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Heidenauer Journal - Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau
Ausgabe 11/2023
Das Leben in Heidenau
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Die Löwenberger Brauordnung von 1575

Der Geschichtsschreiber Benjamin Gottlieb Sutorius hat nach anstrengendem Sichten beinahe unzähliger historischer Schriftstücke sein bis heute anregendes Buch „Die Geschichte von Loewenberg aus Urkunden und Handschriften gesammlet. Erster Theil. Bunzlau, gedruckt bey C. W. Reimers, Waisenhausdruck“ 1784 herausgebracht.

Es liest sich auch per Internet gut, denn es veranschaulicht die wechselhafte Löwenberger Historie, spart kaum etwas vom Zusammenleben der Bewohner aus und stellt dar, wie die Menschen seinerzeit mit verheerenden Katastrophen - etwa Seuchen, Kriege, Großbrände und Boberhochwasser - umgingen. Da der talentierte Stadtschreiber Sutorius wohl zuerst ein lebensfreudiger Mann gewesen ist, hat er in seiner Veröffentlichung selbstverständlich auch manch schöne Seite des Alltags verankert - ich nenne hierfür das Löwenberger Bier, von dem es heißt, dass es auf unserem Kontinent zuerst gebraut worden ist.

Benjamin Gottlieb Sutorius hat uns Biertrinkern ein wichtiges Dokument anvertraut, das ich zwecks heutigen Sprachgebrauchs etwas bearbeitet habe, inhaltlich hingegen unverändert wiedergebe: „In dem 1575. Jahre machte der Rat eine Brauordnung, unsere Bürgerhäuser waren zumeist zum Bierbrauen berechtigt, welche und wie sie brauen sollten jetzt und gewöhnlich, durchs Los gezogen. Nach der ersten Errichtung des Brauwesens war Löwenberg 461 ganze Biere [1] zu brauen berechtigt, davon waren 456 auf die Bürgerhäuser verteilt, welche jährlich dort gebraut wurden, die übrigen fünf entstanden in den Malzhäusern. Auf jedes Gebräu wurden 24 Scheffel [2] Gerste oder 16 Scheffel Weizen gerechnet, und auf jedes der beiden wurden 17 Viertel oder 84 Achtel Bier gegossen, zu einem Weizenbier wurden 2 und zum Gerstenbier 4 Scheffel böhmischer Hopfen genommen. [3] (Damaliger „Verbraucherschutz“ stellen wir anerkennend fest!) Abgaben musste man dem Fürsten von jedem Gebräu fürs Anbrennen 5 Kaisergulden 2 Kreuzer 1 Heller bezahlen. Es war also diese Brauurbar [4] für die Stadt ziemlich beträchtlich. Doch damals war die Stadt nicht nur bevölkerter und besser geschützt, sondern sie hatten auch einen weit ausgedehnteren Verkauf. Etwa 30 Dörfer mussten Löwenberger Bier ausschenken und erstreckte sich von Berthelsdorf aus bis nach Eschdorf. Die Bürger, welche eine Tochter verheirateten oder selbst Hochzeit machten, konnten ein Hochzeitsbier außer der Ordnung brauen. Und bei denen, die Malz im Vorrat hatten, ging es so genau nicht ab, daß sie nicht auch ein Bier außer der Reihe brauten...“

Dass wir die Löwenberger Brauordnung von 1575 als schlesische Entsprechung des bayerischen/deutschen Reinheitsgebotes, welches die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. bereits 1516 für ihr Fürstentum erlassen hatten, verstehen möchten, liegt nahe, denn weder die bayerischen Herzöge noch nur 59 Jahre später der Rat zu Löwenberg fassten voneinander abweichende Bestimmungen - reines Bier bestehe nur aus Hopfen, Malz, Wasser (später kam Hefe hinzu) - beschlossen. Und wohl auch darin stimmten die hohen Herren überein: „Hopfen und Malz - Gott erhalt‘s!“ und „Ein bekömmlich‘ Bier ist Gottes Tat!“ Sehr zum Wohl mit einem Bier aus der polnischen Partnerstadt.

Anmerkungen:

[1] nicht mehr nachweisbares Flüssigkeitsmaß, selbst im „Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte. Stuttgart 2006, nicht mehr aufgeführt

[2] innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation stark abweichendes Hohlmaß für Schüttgüter; in Schlesien galt 1 Scheffel = etwa 75 Liter

[3] mit Erreichen des schlesischen Bodens wie [2]

[4] Brauurbar, Braugerechtigkeit, Braurecht - der Gewinn aus dem Bierbrauen und dessen Verwendung

Werner Guder
Städtepartnerschaftsverein Heidenau e. V.
Tel. 0351/2815616