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Amtsblatt der Stadt Köthen (Anhalt) – Bürgerzeitung mit amtlichen Bekanntmachungen
Ausgabe 8/2025
Nichtamtlicher Teil
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35 Jahre gemeinsame Erinnerungen, Erlebnisse und Errungenschaften

Rainer Elze, Oberbürgermeister a.D. der Stadt Köthen (Anhalt)

Dr. Siegfried Honert, Stadtdirektor a.D. der Stadt Langenfeld

Ulrich Mädge, Oberbürgermeister a.D. der Hansestadt Lüneburg. Foto: privat

Anlässlich des Jubiläums der über drei Jahrzehnte bestehenden Städtefreundschaft zwischen Köthen (Anhalt), Lüneburg und Langenfeld, blicken die damals Verantwortlichen zurück. Ein Gespräch mit dem Köthener Oberbürgermeister a.D. Rainer Elze, dem Stadtdirektor a.D. von Langenfeld, Dr. Siegfried Honert, und dem Oberbürgermeister a.D. der Hansestadt Lüneburg, Ulrich Mädge:

Welche Bedeutung/welchen Wert haben Städtepartnerschaften und -freundschaften aus Ihrer Sicht?

Rainer Elze (RE): Ab 1990 wurden die Städtepartnerschaften mit Wattrelos in Frankreich und Siemianowice in Polen auf ganz vielen Ebenen ausgebaut, damit das gegenseitige Kennenlernen unserer Nachbarn möglich wurde. Gerade in der heutigen Zeit mit neu aufkeimendem Nationalismus sind solcher Art Partnerschaften eine ganz wichtige Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in Europa.

Die Städtefreundschaften mit Lüneburg und Langenfeld waren eine wesentliche Voraussetzung für den schnellen Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung in Köthen (Anhalt). Dies erfolgte durch einen zahlenmäßig enormen Einsatz von Fachpersonal hier vor Ort und auch materielle Unterstützung.

Parallel dazu wurden Kontakte in allen Bereichen des öffentlichen Lebens unterstützt und gefördert, so dass es eine sehr große Anzahl, insbesondere von Vereinen im Kultur- und Sportbereich gab, die wechselseitige Besuche ermöglichten. Auch wenn hier aktuell die Aktivitäten stark zurückgegangen sind, halte ich solche Kontakte nach wie vor für wichtig, um die wechselseitigen Vorbehalte zwischen West und Ost abzubauen.

Dr. Siegfried Honert (SH): Meist entwickeln sich Städtefreundschaften oder -partnerschaften aus einem konkreten Anlass, seien es persönliche Kontakte, politischer Wille oder andere Umstände. Wichtig ist jedoch, was aus so einer anfänglichen Beziehung entsteht. Städtefreundschaften basieren auf dem Austausch untereinander und auf dem gegenseitigen Willen, diesen aufrecht zu erhalten und mit Leben zu füllen. Dann ist es ein Gewinn für beide Seiten.

Ulrich Mädge (UM): Städtepartnerschaften und Städtefreundschaften sind vor allem an die Bürgerinnen und Bürger der Partnerstädte gerichtet. Sie dienen dem Austausch auf Seiten der Vereine in Sport und Kultur, der Räte und am Ende auch der Verwaltungen. Das bedeutet auch, nur wenn es aktive Beteiligung der Bürgerschaft an und bei den Begegnungen gibt, entsteht ein Mehrwert und Verständnis für den Anderen. Besondere Partnerschaften sind natürlich die mit Städten in den Ländern, die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland überfallen bzw. besetzt wurden.

So hat Lüneburg früh mit Clamart (Frankreich 1975), Scounthorpe (GB) und später mit Viborg (Dänemark 1992) und Tartu (Estland 1992) Partnerschaften vereinbart. Dazu kamen auch Ivrea (Italien), Naruto (Japan) und Kulmbach (Deutschland).

Wie kam die Städtefreundschaft 1990 mit Langenfeld und Lüneburg zu Stande?

RE: Bereits unmittelbar nach der Wende gab es erste Kontakte aus Lüneburg, insbesondere auch auf die gemeinsame Geschichte mit Johann Sebastian Bach bezogen.

Langenfeld wollte beim Aufbau im Osten helfen, und über den Kontakt ehemaliger Köthener Bewohner kam es zu dem glücklichen Umstand, dass Köthen (Anhalt) Hilfe aus zwei kompetenten und leistungsstarken Städten erhielt.

SH: Entstanden ist der damalige Kontakt über eine Dame, die ursprünglich aus Köthen (Anhalt) stammte und die Idee zum gemeinsamen Austausch hatte. Es bestand damals auch verwaltungsseitig der Wille und die Idee, man könne als Stadt etwas tun, um den Kommunen in den neuen Bundesländern in Zeiten des Umbruchs zur Seite zu stehen. So ergab sich zunächst ein persönlicher Austausch zwischen den Spitzen der Verwaltung aus Langenfeld und Köthen (Anhalt), es folgten gegenseitige Besuche und schließlich weitete sich die Verbindung immer mehr über persönliche Kontakte aus. Mit der Zeit sind die Kontakte über eine reine Arbeitsbeziehung hinaus gegangen und ich persönlich bin immer sehr gern nach Köthen (Anhalt) gefahren. Wir wurden dort stets herzlich empfangen und aufgenommen und es entstand schnell das Gefühl, dass wir gemeinsam etwas bewegen könnten. Dazu muss man sagen, dass unsere Landesregierung eigentlich eine Kooperation mit Brandenburg vorgesehen hatte. Letztlich haben wir uns aber – weil die Kontakte bereits bestanden – durchgesetzt und die Städtefreundschaft mit Köthen (Anhalt) in Sachsen-Anhalt fixiert.

UM: Bereits in den 1980er Jahren haben Städte aus der Bundesrepublik versucht Städtepartnerschaften mit Städten in der damaligen DDR abzuschließen. Wandel durch Annäherung - Das war der Leitsatz der Ostpolitik von Willy Brandt. Aus der Lüneburger Bürgerschaft kam damals der Vorschlag, mit Köthen (Anhalt) Kontakt aufzunehmen. Darunter befanden sich auch ehemalige Köthener Bürgerinnen und Bürger. Die gemeinsame Verbindung zwischen Köthen (Anhalt) und Lüneburg war das jeweilige Wirken des Komponisten Johann Sebastian Bach in beiden Städten.

Bei unserem ersten offiziellen Besuch im Mai 1990 in Köthen (Anhalt) (ich durfte als Fraktionsvorsitzender teilnehmen), lernten wir uns näher kennen. Gemeinsam mit Langenfeld entstand schnell die Vereinbarung, gemeinsam beim Verwaltungsumbau in Köthen (Anhalt) zu helfen. Mit großer Begeisterung gingen alle ans Werk.

Welche gemeinsamen Projekte oder Begegnungen aus den vergangenen 35 Jahren sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Gibt es humorvolle Anekdoten?

RE: Im Archiv der Stadt gibt es Berge von Akten über die unzähligen Aktivitäten mit den vier Städten und es ist weder fair noch möglich, hier etwas hervorzuheben. Was aber bis heute immer noch in sehr guter Erinnerung bleibt, ist, dass gerade in den Anfangsjahren eine Vielzahl hoch kompetenter Verwaltungsmitarbeiter aus Lüneburg und Langenfeld, die damals noch recht beschwerliche An- und Abreisen und die teils sehr schwierige Unterbringung in Kauf nahmen und dennoch mit großer Begeisterung Aufbauarbeit hier vor Ort geleistet haben. Der Austausch im Bereich Kultur und Sport hat irgendwann nahezu jeden Verein in Köthen (Anhalt) erreicht und nicht nur den Blick geweitet, sondern meist auch Spaß gemacht. Das durch den Stadtrat jährlich zur Verfügung gestellte Geld für Partnerschaftsaktivitäten war aus meiner Sicht immer eine sinnvolle Investition.

SH: Ich erinnere mich an zwei gemeinsame Seminare, die damals Verwaltungsmitarbeiter aus Langenfeld mit den Köthener Kolleginnen und Kollegen gestaltet haben. Inhalt war damals auch die Frage an die Köthener, wie ihre Stadt in 15, 20 Jahren aussehen soll. Eine solche Fragestellung war offenbar für die Köthener gänzlich ungewöhnlich und es hat einige Zeit gedauert, bis sie sich frei genug fühlten, ihre Ideen und Visionen zu äußern. Was für viele unserer Kollegen tatsächlich etwas befremdlich war, war die Tatsache, dass damals in diesem wunderschönen Rathaus am Eingang eine Dame saß, die uns ziemlich unwirsch fragte, wer wir seien und was wir wollten.

Und ich erinnere mich, wie beeindruckt wir damals von dem wunderschönen historischen Ratssaal waren, wenngleich die Technik damals natürlich noch völlig veraltet war.

UM: Vier Begegnungen sind mir tatsächlich besonders in Erinnerung geblieben. Beeindruckt bin ich bis heute vom Partnerstädtelauf zwischen Köthen (Anhalt) und Lüneburg, der bis heute stattfindet. Auch an den intensiven Austausch, der jahrelang zwischen den Marinekameradschaften und auch den Kleingärtner*innen stattgefunden hat, denke ich gern zurück. Ebenso wie an die Freundschaften zu den ehemaligen Oberbürgermeistern Rainer Elze und Kurt-Jürgen Zander sowie viele Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern.

Ein besonderes Ereignis war auch das gemeinsame Stadtfest mit Schaustellern aus Köthen (Anhalt), Langenfeld und Lüneburg im Mai 1992 in Köthen (Anhalt). Es war ein gelungenes Fest mit einem nicht so gelungenem Show Act - dem obligatorischen Fassanstich. Ich kam damals gerade pünktlich in Köthen (Anhalt) an, sprang auf die Bühne, griff Hahn und Holzhammer und schlug zu. Es gab aber keinen "Widerstand". Der Holztisch aus dem Rathaus, auf dem das Fass (30l) stand, brach unter dem Druck der Schläge zusammen. Das Fass rollte über die Bühne und wir alle bekamen unsere Bierdusche. Das war wohl die letzte Rache der DDR.

Wenn Sie sich ein Stück der befreundeten Kommunen in Ihrer Stadt wünschen könnten, dann wäre das…?

RE: Aus Lüneburg das Hafenviertel am Stint, was einfach ein super tolles Flair besitzt und aus Langenfeld wenigstens ein kleines Stückchen aus den beeindruckenden Gewerbe – und Industriegebieten.

SH: Köthen (Anhalt) hat als Residenzstadt natürlich eine bemerkenswerte Geschichte. Besonders reizvoll sind – damals noch in zum Teil beklagenswertem Zustand befindlich - die historischen Gebäude, die Kirche St. Jakob, das altehrwürdige Rathaus und auch das Schloss mit dem dazugehörigen Areal, unter anderem dem Marstall und der Reithalle, das ja inzwischen zu einem modernen Veranstaltungszentrum umgebaut worden ist.

UM: Beeindruckend finde ich die schaffensreiche Zeit, die Johann Sebastian Bach in Köthen (Anhalt) verlebt hat. Es hätte mich gefreut, wenn er auch in Lüneburg längere Zeit verbracht, dort länger komponiert und musiziert hätte.

Beschreiben Sie Ihre Wünsche für die nächsten 35 Jahre Städtefreundschaft in (ungefähr) 35 Worten.

RE: Ich wünsche mir, dass unsere Städtefreundschaft weiterhin von gegenseitigem Respekt, zukünftig wieder mehr kulturellem Austausch und gemeinsamen Projekten geprägt ist – eine lebendige Brücke, die Menschen verbindet, Verständnis fördert und zukünftige Generationen inspiriert, europäische Werte zu leben.

SH: Ich wünsche beiden Städten, dass das Bewusstsein für die diese schon so lange bestehende Verbundenheit noch lange erhalten bleibt. Wir leben in bewegten Zeiten. Umso mehr hoffe ich im Interesse von Köthen (Anhalt) und Langenfeld, dass die entstandenen Kontakte auch über diese bestehen bleiben, dass sich neue Beziehungen gründen und dass man das, was für bei beide Seiten gewinnbringend war, weitergibt. Ich wünsche beiden Kommunen, dass es auch in den kommenden Jahren genügend Köthenerinnen und Köthener, sowie Langenfelderinnen und Langenfelder gibt, die Interesse und auch die Kraft dafür haben, diese Städtefreundschaft weiter zu führen und das Entstandene zu erhalten.

UM: Ich wünsche mir, dass unsere inzwischen 35 Jahre währende Städtefreundschaft der heutigen und zukünftigen Generationen auf verschiedenen Ebenen, in der Bürgerschaft, der Verwaltung und der Stadtpolitik hilft, weiterhin Brücken zu bauen.

Dabei ist mir ein deutliches Bekenntnis zu Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit besonders wichtig, so wie es im wiedervereinten Deutschland 1989/90 von den Menschen auf der Straße auch in Köthen (Anhalt) gefordert und erkämpft wurde.