reichen, die eben so gern einen ganzen als einen halben Tag auf ihr Vergnügen verwenden, die auch bei oft wiederholtem Besuche nichts dagegen einzuwenden haben, vom Morgen bis zum Nachmittag in den Leipziger Hotels zu verweilen; die große Mehrzahl ist darauf gewiesen, Zeit und Geld zusammenzuhalten, und Erholung und Vergnügen sich nur nach beendeter Arbeit zu gönnen. Von diesen aber sind Unzählige, die literarische, commercielle und andere Verbindungen mit Leipzig entweder schon haben, oder einzugehn nur die günstige Gelegenheit abwarten. Nun ist der Vormittag hier wie überall der Berufsthätigkeit vorzugsweise gewidmet; in die Vormittagsstunden fallen die Sitzungen und Termine der Beamten, die Hauptvorlesungen der Universität. Wie groß also war unser Erstaunen, als wir vernahmen, die späteste Rückfahrt von Leipzig solle mitten im Nachmittage, um 4 Uhr, Statt finden und Vergnügen und Geschäfte dort auf das Unwillkommenste unterbrechen, ohne den hierher Zurückgekehrten für den Rest des Tages rechte Arbeitslust zu lassen. Die letzten Dampfwagenfahrten zwischen Berlin und Potsdam geschehen bekanntlich in später Nachtstunde und in England wird auf den Eisenbahnen die ganzen Nächte hindurch gefahren. Warum, was dort ohne Nachtheil geschieht, nicht auch hier thunlich sein soll, ist nicht abzusehn. Würden indeß die vielleicht größeren Kosten oder würde etwanige Gefahr gescheuet, so könnte doch einer nächtlichen Rückfahrt mit Pferden (wie zwischen Nürnberg und Fürth) schwerlich ein Bedenken entgegenstehen. Aber, den Wunsch einer Fahrt zu später Stunde selbst ganz bei Seite gesetzt, so läßt sich doch nicht wohl begreifen, warum nicht ein Wagenzug etwa um 6 Uhr Abends von Leipzig nach Halle soll abgehn können. Noch zu Ende Septembers dauert helle Dämmerung bis gegen 7 Uhr, auch pflegt der Wagenzug, der Magdeburg um 6 Uhr verläßt, erst um oder gegen 6 von Halle nach Leipzig zu gehn; um diese Zeit zu fahren, muß also doch für thunlich erachtet werden. Zwar wird versichert, die Fahrstunden seien so wie geschehen bestimmt worden, weil ja doch in wenig Monaten der Winter mit seinen kurzen Tagen kommen werde. So löblich nun aber diese Voraussicht ist, so fährt sie doch zu der Consequenz, im Februar die Fahrten früh um 4 und Abends um 8 zu legen, weil alsdann in einigen Monaten wieder Sommer wird.
Während der ersten Tage nach Eröffnung der Eisenbahn ging eine Zwischenfahrt um 1 Uhr Mittag von Halle nach Leipzig. So unangenehm sie nun die Essensstunde störte, so entsprach sie doch dem unabweisbaren Bedürfniß einer Nachmittagsfahrt, und war, in der Voraussetzung, daß die Rückfahrt nothwendig auf eine spätere Stunde verlegt werden müsse und werde, willkommen. Nachdem diese Einrichtung vier Tage lang bestanden, hat das Directorium „vielfach geäußerten Wünschen zu begegnen“, diese Zwischenfahrt ganz aufgehoben und keine andere an deren Stelle gesetzt. - Wer sich veranlaßt gesehn haben sollte, den Wunsch zu äußern, daß eine zweckmäßig angeordnete Fahrt (vielleicht die einzige, der man dies für Halle nachsagen kann) ausfallen möge, dürfte schwer sein zu ermitteln. Vermuthlich ist es wol nur das Directorium selbst, das diese Wünsche gegen sich vielfach geäußert hat. Einen andern Grund zu solchem Entschlusse vorauszusetzen, als den Glauben, daß diese Fahrten nicht rentiren würden, wäre unstatthaft. Konnte aber eine Erfahrung von vier Tagen das Directorium darüber schon belehren, oder waren die ur- sprünglichen Entschlüsse so wenig gereifte, daß man schon nach vier Tagen, ohne der Erfahrung zu bedürfen, von ihnen wieder abgehn mußte?
Was aber die Einträglichkeit der Zwischenfahrten von Halle nach Leipzig und zurück betrifft, so läßt sich mit Zuversicht voraussagen, daß wenn die leitenden Behörden fortfahren, die Fahrstunden für Halle so unzweckmäßig zu legen als möglich, „dieselbe fortwährend Wünschen begegnen“ auch eine zweite Zwischenfahrt wird aufheben können, damit den Hallensern, wie „Justus Möser“ sagt, von der Eisenbahn das Vergnügen bleibe, den Wagenzug an ihrem Thore vorüber rasseln zu hören.
. Die einzige uns noch gebliebene directe Fahrt nach Leipzig geht früh um 6 Uhr ab. Zu früh, um in Leipzig Geschäfte zu machen, Freunde zu besuchen und dergleichen; zu spät, um den Dampfwagenzug nach Dresden, den Eilwagen nach Grimma, Waldheim u. s. w. und die vielen um 6 Uhr Leipzig verlassenden Privatdiligencen noch zu benutzen. Der zweite Dampfwagenzug nach Dresden geht Nachmittags um 3 Uhr aus Leipzig; daß aber das Directorium „ vielfach geäußerten Wünschen zu begegnen“, uns gleichfalls unmöglich gemacht hat, an diesen uns anzuschließen, wurde schon erwähnt. Von Dresden treffen die Dampfwagenzüge um 91/2 und um 61/2 Uhr in Leipzig ein. Wer also mit dem ersten angelangt ist, muß 9 Stunden, wer mit dem 2tm gar 12 Stunden in Leipzig verweilen, ehe er nach Halle befördert wird. Wen Geschäfte oder Vergnügen nach Dresden führten, her konnte bis jetzt, wenn ihm ein Aufenthalt von 51/2 Stunde in der Sächsischen Hauptstadt genügte, in weniger als 24 Stunden nach Halle zurückkehren. Er verließ Halle mit der Personenpost um! Uhr Morgens, hatte in Leipzig eine Stunde Frist zum Frühstück und zur Ruhe, war dann um 91/2 in Dresden, wo er bis um 3 verweilte, mit aller Muße in Leipzig zu Abend aß und von dort kurz nach Mitternacht mit der Personenpost wieder in Halle eintraf. Die Kosten dieser Reise betrugen 2 Thlr, 6 Sgr. nach Leipzig und von dort zurück, 4 Thlr. (auf der zweiten Wagenklasse) zwischen Leipzig und Dresden hin und her; Frühstück, Mittag- und Abendessen ohngefähr 1 Thlr. 20 Sgr. Zusammen nicht ganz 8 Thlr. Seit wir so glücklich sind, eine Eisenbahn zu besitzen, erfordert dieselbe Reise, mit gleichem Aufenthalt in Dresden, mindestens 38 Stunden Zeit (von 51/2 Uhr des einen Abends bis 71/2 Uhr des zweiten darauf folgenden Morgens). Die Fahrkosten nach und von Leipzig betragen zwar nur 1 Thlr. 6 Sgr.; zu den Zehrungskosten treten aber zwei Nachtlager, ein Abendessen und ein Frühstück mit ohngefähr 2 Thlr. hinzu, so daß immer noch eine Mehrausgabe von über einem Thaler bleibt.
Es wäre dieses Ergebniß (das sich in ganz ähnlicher Weise, ja noch schlimmer, für Alle gestaltet, die Nachmittags bis später als 4 Uhr in Leipzig bleiben wollen oder müssen) denen, die ihre Zeit lieb haben, noch betrübender, als ohnedem schon der Fall ist, bestände nicht zwischen Halle und Leipzig noch eine zweite
Straße, von der zum Glück noch keine Eisenbahn die Postämter vertrieben hat. Mit einem Umweg von einer Meile, und wenigstens mit Extrapost, d. h. mit einer Mehrausgabe von 10 11 Thlr., werden wir trotz der Eisenbahn noch immer in schneller Verbindung mit Leipzig und Dresden bleiben können; ja es ist Hoffnung vorhanden, daß die hohen Postbehörden, von der Calamität, welche die geschickte Einrichtung der Fahrstunden über uns gebracht hat, bewogen, sich entschließen werden, die Personenposten über Merseburg neu einzurichten.
Eine Klasse von Leuten ist allerdings vorhanden, für deren Interesse der jetzige Fahrplan berechnet erscheint; die Leipziger Gastwirthe, denen die Stunden der Ankunft und Abfahrt eine Zwangs- und Banngerechtigkeit auf Couverts an der Table d`hote und auf Nachtlager einräumen. So löblich nun auch die Fürsorge für einen so industriösen Theil der Bevölkerung unsrer Nachbarstadt erscheint, so wäre es doch vielleicht nicht unangemessen gewesen, daneben (ich will picht so unbescheiden sein, zu sagen, die Bedürfnisse und Wünsche einer preußischen Stadt von 26000 Einwohnern, die der Bahn mit ihren Namen gegeben) doch auch die Interessen der Actionaire zu berücksichtigen. Gewiß aber werden die Bewohner unsrer Stadt durch jenes Zwangs- und Bannrecht sich weder zwingen noch bannen lassen, sondern vorziehn, entweder zu Hause zu bleiben, oder sich, wie sonst, der Privat- gelegenheiten oder der Post, wenn sie uns erhalten bleibt, zu bedienen. Mögen die Urheber des wohlersonnenen Fahrplans es dann sich selbst zuschreiben, wenn ihre Wagenzüge umsonst oder fast umsonst an dem Hallischen Bahnhofe anhalten!
Lucius.
*). Dieser Artikel ist der Magdeburger Zeitung an dem bemerkten Tage zugesandt! dem Verf. aber nach11 Tagen mit dem Bemerken zurückgeschickt, daß der Chef der dortigen Censurbehörde den Abdruck in jener Zeitung nicht gewünscht habe. Zur Erläuterung kann die Notiz dienen, daß gedachter Chef zugleich Vorsitzender bei dem Directorium der Magdeburg -Cöthen-Halle-Leipziger Eisenbahn ist.
Entgegen dieser kritischen Darstellung entwickelte sich die Eisenbahn auf der Strecke Halle – Leipzig sehr gut. War es zu Beginn der Personenverkehr der überwog, aber der Güterverkehr nahm sehr schnell an Fahrt auf und erreichte den größeren Anteil. Und Gröbers lag mitten drin. Bald mussten die Gleisanlagen erweitert werden. Und im „Industriedorf“ waren solche für die Zuckerfabrik und die Kohlegruben erforderlich. Da brauchte man neben dem Güterschuppen auch Werks-Anschlußgleise. Der hohe Anteil der Deutschen Reichsbahn von 75 % am gesamten Güterverkehr hielt sich bis zum Ende der DDR. So war auf der Ladestraße in Gröbers regelmäßig Betrieb durch BHG, LPG und VEG.
Vor 10 Jahren im Dezember 2015 rauschte dann der erste ICE bei der Eröffnungsfahrt der ICE-Strecke von Erfurt nach Leipzig über den Knoten Gröbers, voll besetzt mit Ehrengästen, aber diesmal fast unbemerkt und ohne Ehrenpforten.
Aus dem Gasthof von damals wurde vor über 70 Jahren eine katholische Kirche.
Und an Stelle des Bahnhofes gibt es nun wieder nur einen sehr zugigen Haltepunkt mit zwei Hütten, die aber nicht mehr aus Holz sind.
Fahrscheine kauft man heute an einem Automaten. Und man muss bei windigem Wetter aufpassen, dass die Geldscheine nicht davonfliegen.