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Der Holzhausener - Informationsblatt
Ausgabe 8/2023
Kulturgeschehen
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Leseempfehlungen

Die Bibliothek in Holzhausen birgt ein großes Angebot an interessanter Literatur. Vier Bücher aus dem Angebot möchte ich Ihnen heute für die Lektüre empfehlen:

Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall

Diogenes Verlag, 2019, 288 Seiten

Die Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien ist im Vogtland aufgewachsen und hat mittlerweile drei Romane und einen Kurzgeschichtenband veröffentlicht.

Ihr 2011 veröffentlichter erster Roman „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ wurde bereits in 14 Sprachen übersetzt und im letzten Jahr verfilmt.

Mit großem Einfühlungsvermögen und genauem Blick schildert die Autorin in „Die Liebe im Ernstfall“ das Leben von fünf Frauen, alle um die Vierzig. Sie wuchsen in der DDR auf und der Wechsel der politischen Verhältnisse bringt für sie neue Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Allerdings hat jede Entscheidung Folgen und es ist nicht leicht, eine Wahl zu treffen. Das Buch begleitet Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde in ihrer Suche nach dem für sie richtigen Lebensweg: für bzw. gegen Bindung oder Unabhängigkeit, Karriere, Familie, Kinder, Beruf, Selbstverwirklichung. Egal, wie sie sich entscheiden, sie kommen nicht ohne Schuldgefühle davon. Alle fünf kennen sich, auf irgendeine Weise berühren sich ihre Lebenslinien, manchmal überraschend.

Kriens Roman lässt sich trotz der manchmal schwierigen Themen leicht und unterhaltsam lesen, ihre Sprache ist dabei sehr präzise. Die Geschichten um die einzelnen Frauen klingen noch lange nach.

Christian Berkel: Ada

Ullstein Verlag, 2020, 400 Seiten

Christian Berkel ist vielen sicher als Schauspieler in deutschen und internationalen Filmen bekannt. Seit der Veröffentlichung seines ersten Buches „Der Apfelbaum“ ist er ebenfalls ein erfolgreicher Schriftsteller. Ungewöhnlich ist, dass er in seinem zweiten Roman das Geschehen aus Sicht von Ada, der weiblichen Hauptfigur, erzählt. Beide Romane haben autobiografische Elemente.

„Ada“ setzt 1954 ein, als die Jüdin Sala aus Argentinien, wohin sie mit ihrer Tochter Ada ausgewandert war, nach Deutschland zurückkehrt. In Berlin findet sie Adas Vater Otto wieder. Das Mädchen - schon neun Jahre alt - lernt nun endlich ihren Vater kennen. Aber kann sie das wirklich? Wie gerne würde Ada mehr über ihre Eltern und über die Kriegszeit, die gerade vergangen ist und so vieles durcheinander gebracht hat, erfahren. Aber sie trifft auf Schweigen, Traumata, emotionale Störungen - und das nicht nur in ihrer Familie, sondern überall. Eine ganze Generation wächst damit auf und kämpft zunehmend dagegen an, dass es nach Nationalsozialismus und Krieg keine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte gibt: mit langen Haaren, Randale bis hin zu den 1968er Studentenprotesten - Konflikte sind vorprogrammiert.

Berkel lässt uns an Adas Erwachsenwerden und ihrem Ausbrechen aus den genormten Lebensverhältnissen teilnehmen und bringt dies in Bezug zur Zeitgeschichte. Er nutzt dafür als Rahmenhandlung die Besuche Adas bei einem Psychologen, mit dem sie versucht, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Manchmal lässt sich das Zeitgeschehen besser verstehen, wenn es in den Zusammenhang mit Lebensgeschichten gebracht wird - dies ist so ein Fall.

Alina Bronsky: Der Zopf meiner Großmutter

Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2019, 214 Seiten

Der Autorin ist wieder eine wilde, unglaubliche Familiengeschichte gelungen. Maxims Großmutter Margarita, vor Jahrzehnten einmal eine gefeierte Tänzerin, ist mit ihm und dem Großvater als Kontingentflüchtling aus Russland gekommen und regiert in Familie und Wohnheim auf ihre hart-herzliche Art und Weise. Es sind teilweise haarsträubende, lustige, aber auch traurige Szenen, die sich abspielen. Maxim, aus dessen Sicht das Geschehen erzählt wird, versucht, durch den Wahnsinn der Erwachsenenwelt zu navigieren. Großmutter Margo, deren roter Zopf ihr Markenzeichen ist, wettert gegen alles und jeden: Deutschland im Allgemeinen, Süßigkeiten, Nachbarn, Religionen, das Schulsystem … - und beschützt ihren mutterlosen Enkel nachdrücklich vor der vermeintlich schädlichen Welt, sodass er fast daran erstickt. Sie ist so damit beschäftigt, dass sie als Letzte mitbekommt, dass ihr Mann sich verliebt hat. Doch das ist ungewöhnlicherweise nicht das Ende, sondern der Anfang einer interessanten Patchwork-Konstellation und neuer Entwicklungen, an denen uns Maxim teilhaben lässt. Ein absurdes, aber auch heiteres Buch, das man gerne liest.

Lukas Rietzschel: Raumfahrer

dtv, 2021, 288 Seiten

„Raumfahrer“ ist Lukas Rietzschels zweiter Roman. Der Autor wurde 1994 in der Lausitz geboren und lebt in Görlitz, er ist ein viel beachteter Schriftsteller seiner Generation.

In diesem Buch verknüpft er die fiktive Geschichte des Krankenpflegers Jan und dessen Familie mit der des realen Künstlers Georg Baselitz. Dieser, geboren in Deutschbaselitz, ist Lausitzer, wie auch Jan.

Rietzschel erzählt schonungslos, aber mit Empathie. Er benutzt dabei parallel verschiedene Zeitebenen. Ort des Geschehens in Vergangenheit und Gegenwart ist Kamenz. Hier erlebt Jan den „Rückbau“ mit, sieht, wie viele Menschen mit den Veränderungen nach 1989 nicht klarkommen. Jan weiß allerdings zu wenig darüber, denn er ist selbst erst im Wendejahr geboren. Und er weiß auch zu wenig über seine eigene Familie. Warum ließen sich die Eltern scheiden, wieso geriet seine Mutter in die Alkoholabhängigkeit und weshalb kann er mit seinem Vater über all das nicht reden? Zunächst begegnet ihm aber ein seltsamer Alter, der vorgibt, der Neffe des Malers Baselitz zu sein, übergibt ihm einen Karton mit Unterlagen und behauptet, dass ihre Familien etwas verbinde. Jan beginnt zu recherchieren und findet Wahrheiten, die er vielleicht lieber nicht hätte wissen wollen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

H. Haupt