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Heidenauer Journal - Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau
Ausgabe 1/2023
Das Leben in Heidenau
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In unserer interessanten Projektarbeit steckt manche Überraschung!

Ernst Wurche 1915

Ernst-Wurche-Fenster

Als wir vor fünf Jahren begannen, unser deutsch-polnisches Projekt „Boberhaus – Dom nad Bobrow“ vorsichtig auf den Weg zu bringen, ahnte keiner des rein ehrenamtlichen wirkenden Förderkreises, was wir hierbei erleben würden: Angenehmes und auch Enttäuschendes.

Zusammengefasst sei gesagt - zu unserem Glück überwog das Angenehme und half, manche Schwierigkeit zu überwinden. Äußerst förderlich waren und sind Kontakte zu Institutionen, etwa zu polnischen und deutschen Archiven, zu Bibliotheken und zur Internationalen Jugendbegegnungsstätte Krzyzowa/Kreisau. Ebenso lernten und lernen wir hierbei verschiedene Persönlichkeiten kennen, die unsere Vorhaben begleiten, so vier Nachkommen einstiger Boberhaus-Akteure, der Enkelsohn Rudolf der Boberhaus-Bauherren Max und Elisabeth Zwirner oder die Wissenschaftler Prof. Brakelmann und Prof. Ruchniewicz, deren Wirken vor allem dem antifaschistischen Kreisauer Kreis gewidmet ist.

Auch heutzutage, obwohl unser Projekt schon mehr als fünf Jahre wirkt, kommen weitere Projektpartner hinzu. Wir hatten aus einer 1992 in Essen veröffentlichten Dissertation erfahren, dass in das Boberhaus in Löwenberg/Schlesien 1935 das Ernst-Wurche-Fenster - ein ungewöhnliches Kriegerdenkmal - eingebaut worden war, in der Glashütte Penzig an der Neiße geschaffen und gestiftet vom schlesischen Glasfabrikanten und Kunsthandwerker Richard Süßmuth (1900 bis 1974). Um das Ernst-Wurche-Fenster dauerhaft in das Internet „stellen“ zu können, benötigten wir die Zustimmung Richard Süßmuths Rechtsnachfolger. Allerdings wussten wir nicht, ob es ihn/sie gibt. Unermüdliches Recherchieren führten schließlich dazu, eine Süßmuth-Tochter, Frau Gundula in Kassel, ausfindig zu machen. In ihrem Antwortbrief schrieb sie uns freudig: „Löwenberg und das Boberhaus habe ich gut gekannt. Meinen Vater begleitete ich manchmal dorthin zu seiner Arbeit. Dazu gehörten im Jahr 1940 die von ihm gestalteten Buntglasfenster in der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt. Ob sie den Krieg überstanden haben?... Ich danke Ihnen und Ihrem Projekt, wie sie das Andenken an meinen Vater Richard wachhalten. Meine Zustimmung haben Sie!“ Dem öffentlichen Darstellen jenes einmaligen Kriegerdenkmals steht nun nichts mehr im Wege. Vorsorglich hatte unser Freund Dieter die Abbildung sorgfältig rekonstruiert, denn das Original ging ebenso in den Februartagen 1945 vollständig unter.

Erläuterungen zum Ernst-Wurche-Fenster am einstigen Boberhaus in Löwenberg/Schlesien: Ernst Wurche war das Idealbild der deutschen Kriegsfreiwilligen. Als Theologie-Student an der Universität Breslau meldete er sich sofort 1914 voller Begeisterung zum kaiserlichen Kriegsdienst und fiel mit 21 Jahren bei Posiminicze. In Simnen/Litauen wurde er bestattet.

Gestaltung des Fensters: Kruzifix; Strahlen der aufgehenden Sonne und Sonnenblumen als Symbole der Schlesischen Wandervogelbewegung; Schriftzug: „Zum Gedächtnis von Ernst Wurche Kriegsfreiwilliger im 3. Niederschl.(esischen) Inf.(anterie) Reg.(iment) Leutnant d.(er) R.(eserve) i.(m) 3. unterelsässischen Inf.(anterie) Reg.(iment ) 138 gefallen am 23.8.1915 bei Posiminicze“.

Diesem Jüngling des Jahrganges 1893 hat sein eng befreundeter Kriegskamerad Leutnant d. R. Walter Flex (Jahrgang 1887) die überaus tragisch endende Novelle „Der Wanderer zwischen beiden Welten. Ein Kriegserlebnis“ gewidmet. Das Büchlein erschien bereits 1916 in München und fand bald eine riesige Leserschar. Doch auch Autor Dr. Walter Flex überlebte den Ersten Weltkrieg nicht. Das war zu jener Zeit, als keiner ahnte, dass es zwanzig Jahre später noch verheerender käme und es auf unserem Kontinent leider keinen dauerhaften Frieden gibt!

Werner Guder
Städtepartnerschaftsverein Heidenau e. V.