Abb. 1: Die obere Orangerie mit davor aufgestellten Zitruspflanzen
Abb. 2: Orangerieparterre zwischen unterer Orangerie und stiller Musik
Abb. 3: Sandsteinskulptur Pomona mit Fruchtkorb, Kopie um 1952 nach Original um 1720
Abb. 4: Sandsteinskulptur Herkules Farnese im Barockgarten Großsedlitz, um 1730
Was faszinierte wohl August den Starken so sehr an der Großsedlitzer Anlage, dass er sie 1723 von Graf Wackerbarth unbedingt erwerben wollte? Wohl kaum das kleine, wenig repräsentative Schloss. Die freie Lage mit den herrlichen Fernsichten? Die Bestände fremdländischer Pflanzen? Es muss jedenfalls etwas gewesen sein, das trotz der unfertigen Gartenanlage zu spüren war und zu dessen Verwirklichung auch das großartige neue Schloss, das August planen ließ, nicht unbedingt benötigt wurde. (Abb. 1)
Die Pflanzenbestände scheinen den Landesherren durchaus interessiert zu haben. Jedenfalls nutzte er den Kauf im Jahr 1723, um seine Sammlungen im Dresdner Herzogin Garten und Zwinger zu vergrößern. Aber in der Folge er erweiterte die in Großsedlitz vorhandenen Bestände von Orangeriepflanzen kräftig. Das Inventar, das 1736 nach seinem Tod zur Übergabe an seinen Sohn und Nachfolger angefertigt wurde, verzeichnet 1287 „Orangen-Bäume“, von denen die Mehrzahl stattliche zwei Meter hoch und rund 50 Zentimeter stark im Umfang waren. Insgesamt umfasste die Sammlung fremdländischer Pflanzen 1825 Exemplare.
Unter dem neuen Besitzer sollte die Gartenanlage völlig neu strukturiert und erheblich erweitert werden. An Stelle der oberen Orangerie ließ August der Starke Planungen für den repräsentativen Zentralbau eines Schlosses mit ausgedehnten Vorhöfen und zahlreichen Nebengebäuden entwickeln. Die von der Oberen Orangerie ausgehende ehemalige Nebenachse wurde nun zur Hauptachse des Gartens, die mit der Waldkaskade jenseits des Taleinschnittes fortgesetzt wurde. Östlich, auf der Achse der heutigen unteren Orangerie, und westlich, in der ehemaligen Hauptachse des Wackerbarth‘schen Schlosses, sollten zwei weitere Achsen weit in die Ferne weisen. Jedoch gediehen die großartigen Pläne letztlich nicht über die Anfänge hinaus, der Neubau des zentralen Schlosses unterblieb aus ungeklärten Gründen. Zum Fest des polnischen Weißen Adlerordens 1727 wurden alle Arbeiten zu einem vorübergehenden Abschluss gebracht.
Die neu gestalteten Gartenbereiche wurden mit Skulpturen und Statuengruppen ausgeziert, vielfältige Wasserspiele waren geplant. Die Präsentation der Orangerie im Garten erhielt durch August den Starken eine zentrale Rolle. (Abb. 2) Eng verwoben mit der Orangeriekultur und metaphorisch ausgefeilt erscheint die Ausstattung mit Skulpturen. Die Orangeriekultur war ja nicht nur eine Pflanzensammel- und -liebhaberei. Dass es gelang solche, kostbare Früchte tragenden, Bäume und weitere wertvolle Pflanzen in einem ihrer Natur feindlichen Klima zu kultivieren, zeigte die umfassende Macht des Landesherrn. Die goldenen Äpfel standen metaphorisch für einen andauernden Frühling, für Frieden und Wohlergehen und dies in ewiger Wiederkehr. Und auch die Skulpturen verbildlichten dies.
Um nur einige zu nennen: Flora und Pomona, die Personifikationen der Blüten und der Baumfrüchte, säumen in Vielzahl das Boulingrin seitlich der oberen und oberhalb der unteren Orangerie. (Abb. 3) Gegenüber der unteren Orangerie sind die ursprünglichen Besitzer der goldenen Äpfel, Zeus und Hera, in Szene gesetzt, zu ihren Seiten die Personifikationen der Jahreszeiten, die im Orangeriegarten für die ewige Wiederkehr stehen. Herkules, der die goldenen Äpfel raubte, als Sinnbild des Landesherrn selbst, findet sich im Boskett, an der bis weit nach Böhmen zielenden Achse. (Abb. 4) Zahlreiche weitere Allegorien dieser Zeit verbildlichten im Garten weitere Aspekte, verwiesen letztlich auf die ausstrahlende Macht des Landesherrn.