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Heidenauer Journal - Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau
Ausgabe 11/2024
Das Leben in Heidenau
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Abgelauscht: Nächtliches Geflüster im Barockgarten Teil 1

Nächtliches Geflüster, Abb.1: Zeus

Nächtliches Geflüster, Abb. 2: Olaf Klepzig, Sphinx im Barockgarten (Aquarell)

Einst einmal – und ist doch nie geschehen, habe ich mich beim Malen im Barockgarten vertrödelt und aus Versehen in den Park einschließen lassen. Die Nacht war lau. Auf einer Bank an der Stillen Musik schlummerte ich ein. War es Traum oder Wirklichkeit, was ich dann erlebte?

Bald hörte ich von Ferne ein Ächzen, Stöhnen, Rascheln, Zischeln und Flüstern, Geräusche wie Steine verrücken: In der schwachen Dunkelheit der Sommernacht war kaum etwas zu erkennen. Mich rührte der Schlag: Der Sockel neben mir - leer! Zeus, der Götterchef, verschwunden! Es lag nur noch sein Bündel Blitze darauf, bewacht vom Adler. Den hatte ich doch vor zwei Stunden erst noch gezeichnet!

Sachte stand ich auf und checkte die anderen Sockel an der Stillen Musik: Acht Tutti, nein Putti heißen die Steinbabys, müssten hier an den schwungvollen Treppen stehen! Allesamt kleine Musikanten des Meeresgottes Triton – 2 Panflöten, das Waldhorn, die Hornmuschel…

Ich musste wohl schon länger geschlafen haben, denn ein Putto war bereits vom Angeln zurück, trug Paddel und Fisch. Zwei der Kleinen hatten sich einen Blütenkranz besorgt, hielten ihn hoch in die Luft und tänzelten unter ihm. Ein anderer hatte den Adler von Zeus geschnappt, wollte wohl jagen? Von Weitem, über der hohen großen breiten Treppe in der Mitte des Gartens war Singen und Jauchzen zu vernehmen.

Geduckt am barocken Geländer, der Balustrade, entlang schlich ich mich nach oben. Die Vorsicht war umsonst! Zwei Putti waren so sehr mit den beiden Löwenfrauen beschäftigt, dass sie mich gar nicht wahrnahmen. Einer saß rittlings auf der Sphinx und gab ein frivoles Lied von sich, der andere wollte das mystische Wesen zum Reden bringen. Die beiden konnten von Glück reden, dass die Sphingen im Garten gutmütig sind!

Die Knaben wussten nicht, dass der schöne, aber fixierende Blick der Tatzenträgerinnen sie erstarren lassen könnte. Schließlich haben sie die Aufgabe, den Park zu beschützen. Die Sphingen begann der französische Bildhauer François Coudray kurz vor seinem Tod aus dem Stein zu holen – ach, wie kurz das Leben ist! Kaum bist du halbwegs schlau, wirst du gebrechlich und vergehst - hierin verbirgt sich übrigens das Geheimnis der Sphingen. Dabei gibt es immer mehr Leute, die gar nicht merken, was wirklich wichtig ist hier auf Erden. Lassen sich ablenken von den vielen Spielereien, werden bequem, gar faul; lassen sich gern regieren. Und wachen dann meist zu spät auf! – Entschuldigt bitte diese lebensphilosophische Abschweifung …

Hofbildhauer Kirchner vollendete die beiden Tierfrauen. Übrigens hat er bald die Hälfte der anderen Figuren entworfen. Wundervoll lebendige Herzblut-Arbeiten. Nun ging ich an der großen Rasenfläche vorbei, die die Engländer Bowling Green nennen. Vorbei an Floren und Pomonen, die hier ringsum stehen. Das sind Blüten- und Früchtegöttinnen. Mir begann das Wasser in den Mund zu laufen, wenn ich mir nur vorstellte, sie hätten sie mir angeboten – ihre Äpfel und Melonen!

Und Diana am sogenannten „Aha“ - war die auch verschwunden? Natürlich! Die Göttin war samt ihrem Hund und dem Jagdhorn zur Jagd! Das Aha, den unsichtbaren Zaun in Form eines Grabens, konnten sie nicht überwinden – aber es bestand die Gefahr, dass sie hineinstürzten.

Da käme keiner ohne Hilfe heraus! Als ich hineinschaute, saß nur der kleine Hund der Jagdgöttin darin und schaute mich von tief unten mit großen Augen bittend an. Die Zunge hing ihm aus dem Mäulchen. Ich zeigte ihm das schmale Brett mit den Leisten. Er lief schnell hinauf, setzte sich aus Dankbarkeit zu meinen Füßen. Aber lange saß er nicht da. Er rannte hoch zum Parkeingang, schlüpfte durch das Gitter, sprang auf den Brunnenrand am großen Delfin von Bildhauer Feige – und schlabberte vergnügt kühles Nass. Ob er wusste, dass die ganze Toranlage erst 1960 hierhergekommen war? Ja, vom Dresdner Landhaus. Weil sie der neuen Straße im Weg stand!

Jetzt muss ich aber wirklich nach den anderen Steinfiguren sehen. Ist denn hier jeder unterwegs? Aber das ist dann im zweiten Teil der Geschichte zu lesen.

Förderverein Freundeskreis Barockgarten Großsedlitz e.V.