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Halsbrücker Anzeiger
Ausgabe 5/2024
Kirchliche Nachrichten
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Über den Durst

"Selig sind, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden". Dieser Satz aus der Bibel macht uns die unmittelbare Verbindung zwischen Ernährung und Gerechtigkeit deutlich. Kaum ein anderer Lebensbereich zeigt so gnadenlos die Kluft zwischen arm und reich. In globaler Dimension ist dabei besonders erschreckend, wie starke Länder in Überfluss, Verschwendung und Übergewicht leben und trotzdem in großem Maßstab Lebensmittel aus Ländern mit Unterernährung und extremer Armut importieren.

Als Beispiel sei hier der Handel mit Orangensaft genannt, dessen Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland mit 7 l so hoch ist wie in keinem anderen Land. Etwa 90 % der europäischen Importe gelangen aus Brasilien hierher, welches wiederum 95 % seiner Erträge Richtung Norden exportiert. Diese Konzentration des Anbaus ist nicht nur durch die klimatischen Verhältnisse bedingt, sondern vor allem auch die Verfügbarkeit von billigen Arbeitskräften, insbesondere für die aufwändige Ernte. Der Lohnanteil für hierzulande verkauften Saft beträgt für die Feldarbeiter nur 4-7 %, was einem Monatslohn von ca. 250 € entspricht. Dabei ist in der Regel von einer 7-Tage-Woche auszugehen. Mitunter kommt es gar zu sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen. Die damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken werden noch durch den enormen Pestizideinsatz erhöht. So kommt es in den Plantagen jährlich zu über 3000 Vergiftungen, davon 148 durchschnittlich mit Todesfolge. Dabei ist ca. ein Drittel der verwendeten Chemikalien in der EU verboten. Grenzwerte liegen um ein Vielfaches höher als in Europa. Das beeinträchtigt nicht nur die Arbeiter, sondern auch die umgebende Bevölkerung. Aber auch in Südeuropa ist der industrielle Anbau von sogenannten Südfrüchten ein Problem für Mensch und Umwelt.

Als Verbraucher haben wir zumindest die Möglichkeit uns an Siegeln wie "Bio", "fairtrade", oder "gepa" zu orientieren, bzw. vertrauenswürdige Direktvermarktung zu suchen. Oder man versucht es einfach mit weniger Konsum und lässt sich vom Genuss der Gerechtigkeit verwöhnen.

Quelle und weitere Informationen: ci-romero.de/kritischer-konsum/produkte/orangensaft

Friedemann Lemke