Boberhaus-Modell von Bernd Sonsalla
vermutlich zweites freiwilliges Arbeitslager, 1929
Zugegeben, in jüngster Zeit wurde von unserer grenzübergreifenden Zusammenarbeit und deren Resultaten wenig bekannt, obwohl wiederum manches erreicht worden ist. Beginnen wir mit einem weiteren detailgetreuen Boberhaus-Modell, das unser Freund Bernd Sonsalla, Zittau im Dreiländereck Sachsen - Niederschlesien - Nordböhmen, im Maßstab 1:50 geschaffen hat (Foto). Vorwiegend in genannter Grenzregion wird es in Anlehnung an die amtliche Bezeichnung „Grenzschulheim Boberhaus in Löwenberg/Schlesien“ zu sehen sein. Gemeinsam mit Rainer Dierchens Boberhaus-Modell 1/87 und Dieter Schulz‘ 3D-Versionen ist dies eine niveauvolle Bereicherung.
Viel Zeit und Kraft haben wir in unsere Forschungsarbeiten zu den erfolgreichen Bildungs- und sozialpädagogischen Inhalten des Boberhauses in Trägerschaft der SJ Schlesischen Jungmannschaft investiert. Die Fülle der im Archiv der deutschen Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein und im Institut für Zeitgeschichte München hinterlegten Dokumente - mit deren Erschließen stehen wir am Anfang - betragen vermutlich mehrere tausend Schriftstücke.
Wir greifen heraus die von Artur von Machui, Kurt Ballerstedt und Gerhard Klau verfasste „Denkschrift zur Gründung des Boberhauses (Februar 1926)“, die bald ihr 100. Jubiläum erreicht und deshalb die Universität Wroclaw eine wissenschaftliche Konferenz unter Federführung des Professor Krzyztof Rucjhniewicz erwägt. Bücher und Aufsätze zum prägenden Themenbereich „(einfache) Arbeitslager/ (vollendete) Arbeitslager für Arbeiter, Studenten und Bauern/freiwilliger Arbeitsdienst“ - nicht zu verwechseln mit dem Reicharbeitsdienst der NSDAP - belegen für dieses Fachgebiet die herausragende Rolle des Boberhauses.
Ebenso schließen wir uns vorgefundenen und ergänzenden Bewertungen zur zentralen Bedeutung des niederschlesischen Boberhauses für die europäische Jugendbewegung und Jungerwachsenenbildung in der Zeit der Weimarer Republik an. Das und Weiteres vermochten die NSDAP und ihre Gliederungen nicht auszulöschen – viel mehr ging das Boberhaus der SJ dauerhaft in die internationale Geschichte ein!
Dafür sorgte auch der polnische Historiker Professor Karol Jonca mit folgender Auffassung, die auch unsere ist: Das Boberhaus, speziell dessen freiwillige Arbeitslager (Gruppenfoto) nach dem Konzept des Helmuth James Graf von Moltke und Soziologie-Professor Eugen Rosenstock waren Keimzelle des Kreisauer Kreises. Natürlich erinnerte Professor Janca daran, dass unüberwindbare Differenzen zwischen Hans Dehmel, Vorsitzender SJ, und Professor Eugen Rosenstock das Ende der freiwilligen Arbeitslager - „Markenzeichen“ des Boberhauses - führten.
Überlebende Boberhaus-Akteure aus den Jahren 1926 bis 1937 (etwa Hans Dehmel, Helmut Neumann, Hans Raupach, Rudolf Jentsch, Walter Greiff, Hans Richter...) fanden sich nach dem 2. Weltkrieg wiederum zusammen, um trotz vollständiger Zerstörung des Boberhauses dessen Geistesinhalt und einladende Architektur wachzuhalten – der Wiederaufbau, so die archivierten Aufzeichnungen, wurde von ihnen im Unterschied zu unserem Förderkreis nicht erörtert.
In Abständen gab der Boberhauskreis Rundbriefe heraus, die Hans Raupach - er war von 1930 bis 1932 Leiter des Boberhauses gewesen - vorbereitete. In den Rundbrief Nr. 3 ließ er folgende Nachricht aufnehmen: „Das Boberhaus ist von eigenen Truppen gesprengt worden, nachdem es mehrere Wochen in der Hauptkampflinie gelegen hat. Die Felsen der Löwenberger Schweiz sind als Straßensperren herunter gesprengt worden.“ Wir hatten immer gerätselt, wodurch das Boberhaus im Februar 1945 zur Ruine wurde und fanden selbst in Standartwerken („Greiff: Das Boberhaus in Löwenberg/Schlesien...“; „Greiff, Jentsch, Richter: Gespräch und Aktion“) keine Antwort, auch nicht in den Dissertationen des Jürgen von der Trappen bzw. des Klaus Philippi.
Die dramatischen Umstände des Boberhaus-Unterganges hat Professor Raupach handschriftlich notiert, damit sie die Nachwelt finde, was wir vor kurzem entdeckt haben. Somit besteht wahrscheinlich der Zusammenhang mit zwei Löwenberger Zeitzeugen, die nach ihren Erinnerungen das Boberhaus am 8. Februar 1945 noch wahrgenommen haben, am 14. Februar 1945 jedoch nicht mehr.
Solche Zufallsentdeckung möge uns auch hierbei erreichen. Professor Jonca wies in seinem Buch „Denken mit Moltke. Gedanken zu Kreisau und Krzyzowa“ auf seinen Aufsatz „Die Idee der Jugendarbeitsgemeinschaften in der Weimarer Republik“ hin, in dem wir seinen Bezug auf den „fünfzehnseitigen Abschlussbericht des Boberhauses Mai 1937“ zwar wahrgenommen haben, den Bericht selbst jedoch (noch) nicht in unseren Händen halten Zweifel hegen wir aus zwei Gründen nicht: Die Boberhaus-Leitung war Musterbeispiel für Exaktheit und Zuverlässigkeit. Die NSDAP und besonders der Löwenberger SA-Führer verkündeten von Anfang an lautstark und dokumentiert, dass sie das Boberhaus für sich besetzen werden, also die SJ tagtäglich darauf gefasst sein musste, auch mittels eines zeitnahen Abschlussberichtes.
Wird „unser“ Boberhaus, wie wir es anstreben, neugebaut? Dies ist ungewiss, obwohl es dies oder jene Vorüberlegung zu Nutzung und Finanzierungsmöglichkeiten gibt sowie günstige Faktoren zu verzeichnen sind. Schwer wiegt das Wort der Bürgermeisterin, dass ihre Stadt und Gemeinde ein solches Haus der Jugend benötigt. Noch haben sich der Landrat und andere Ebenen nicht positioniert – es gibt viel zu tun...