Zusammen mit ihrer Freundin Kerstin Kröckel ist Anja Roocke im Sommer durch Kirchberg gepilgert (Bild mitte). Die beiden haben eine Stempelstelle vermisst. Anja Roocke nahm sich der Sache an und stellte einige Wochen später mit Silke Riedel, die in Bad Schlema eine Stempelstelle hat, und Erhard Kühnel, Mitinitiator des Jakobweges, den Kirchberger Pilgerstempel offiziell vor.
Zum diesjährigen Altstadtfest ist der Kirchberger Pilgerstempel offiziell vorgestellt worden. Doch wie kam es eigentlich dazu und warum hat Initiatorin Anja Roocke ausgerechnet zwei Hasen als Motiv gewählt? Hier die Antworten.
„Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt“ – Alte Weisheit
Anja Roocke ist meistens im Laufschritt unterwegs. Denn neben ihrem Job hat sie zahlreiche andere Projekte gleichzeitig am Start. Und da ihr Kopf keine Ruhe gibt, kommen auch immer wieder neue Ideen und Pläne dazu. „Ich brauche das, aber es kostet natürlich auch Energie“, gibt die 50-Jährige zu. Und genau dieser Umstand hat sie im vergangenen Jahr zum Pilgern gebracht. „Meine Freundin Kerstin hat mich gefragt, ob sie einen Vortrag über den Jakobsweg in meiner Kulturinsel halten darf. Ich fühlte mich zu der Zeit etwas ausgelaugt und sagte spontan: Pilgern, das würde mir auch mal gut tun. Einfach wieder zu mir selbst finden und Kraft tanken. Denn das bleibt im ganzen Trubel oft auf der Strecke.“ Wenige Wochen später steckte Anja Roocke in ihren Wanderschuhen und war bereit. „Kerstin und ich hatten zuvor überlegt, ob wir uns tatsächlich gemeinsam auf den Weg machen sollten. Denn Pilgern ist etwas Individuelles. Jeder hat sein Tempo, seine Balance, seinen Rhythmus. Will ich schweigen oder lieber reden? Noch etwas weiter laufen oder pausieren? Alles muss passen. Bei uns hat es gepasst“, sagt sie. Und so ging es zusammen los. Doch wer jetzt gleich an Santiago de Compostela, dem Ziel aller Pilgerwege, denkt, hat weit gefehlt. Anja Roocke: „Der Jakobsweg beginnt für jeden Pilger vor der eigenen Haustüre mit dem Entschluss und dem ersten Schritt. Das Witzige ist, dass der Jakobsweg tatsächlich fast vor meiner Haustüre in Kirchberg entlang führt. Unser Startpunkt im vergangenen Jahr war aber dann Kadaň in der Tschechei. Von dort aus waren wir auf dem sogenannten ErzCamino bis Bad Schlema unterwegs. In diesem Jahr sind wir in Bad Schlema wieder eingestiegen und den Jakobsweg ‚Silberberg‘ über Kirchberg bis Hof gepilgert.“
Dass der Jakobsweg durch Kirchberg führt, ist nur wenig bekannt. Am Filzteich in Schneeberg teilt sich die Strecke: Eine führt über Hundshübel und Rodewisch nach Eich. Die andere wurde 2014 von den Kirchberger Natur- und Heimatfreunden, Wolfgang Prehl und Heiko Goldberg, ausgeschildert. Sie führt über den Hohen Forst nach Kirchberg und weiter nach Hirschfeld. Die Schilder mit der Muschel auf blauem Grund weisen die Richtung. „Eine Münze hat am Filzteich entschieden, dass wir den Weg durch Kirchberg nehmen sollen und ich habe mich total darüber gefreut, nun als Pilgerin meine Heimatstadt zu durchqueren. Doch was wir beide in unserer schönen Stadt vermisst hatten, war ein Pilgerstempel. Denn als Pilger muss man nachweisen, dass man den Weg auch tatsächlich gegangen ist. Das tut man mit seinem Pilgerausweis und den darin enthaltenen Stempeln“, erklärt sie. Und so entstand die Idee des Kirchberger Pilgerstempels, der zum Altstadtfest vorgestellt wurde und der nun an der St. Margarethenkirche zu finden ist. „Wir haben in unserem Pilgerausweis extra eine Stelle freigelassen“, sagt Anja Roocke. Auf dem Stempel hat sie symbolisch zwei ihrer Leidenschaften miteinander vereint: Zu sehen sind zwei wandernde Hasen, gestaltet von der Werbeagentur Simone Drese. Das Motiv spielt neben dem Pilgern auch auf die Häschenschule an, die Albert Sixtus während seiner Lehrertätigkeit in Kirchberg geschrieben hat. „Mir war wichtig, dass der Stempel eine Geschichte erzählt, die mit Kirchberg zu tun hat“, so Anja Roocke, die vor einiger Zeit das Sixtus-Archiv nach Kirchberg geholt hat. Denn genau das macht das Pilgern besonders: Die Geschichten, die man hört und die Menschen, die man trifft. In Bad Schlema erfuhren sie an einer Stempelstelle von der Geschichte des guten Wassers und erhielten eine Kostprobe. In Triebel musizierten sie mit einem Mann, der an Kehlkopfkrebs erkrankt war und nicht mehr viel reden konnte. In Lengenfeld erhielten sie eine spontane Kirchenführung, bei der plötzlich Bach erklang, weil der Kantor gern noch etwas proben wollte. „Die Pilgerreise hat uns so viel gegeben. Uns ist so viel Gutes widerfahren. Und ich hab oft gedacht: So viele Zufälle kann es doch nicht geben“, resümiert Anja Roocke. Ihre Freundin Kerstin glaubt allerdings nicht an Zufälle. „Kerstin sagt immer: Es fällt zu, was fällig ist.“ Nächstes Jahr ist für die beiden Freundinnen zumindest wieder eine Pilgerreise fällig und damit die nächsten 100 Kilometer, die sie ein Stück näher ans Ziel, Santiago de Compostela, führen. Bis dahin hat Anja Roocke noch einiges vor. „Mir sind auf unserer Reise neue Ideen gekommen. Und ich hoffe, dass ich die ein oder andere umsetzen kann“, so die Kirchbergerin.
Wer nun neugierig geworden ist, kann am 21. November in die Kirchberger Kulturinsel kommen. Dort werden Anja Roocke und Kerstin Kröckel ab 19.30 Uhr von ihrer Pilgerreise berichten. Pilgerpass, Pilgermuschel, Wanderführer, eine Übersicht zu Pilgerunterkünften (in Kirchberg gibt es zwei!) und viele weitere Informationen sind zudem auf der Webseite www.saechsischer-jakobsweg.de zu finden. Alles andere kommt von jedem selbst - mit dem Entschluss zu pilgern und dem ersten Schritt.