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Heidenauer Journal - Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau
Ausgabe 14/2024
Das Leben in Heidenau
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Stadtrechtverleihung 1924 – Ablauf und Hintergründe

Abb. 1: Industrie im 19. Jahrhundert in Heidenau

Abb. 2: Genehmigung des Sächsischen Ministerium des Innern

Seit 1. April 1924 darf sich Heidenau als Stadt bezeichnen. Ausgangspunkt für die Entwicklung zur Stadt waren die im Elbtal gelegenen ehemaligen Bauerndörfer Mügeln, Heidenau und Gommern, die sich im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zu aufstrebenden Industriezentren entwickelten.

Damals international tätige Firmen hatten hier ihren Standort wie z.B. die Papier- und Zelluloseindustrie sowie der Maschinenbau (Abb. 1). Durch die kontinuierlich expandierenden Industrieansiedlungen wuchs auch die Einwohnerschaft stetig.

Viele kommunale Aufgaben mussten in den Folgejahren gemeinsam bewerkstelligt werden. Dies führte nach dem Ersten Weltkrieg zu dem Bedürfnis, die separaten Gemeindeverwaltungen von Mügeln, Heidenau und Gommern zu verbinden, um noch effektiver zusammenwirken zu können. Am 1. April 1920, und somit genau vier Jahre vor der Erhebung zur Stadt, schlossen sich die drei Orte zur Gesamtgemeinde Heidenau zusammen.

Für den Namen Heidenau entschied man sich laut Chronik von Johannes Lehmann von 1940 „aus rein praktischen Erwägungen, vor allem“ aber, weil der Name „für die mannigfachen Industrien Heidenaus von ausschlaggebender Bedeutung war.“ Die Einwohnerzahl Heidenaus betrug mit diesem Schritt 14 700 Menschen.

Die bisherigen Gemeindeverwaltungen der drei Orte löste man auf. Ab sofort wurden die Geschicke der neu entstandenen Gemeinde vom 1911 erbauten Rathaus auf der Dresdner Straße aus gelenkt. Gemeindevorsteher wurde Paul Gröger, der vorher bereits Gemeindevertreter der Landgemeinde Heidenau gewesen war. Die Gemeindevorstände von Mügeln und Gommern schieden aus ihren Ämtern.

Verstärkt wurde Heidenau durch die territoriale Angliederung von Großsedlitz am 1. Oktober 1923. Auch die Aufnahme Dohnas wurde diskutiert, bei einer geheimen Abstimmung 1919 fand dieses Ansinnen jedoch keine Mehrheit.

Aufgrund der neuen „Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen“, erlassen am 1. August 1923 und in Kraft getreten am 1. April 1924, konnten größere Orte die Stadteigenschaft erwerben: „Gemeinden mit städtischem Charakter, die über 10 000 Einwohner haben, [wird] vom Gesamtministerium“ die Befugnis erteilt, sich zukünftig als Stadt zu bezeichnen. Am 18. Februar 1924 nahmen die Gemeindeverordneten Heidenaus daraufhin eine neue Gemeindeverfassung an, in der man u. a. festlegte, dass Heidenau die Bezeichnung Stadt anstrebe.

In einem dreiseitigen Schreiben des Heidenauer Gemeindevorstandes an die Amtshauptmannschaft Pirna vom 14. März 1924 heißt es: „Von den Gemeindeverordneten hier ist beschlossen worden, gemäß der Bestimmung in § 1 Abs. 3 der Gemeindeordnung vom 1.4.1924 ab für die Gemeinde Heidenau den Namen ‚Stadt‘ anzunehmen, die Gemeindeverordneten als ‚Stadtverordnete‘ und den Gemeinderat als ‚Stadtrat‘ zu bezeichnen.“

Weiterhin wird mitgeteilt, warum die Gemeinde stadtwürdig ist, dass die vier ehemaligen Landgemeinden zusammen über eine Gesamtfläche von 709 Hektar verfügen, mittlerweile rund 16 200 Einwohner zählen und damit weit mehr als die erforderlichen 10 000 besitzen. Zum Vergleich: Im heutigen Heidenau leben ca. 16 700 Menschen. Des Weiteren erfährt man, dass Alt-Heidenau und Mügeln seit ungefähr zehn Jahren gut ausgebaute Schleusen aufweisen, die Straßen neuzeitlichen Anforderungen entsprechen und über Fußwege verfügen.

Die Verwaltung bestand aus einer Hauptverwaltung, dem Polizei- und Meldeamt, der Gewerbegerichtskammer, dem Bauamt, dem Wohnungsamt, dem Schulamt, dem Standesamt, dem Wohlfahrtsamt, dem Versicherungsamt, der Gemeindekasse, der Buchhalterei, der Steuereinnahme, einem Vollstreckungsamt, einer Spar- und Girokasse sowie einer Polizeiwache. In diesen Abteilungen waren insgesamt 73 Beamte angestellt. Die Zahl der beschäftigten Angestellten und Arbeiter erfährt man hingegen nicht.

Heute arbeiten bei der Stadtverwaltung Heidenau nur noch fünf Beamte, dafür aber 200 weitere Angestellte.

Um den städtischen Charakter noch deutlicher herauszustellen, wird außerdem erwähnt, dass Heidenau als Industrie- und Arbeiterwohnsitzgemeinde zu gelten habe, in dem folgende Unternehmen angesiedelt sind: eine Drogenmühle, ein Blechindustriewerk, eine Blumenfabrik, drei Buchdruckereien sowie eine Buch- und Steindruckerei mit Verlagsanstalt, fünf chemische Fabriken, eine Chromo- und Kunstdruck-Papierfabrik, zwei Papierfabriken, zwei Draht- und Metallwarenfabriken, eine Dinamobürstenfabrik, drei Eisengießereien, zwei Kunst- und Metallgießereien, zwei Elektromotorenwerke, zwei Glasfabriken und Glasschleifereien, drei Maschinenfabriken, eine Zementrohr- und Kunststeinfabrik, eine Netzfabrik, zwei Strohhutfabriken sowie vier Metallwarenfabriken.

Auch heute ist in Heidenau Industrie ansässig. Zu erwähnen ist etwa ein Reifenwerk, ein Möbelwerk, ein Futtermittelwerk, eine elektrotechnische Fabrik, ein Holzwerk, eine Papierfabrik, die es schon damals gab, ebenso wie die Netzfabrik, eine Malzfabrik, eine Lagerbehälterfabrik und eine Drehelementefabrik. Die breite industrielle Vielfalt der Zeit um 1924 – aufgezählt werden immerhin 38 Industrieunternehmen – ist im heutigen Heidenau jedoch nicht mehr vorhanden.

Die Antwort aus Pirna auf dieses Schreiben folgte am 20. März 1924. Vorsorglich hatte die Amtshauptmannschaft Einspruch eingelegt, bemängelte aber letztlich nur ein paar Formalien wie das Fehlen erforderlicher Genehmigungen oder inkorrekte Unterschriften.

Nach zufriedenstellender Nachbearbeitung teilte das Sächsische Ministerium des Innern am 15. Mai 1924 mit, das Gesamtministerium habe bewilligt, „daß sich die Gemeinde Heidenau künftig als Stadt, ihre Gemeindeverordneten als Stadtverordnete und ihren Gemeinderat als Stadtrat“ bezeichnen dürfe. (Abb. 2)

In der Sächsischen Staatszeitung und im Pirnaer Anzeiger fanden sich am 19. und 25. Mai 1924 knapp gehaltene Nachrichten, die auf die Erhebung Heidenaus zur Stadt ab 1. April 1924 hinweisen. Einen Festakt anlässlich dieses Ereignisses oder Feierlichkeiten für bzw. mit den Bewohnern der Stadt scheint es nicht gegeben zu haben. Es ist auch keine schmuckvolle Gründungsurkunde oder ähnliches überliefert.

Am 2. Juni 1924 ließ der Heidenauer Stadtrat mitteilen, dass ein von den Stadtverordneten beschlossenes Ortsgesetz sowie eine neue Gemeindeverfassung vorliege und jedermann beides im Rathaus einsehen dürfe. Der gesamte diesbezügliche Rechtsakt war somit abgeschlossen.

Damit aber nicht genug, Heidenau wuchs weiter: Am 1. April 1932 wurde das Kammergut Großsedlitz und das Friedrichschlösschen der Stadt Heidenau hinzugefügt. Am 1. September 1933 folgte die Angliederung der bisherigen Landgemeinde Kleinsedlitz. Schließlich wurde einige Jahre später durch einstimmigen Beschluss der Gemeindeverordneten der Eingliederung Wölkaus zugestimmt.

Neben Heidenau erhielten 1924 u.a. auch Kötzschenbroda, Großröhrsdorf, Oelsnitz/Erzgebirge, Neugersdorf, Rodewisch und Lugau das Stadtrecht.

Mirko Schöder
Öffentlichkeitsarbeit -
„100 Jahre Stadtrecht“

Verwendete Quellen:

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Akten der Gemeindeverwaltung zu Heidenau. Die Gemeindeverfassung betr., Heidenauer Archiv-Nr. H 0000227.

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Johannes Lehmann: Chronik der Stadt Heidenau, Heidenau 1940.

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Heimat- und Kulturverein Heidenau e. V. (Hrsg.): Heidenau. Geschichte der Stadt, Heidenau 2013.