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Kirchberger Nachrichten
Ausgabe 2/2024
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Bürgermeisterin holt Landwirte an den runden Tisch

Bürgermeisterin Dorothee Obst im Gespräch mit Tobias Schossow und Lucas Rudolph.

In den vergangenen Tagen haben die Bauernproteste und eine Resolution vom Verein "Land schafft Verbindung" für Aufregung gesorgt. "Dabei ist angemeldeter Protest ein Grundrecht, das Abladen von Mist, egal ob im öffentlichen oder privaten Bereich ein Vergehen, welches ich auf das Schärfste verurteile" sagt Dorothee Obst.

Als Bürgermeisterin der Stadt Kirchberg habe sie zur Resolution eine klare Rechtsposition. "Eine Unterschrift meinerseits würde das Ergreifen einer Partei bedeuten, da ich aber zur Neutralität verpflichtet bin, ist dies für mich ausgeschlossen".

Dorothee Obst sieht ihre Aufgabe aber darin, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen oder Ansinnen zusammenzubringen und Lösungen zu erarbeiten, die das Miteinander stärken. "Zuhören und Verstehen sind dabei wichtige Begleiter und so nehme ich die Sorgen und Nöte nicht nur der Bauern, sondern der Unternehmer, Vereine und Menschen in unserer Stadt und im Landkreis Zwickau sehr ernst. Ob bei Bürgersprechstunden, bei den Sitzungen des Bundes der Selbstständigen, bei Unternehmergesprächen oder bei Jahreshauptversammlungen von Vereinen, überall höre ich, dass die aktuelle Situation sehr herausfordernd ist, aber ein Gespräch und gemeinsames lösungsorientiertes Arbeiten helfen. Viele Probleme sind hausgemacht und nicht erst in den letzten zwei Jahren entstanden", so die Stadtchefin.

Aus diesem Grunde sprach sie am 8. Februar mit den Landwirten Tobias Schossow, Geschäftsführer der Landhof Hartmannsdorf eG, und Lucas Rudolph, Inhaber der LaFo GbR Rudolph. Vor allem beim Thema Bürokratie konnten die beiden Landwirte einige Beispiele nennen, die die Bauern enorm belasten.

„Ohne Subventionen geht es leider nicht. Das haben wir mehrfach durchgerechnet. Aber um diese Subventionen zu erhalten, ist eine Dokumentationspflicht nötig, die den Rahmen sprengt“, erzählt Tobias Schossow. Dabei werde jede Kleinigkeit abgefragt. „Es geht längst nicht mehr nur darum, was wir auf wie viel Hektar anbauen und welchen Ertrag wir haben. Nein, es geht darum, welche Maschinen selbst bei vorbereitenden Arbeiten wann genau auf dem Feld sind, wie tief sie in den Boden reingehen, wie genau der Boden beschaffen ist, welches Saatgut mit welcher Beizung genutzt wird. Dazu kommen Stoffstrombilanzen, Nährstoffbilanzen und Düngebedarfsermittlungen. Und das alles einzeln aufgeschlüsselt für unsere 270 Schläge*. Es ist einfach enorm, was wir permanent vorhalten müssen.“

Hier gilt es zu vereinfachen, beispielweise mit einer Zertifizierung, wie Dorothee Obst vorschlägt. Auf diese Weise hätte man für eine gewisse Zeit, je nachdem wie lang so ein Zertifikat Bestand hat, Ruhe und muss sich erst danach wieder um eine Re-Zertifizierung kümmern. „Es geht um weniger Regulierung und um mehr Vertrauen in die Betriebe. Dazu muss man einfach auch mal den gesunden Menschenverstand einschalten, statt immer noch eins drauf zu setzen“, sagt sie. EU-Verordnungen einzuhalten, ist das eine. Aber sie habe mittlerweile von vielen Seiten gehört, dass Deutschland oder der Freistaat dann selbst noch diese EU-Verordnungen verschärfen. „Da hätte ich schon gern mal eine Übersicht, wie die Bauern in Deutschland und speziell in Sachsen dann zusätzlich mit Regeln belastet werden, die noch auf die EU-Regeln draufgesetzt werden“, sagt sie und hofft auf eine Zuarbeit des Bauernverbandes. „Da genau könne man ansetzen", betont Tobias Schossow. „Unsere Landwirtschaft muss konkurrenzfähig sein, wenn wir weiterhin regionale Produkte anbieten wollen". Und Lucas Rudolph ergänzt: "Es gibt doch nichts Besseres, als die eigenen Produkte anzubieten, das ist nachhaltig."

Angesprochen wurde von Tobias Schossow und Lucas Rudolph auch die Junglandwirteeinkommensstützung, ein Programm, das sächsische Landwirte eigentlich bei der Neugründung und der Übernahme bestehender landwirtschaftlicher Unternehmen unterstützen soll. „Die Auflagen sind so hoch, dass es nahezu ausgeschlossen ist, so eine Förderung zu bekommen“, erklärt Lucas Rudolph. „Zudem sind die Förderrichtlinien extrem komplex. Wir mussten ein Unternehmen damit beauftragen, den Fördermittelantrag zu bearbeiten und sind am Ende trotzdem abgewiesen worden. Das kann doch nicht Sinn und Zweck der Sache sein“, moniert Tobias Schossow.

Ein weiterer Kritikpunkt sind beispielsweise Subventionen, die die Bauern nur erhalten, wenn sie vier Prozent ihrer Flächen nicht bewirtschaften. „Ein Irrsinn“, sind sich beide einig. Damit soll die Bodengesundheit, die biologische Vielfalt und der Artenschutz gefördert werden. „Aber der Großteil der Bauern setzt sich ohnehin für all das ein. Wir bauen Zwischenfrüchte mit Leguminosen an, arbeiten eng mit den Imkern vor Ort zusammen und bewirtschaften unsere Felder so, dass sie auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen. Das ist für uns selbstverständlich“, sagt Tobias Schossow.

Die Beiden bemerken aber auch ein wachsendes Unverständnis in der Bevölkerung. „Hier wollen und müssen wir Landwirte auch ganz konkret etwas tun. Denn das Wichtigste ist doch, die Menschen vor Ort mitzunehmen, sie aufzuklären, ihnen zu erklären, wie wir arbeiten und produzieren. Es geht schließlich um das, was täglich bei uns allen auf den Tisch kommt. Wir brauchen dazu das Verständnis, dass auch mal Dreck auf den Straßen liegt, Gülle auf den Feldern ausgebracht werden muss oder Lärm wegen der Ernte an lauen Sommerabenden verursacht wird“, so Lucas Rudolph.

Doch mehr und mehr sinkt die Toleranzgrenze. Schnell wird die Polizei gerufen, Beleidigungen und selbst Handgreiflichkeiten sind keine Ausnahme mehr.

Wichtig ist den beiden deshalb, immer wieder den Dialog zu suchen, nicht nur mit der Bürgermeisterin, sondern mit der Bevölkerung. „Wir könnten beispielsweise in die Schulen gehen, um unser Wissen zu vermitteln und aufzuklären“, sagt Lucas Rudolph. Auch gemeinsame Projekte über die Bibliothek im Meisterhaus sind denkbar. Um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, könnten die Feste in Kirchberg genutzt werden. Und für die Nachwuchssuche bietet sich die Kirchberger Berufsmesse an, die in diesem Jahr voraussichtlich am 13. September in der Städtischen Sport- und Mehrzweckhalle nahe des Christoph-Graupner-Gymnasiums stattfindet – um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen.

Nun gilt es in die Spur zu gehen. „Es gibt einige Dinge, die ich direkt angehen kann, andere brauchen Zeit und müssen den richtigen Adressaten als Aufgabe auf den Weg gegeben werden“, sagt Kirchbergs Stadtchefin. „Wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben und solche Runden wie diese hier regelmäßig wiederholen.“ Ein Vorschlag, der auch bei den beiden Landwirten auf Zustimmung stößt.

*Ein Schlag ist eine zusammenhängende Fläche eines Bewirtschafters, die grundsätzlich einheitlich mit einer Kultur bebaut wird und von einer antragstellenden Person beantragt wird.

Katrin Uhlig,
Öffentlichkeitsarbeit