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Halsbrücker Anzeiger
Ausgabe 11/2025
Ortsgeschichten
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Einkehr im Cafè Mädler in Hetzdorf

Sigismund Mädler und seine Eltern

Mädlers Bäckerei 1986

Das Haus an der Straße Zum Waldblick 14 im Hetzdorfer Oberdorf wurde im Jahr 1717 gebaut. Damals verkaufte der Niederschönaer Freigutsbesitzer Flächen zum Hausbau. Auf diese Weise sind die meisten Häuser im oberen Hetzdorf entstanden. Zahlreiche Generationen von Häuslern, oftmals Bergleute, bewohnten dieses Haus in der Folgezeit. Im Jahr 1898 befand sich jedoch das Haus in so schlechtem Zustand, dass es abgerissen wurde.

Durch Wilhelm Hermann Böhme mit Ehefrau Anna Ernestine erfolgte der Neubau des Wohnhauses. Eine Bäckerei wurde eingebaut. War das ein Risiko, da es doch bereits zwei Bäckereien in Hutha und im Unterdorf gab? Nein, der Bedarf an Bäckereierzeugnissen stieg rasant, da sich die Gemeinden Hetzdorf und Herrndorf als Urlauberdomizile „mauserten“. Freilich gab es die Bezeichnung Urlauber noch nicht, sie hießen Sommergäste oder Sommerfrischler. Die ersten kamen bereits um 1890. Es waren meist Lehrer oder Angestellte aus Dresden oder Freiberg, die es sich zeitlich und finanziell leisten konnten, der Stadt für zwei bis drei Wochen den Rücken zu kehren.

So hatte Bäckermeister Böhme gewiss genügend Kundschaft. Aber bereits 1903 wird mit dem 28jährigen Bäckermeister Otto Mädler ein neuer Besitzer genannt. Seine Ehefrau Clara bringt in den Jahren 1903 bis 1907 eine Tochter und zwei Söhne zur Welt. Die Bäckerei floriert, so dass Mädler 1911 zwei Seitengebäude anbaut. Somit wird auch Platz für Sommergäste geschaffen.

1925 beantragt Mädler den Ausschank von Kaffee, Tee, Kakao und alkoholfreien Getränken, die Verabfolgung von Speisen und Getränken wie auch den Handel mit Tabakwaren.

Weitere An- und Umbauten sind schließlich die Voraussetzung für das „Cafè Mädler“.

Eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1928 weist auf die neue Hetzdorfer Einkehrmöglichkeit hin.

Eine Übersicht aus dem Jahr 1932 zeigt, wieviel Betten in Hetzdorf und Herrndorf für die Urlauber zur Verfügung stehen. Mädlers sind mit 15 Betten dabei.

Einen Einblick über Namen, Berufe und Anzahl der Sommergäste und die jeweiligen Vermieter gibt uns ein Auszug aus den „Amtlichen Kurlisten“ (aus: „Rund um den Tharandter Wald“, Nr. 32 vom 11. August 1928). Demnach logierten am 8. August 1928 die hier genannten Personen in Hetzdorf:

Der Verkehrsverein „Tharandter Wald“ veröffentlichte im Jahr 1929 eine Broschüre, in welcher den Urlaubern wichtige Daten mitgeteilt wurden, zum Beispiel Verkehrsverbindungen, Wandervorschläge, Gasthäuser und Pensionen sowie Privatvermieter in den Orten im und um den Tharandter Wald. Die Übernachtung kostete damals pro Bett und Nacht zwischen 75 Pfennigen und 1,25 Reichsmark.

So präsentierte sich in dieser Veröffentlichung die Hetzdorfer und Herrndorfer Gastronomie:

Mädlers jüngster Sohn Helmuth legt 1936 seine Meisterprüfung als Bäcker ab und übernimmt am 28. Oktober 1937 den elterlichen Betrieb, wobei ihm seine Frau Ella zur Seite steht. 1940 wird Sohn Sigismund geboren.

Kriegsbedingt ebbt von 1939 bis 1945 der Urlauberstrom ab und nimmt erst in den 1950er Jahren wieder langsam zu. Die Bäckerei existiert weiter. Am 1. April 1955 öffnet das Café Mädler wieder seine Pforten. Außer den Einheimischen gehen wieder zahlreiche Urlauber hier ein und aus. Neben den typischen Bäckereierzeugnissen gibt es in der Weihnachtszeit etwas Besonderes: Zuckermännle:

Zuckermännle sind ein traditionelles vogtländisches Gebäck, das als Weihnachtsbaumschmuck dient und auch gegessen wird. Sie sind bekannt für ihren hohen Zuckeranteil und die einfache Zubereitung mit Mehl, Milch, Eiern, Zucker und Hirschhornsalz. Die „Hochburg“ der Herstellung ist in der Gegenwart Werda im Vogtland.

Die Mädlers arbeiten auch noch im Rentenalter, werden nun vom Sohn Sigismund unterstützt, der ebenfalls das Bäckerhandwerk erlernt und den Meisterbrief erworben hat.

Sigismund Mädler hielt auch den Bäckerladen offen, als ihn die Eltern altersbedingt nicht mehr unterstützen konnten. 1986 starb der Vater, 1987 die Mutter. Sigismund Mädler wurde nicht einmal 48 Jahre alt und wurde noch vor seiner Mutter beerdigt.

Die Gemeinde Hetzdorf erwarb das Mädlersche Anwesen. Nach 1990 zog hier nach Umbau die Gemeindeverwaltung ein. Nach dem Zusammenschluss Hetzdorfs mit Niederschöna 1994 erfolgte der Verkauf und die Umnutzung in Wohnraum.

Quellen:

Fotos: Ortsarchiv Niederschöna

Tauf-, Trau- und Totenbücher der Kirche Niederschöna,

Entwurf der Häuserchronik Hetzdorf (Zimmermann)

Internet: Regionales Sachsen: Werdaer Zuckermännle

Christine Zimmermann
Ortschronistin