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Königswartha aktuell - Amtsblatt der Gemeinde Königswartha
Ausgabe 9/2024
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Königswarthaer Geschichtsverein RAK e.V.

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

nachstehende Geschichte, die auf Tatsachen beruht (unserem Verein liegen sogar Abschriften der Original-Schreiben von Paul Wirth vor), stammt aus der Feder von Manfred Ladusch - 1996 im Oberlausitzer Hausbuch (Lusatia Verlag) erschienen -; ich habe den Beitrag für Sie abgeschrieben; er erscheint in zwei Teilen.

Aber, für den Fall, dass Sie noch nie von Herrn Ladusch gehört oder gelesen haben, gibt Ihnen nachstehender Auszug aus der SZ, aus dem Jahr 2015, Auskunft:

SZ – „Bautzen. Geht man durch die Bautzener Altstadt und fragt Bürger nach dem Namen Ladusch, bekommt man meist gleiche Antworten. Autor, Referent, Kulturhistoriker oder Journalist der Sorben. Seit über 50 Jahren ist der gebürtige Hermsdorfer nun schon mit Zettel und Stift unterwegs. „Weniger telefonieren, lieber dabei sein, wenn sich die Sorben treffen.“ Das sind die Worte, die sich der Vollblutjournalist Manfred Ladusch zu seinem Lebenszitat machte. Immer dann, wenn es etwas im sorbischen Volke zu berichten gibt, ist er da. Dafür erhielt er am Sonnabend den Cisinski-Preis 2015 für sein Lebenswerk. …“ (Jonny Linke)

Sein Wunschtraum: Flussregulierung

„Kanalbauer-Wirth“

bombardierte auch Nazi-Größen mit verwegenen Forderungen

Zu den originellsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts unserer Oberlausitzer Heimat, dessen Versammlungen in den zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre von jung und alt sehr gern zahlreich besucht waren, gehörte der “Kanalbauer-Wirth“ 1). Wenn er auf dem Saal erschien und seine Pläne zur Kanalisierung der heimatlichen Flußläufe erläuterte, begrüßten ihn die Zuhörer begeistert mit “Kanal voll!“. Dieser Ruf dröhnte in der Spielzeit 1994/95 auch auf der Bühne des Bautzener Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, als die Tragigroteske “Die wendische Schiffahrt“ des sorbischen Schriftstellers Kito Lorenc fünf Stunden lang die Zuschauer in ihren Bann zog. Mit seinem Haupthelden, dem Erfinder Alfons Bauer, hat der Autor dem 1878 in Wartha bei Groß Särchen geborenen “Kanalbauer-Wirth“ ein gelungenes literarisch-dramatisches Denkmal gesetzt. Alfons Bauers Abenteuer endete mit der falschen Bautzener Tausendjahrfeier 2), aus dessen von SA-Marschmusik begleiteten großen Festumzug der Held mit seinem selbstgebauten Kahn mit Rädern ausschert. In Wirklichkeit jedoch schritt der Sorbe Paul Wirth im zweimal durchgeführten großen historischen Festumzug brav mit durch die Straßen der Spreestadt. Zwischen zwei sechsspännig bespannten Festwagen, der erste mit großen Bierfässern der 1847 gegründeten Bautzener Brauerei und der folgende mit den Produkten der Vereinigten Tuchfabriken, zog er seinen Wagenkahn. Er selbst trug einen abgetragenen, mit vielen bunten Orden und farbigen Bändern geschmückten schwarzen Gehrock und einen großen gelben Strohhut. Auf seinem Kahn auf Rädern führte er auch Hacke, Spaten, Schaufeln und andere Geräte für Kanalisationsarbeiten mit sowie ein Ofenrohr mit bunten Wimpelketten, das die Esse eines Lausitzer Flußdampfers symbolisieren sollte. An den Kahnwagen war ein weiteres rollendes Gefährt mit grauen Wänden aus Pappmaché angehangen. Es wurde von einem Transparent überspannt mit der Aufschrift “Patentierter fahrbarer Schützengraben“. Die von Paul Wirth verfaßte “Hymne zur Tausendjahrfeier Bautzens“ wurde dabei an die Zuschauer verkauft. Ihre begeisterten “Kanal voll!“-Rufe begleiteten den letzten großen öffentlichen Auftritt des Kanalbauers, der huldvoll winkend und grüßend durch die Bautzener Straßen schritt.

Die Nazis verboten ihm bald darauf seine Kanalversammlungen, denn den Ruf “Kanal voll!“ bezogen die neuen Machthaber auf sich. In die “hohe Politik“ einzusteigen hatte Wirth schon am Ende der Weimarer Republik versucht.

Er gründete dazu die “Partei der Volksschulgebildeten Staatsbürger Deutschlands“ und legte auch einen von Hunderten Unterschriften beglaubigten Antrag für seine Reichstagswahlkandidatur vor. Von seinem populistischen Wahlprogramm erhoffte er sich viele Wählerstimmen, denn die meisten Leute hatten damals nur einen Volksschulabschluß. Ihnen versprach er ein Gesetz, wonach sie bereits mit 50 Jahren in Rente gehen könnten und zugleich eine Pension erhalten würden, die der eines Beamten entsprach. Ein Formfehler verhinderte jedoch die Kandidatur des Kanalbauers. Die Machthaber des Dritten Reiches aber hatten keineswegs Ruhe vor dem ideenreichen Querkopf. Wie schon zur Kaiserzeit und in der Republik kämpfte er weiter mit einer Flut von Anträgen und Eingaben gegen die von ihm gehaßte deutsche Staatsbürokratie, die immer wieder seine Pläne abschmetterte. Der Bautzener Amtshauptmann Dr. Sievert teilte so Wirth am 13. Mai 1935 mit, daß sein Verbot der Kanalbauversammlungen vom 27. Oktober 1930 weiterhin besteht. Darin inbegriffen sei auch das Absingen der Kanallieder – derer gab es etwa zehn –, wie dies am 3. Mai 1935 im “Erbgericht“ in Callenberg geschehen. In den Jahren 1935 bis 1937 beschwerte sich Wirth wiederholt beim “Führer“ sowie beim sächsischen Gauleiter Martin Mutschmann. Diesem hatte der Kanalbauer bereits 1934 seine Pläne in Dresden überreicht. Um den Antragsteller lozuwerden, machte der Gauleiter positive Zusagen. Der aktuelle Anlaß zur Beschwerde war die Melioration der Wiesen am Schwarzwasser und die Regulierung des Flußlaufes durch die Neschwitzer Gutsherrschaft. Diese erfolgte nicht entsprechend den Plänen des Kanalbauers, der sich darüber erbost um Hilfe nach Berlin wandte. In einem Schreiben vom 14. November 1935 – “in dem Postamt in Bautzen als Einschreiben zur Post gegeben Paul Wirth“ steht über der Abschrift des eng maschinenbeschriebenen Briefes – lesen wir u.a.:

Paul Wirth wollte also nicht allein seinen “Schwarzwasser-Plan“ durchsetzen, den er dem Zeitgeist entsprechend zusätzlich noch um einen Übungsplatz für einen Marinesturm der SA ergänzt hatte, sondern auch zugleich die Bauleitung übernehmen. Falls er beim “Führer“ keinen Erfolg mit seiner Klage haben sollte, fügte er seinem Schreiben gleich noch einen zweiten Antrag “An den hohen Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in Leipzig“ hinzu. Die Reichskanzlei sandte das Schreiben Wirths zur weiteren Bearbeitung zurück an die NSDAP-Kreisleitung Bautzen.

Diese war dem Neschwitzer Gutsbesitzer Freiherr von Vietinghoff-Riesch nicht gut gesonnen und forderte von seinem Rentamt eine Stellungnahme. Als der Freiherr den Kanalbauer am Neschwitzer Sägewerk begegnete, drohte er ihm und bluffte, daß er jetzt möglicherweise wegen seiner Beschwerde ins Gefängnis müsse. … Manfred Ladusch

1) Siehe auch “Als noch der Kanalbauer-Wirth durch die Lausitz zog“ im Oberlausitzer Hausbuch 1994

2) “Tausendjahrfeier ohne historische Grundlage“; Oberlausitzer Hausbuch 1992

ENDE Teil 1 – der 2. Teil erscheint in der September-Ausgabe

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Wer von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die SZ im Abo hat, der hat sicher auch den Artikel vom 26.06.2024 gelesen: “Wasser aus der Elbe soll den Spreewald retten? Sachsens Umweltminister ist skeptisch“

Eine Frage: Hat da vielleicht jemand die alten Pläne vom “Kanalbauer-Wirth“ gefunden?

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Was sonst noch geschah:

- Einweihung des sächsisch-preußischen Grenzsteines 111 im OT Wartha am 25.07.2024 -

- Eröffnung der Ausstellung „Königswartha vor 100 Jahren“

am 25.07.2024 –

Wir haben uns über die zahlreichen Besucher sehr gefreut!

Unsere Ausstellungen

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Heimatstube + Ausstellung „Königswartha vor 100 Jahren“

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Öl-Malerei von Jürgen Altenburger

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Sächsisch-preußische Grenzsteine um 1815 – digitalisiert –

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Königswartha um 1900

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Historische Kinoplakate

im Vereinshaus, Gutsstraße 4 c, öffnen wir nach vorheriger Anfrage (Mindestanzahl 5 Personen) sehr gerne für Sie.

Telefon 035931-20812 oder per E-Mail: geschichtsverein-rak@online.de

- Fotos von Königswartha um 1950 sind im Foyer des Hotels Heidehof, Hermsdorfer Straße, zu besichtigen.

Auf unserer Homepage www.geschichtsverein-rak.de finden Sie weitere Informationen zu unserer Vereinstätigkeit und Aktuelles auf unserer Facebook-Seite Königswarthaer Geschichtsverein RAK e.V.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für eine angenehme und friedliche Sommerzeit

Annemarie Rentsch - Vors. KGV RAK e.V.