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Amtsblatt für die Gemeinde Kolkwitz
Ausgabe 14/2025
Informationen aus dem Rathaus
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Vor 45 Jahren entging Kolkwitz einer Katastrophe. Hintergründe zum Absturz einer MIG 21in unserer Gemeinde am 8. Januar 1981

Das Unglückflugzeug Nr. 704

Major Reiner Keilau

Absturzort westlich der Hänchener Straße

Hintergründe zum Absturz einer MIG 21 in unserer Gemeinde am 8. Januar 1981

Dr. Heiko Enke

Seit gut 100 Jahren ist die Geschichte von Kolkwitz eng mit dem Flugbetrieb auf dem Flugplatz Cottbus verbunden.

Der Flugplatz wurde 1926 eröffnet und seitdem mehrfach erweitert. Nach der Nutzung im 2. Weltkrieg als Schulungs- und Einsatzflugplatz und ab 1941 auch als Montageort der Focke-Wulff-Flugzeugwerke wurde er nach 1945 durch das sowjetische Militär und ab 1952 durch die Luftstreitkräfte der NVA genutzt. Bis 1982 war das Jagdgeschwader 1 mit MIG 21 Düsenjägern stationiert, danach bis zum Ende der DDR ein Kampf- und Transporthubschraubergeschwader.

Flugunfälle, bei denen teilweise auch Menschen starben, wurden in aller Regel vor der Öffentlichkeit geheim gehalten.

Im folgenden Beitrag wollen wir uns erinnern an ein tragisches Ereignis in Kolkwitz am 8. Januar 1981. Ein Mensch verlor dabei sein Leben und Kolkwitz entging nur durch großes Glück einer Katastrophe. Wir beleuchten die Hintergründe des Absturzes eines Jagdflugzeuges MIG 21 mitten in unserer Gemeinde.

Versetzen wir uns dazu in die Zeit vor nahezu 45 Jahren zurück.

Der 8. Januar 1981, es ist ein Donnerstag, ist ein kalter, fast wolkenloser Tag. Für einen richtigen Wintertag fehlte allerdings der Schnee. Das Leben in Kolkwitz geht an diesem frühen Nachmittag seinen gewohnten Gang. Hausfrauen gehen zum Einkaufen in die Konsum-Kaufhalle gegenüber des Schwarzen Adlers, welche erst 2 Jahre zuvor eröffnet wurde. In den Ställen der LPG werden die Rinder und Schweine versorgt, in den Produktionsräumen der Spreewaldpuppe arbeiten die Frauen an ihren Nähmaschinen, in der Heilstätte werden die Patienten versorgt und in der staatlichen Arztpraxis suchen Kranke medizinische Hilfe.

Im Kindergarten und Kinderkrippe bereiten die Erzieherinnen die Vesper vor, die Schüler der Kolkwitzer Polytechnischen Oberschule haben bereits unterrichtsfrei oder freuen sich noch auf das baldige Ende des Schultages.

Vom Flugplatz dringt der gewohnte Lärm der startenden MIG 21 herüber. An diesen hatten sich die Menschen in den Jahrzehnten gewöhnen und damit abfinden müssen. Besonders schlimm war es natürlich für die Bewohner, die unmittelbar in Verlängerung der Start- und Landebahn wohnten, der Ströbitzer- und Gerhard-Hauptmann-Straße, der Friedhofstraße, der Papitzer Straße, und für die Bewohner von „Zankendorf“.

Alles in Allem ein ganz normaler Tag im Leben der Menschen. Und niemand konnte ahnen, dass um 14.08 Uhr mitten in Kolkwitz ein Flugzeug abstürzen würde.

Lassen wir zwei Zeitzeugen aus ihren Erinnerungen berichten:

Ernst Pujo: „Ich arbeitete damals als Kesselprüfer im Propangaslager. Es war ein Arbeitstag wie immer. Am zeitigen Nachmittag sahen wir plötzlich ein Düsenflugzeug ganz tief über Kolkwitz reinkommen und es kam immer tiefer. Dann verschwand das Flugzeug vom Himmel. Es musste abgestützt sein. Einen Knall oder eine Explosion haben wir nicht gehört.

Ich bin dann gleich mit meinem Kollegen J. S. mit den Fahrrädern losgefahren. Nach einigem Suchen und Fragen haben wir dann das Flugzeug entdeckt. Ich erinnere mich, es lag am Priorgraben auf der Wiese hinter dem heutigen Geflügelhof Streich, die Flugzeugspitze lag nach Süden, das Flugzeugende in Richtung Norden. Unter dem Flugzeug floss das Wasser des Priorgrabens durch. Das Flugzeug war gar nicht stark zerstört. Auch gebrannt hat es nicht. Der Kopf des Piloten hing nach hinten. Er war tot. Es kam die Berufsfeuerwehr aus Cottbus mit ihrem Tanker und die Sicherheitsleute vom Flugplatz. Wir wurden dann von denen auch gleich weggeschickt.

Die Freiwillige Feuerwehr aus Kolkwitz wurde nicht alarmiert. Das war in solchen Fällen auch nicht üblich. Es war eine Sache für die Berufsfeuerwehr. Den Einsatz haben wir dann später mit den Verantwortlichen der Berufsfeuerwehr im Rahmen einer Weiterbildung in der FFW Kolkwitz ausgewertet.“

Ralf Pujo: „Ich war damals Schüler an der POS in Kolkwitz. Unterricht hatten wir in der alten Schule in der Schulstraße. Wir hatten schon Schulschluss und ich war mit einem Schulkameraden auf dem Weg nach Hause.

Wir gingen die Bahnhofstraße von der Feuerwehr in Richtung Berliner Straße. In Höhe Strickerei Schuster, heute Bahnhofstraße 29, kam plötzlich ein Düsenflugzeug aus Richtung Norden ganz niedrig geflogen, machte eine Linkskurve und flog weiter in Richtung Gemeindeamt und dann Richtung Cottbus. Dann hörten wir einen dumpfen Knall. Wir sind dann schnell nach Hause gelaufen und wollten natürlich wissen, was passiert war. Bald war Unruhe im Ort zu spüren. Polizei ist gefahren und die Feuerwehr aus Cottbus.

Abgestürzt war das Flugzeug auf den Wiesen an der Hänchener Straße südlich der Eisenbahn. Der Absturzort war dann für viele Tage mit Tarnnetzen abgesperrt, ich glaube für 2 Wochen. Bewacht wurde das Gelände von der Volkspolizei. Die haben jeden weggeschickt. Auch nach dem Abzug der Polizei haben wir uns nicht so richtig getraut, dort hinzugehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass in der Schule die Lehrer mit uns darüber gesprochen haben. In den Familien und den Kneipen war es aber wohl „Stammtischgespräch“.“

Nach Durchsicht der Flugunfallakten aus dem Militärarchiv in Freiburg im Breisgau sowie ausführlichen Gesprächen mit Herrn Armin Schulz, dem Autor der umfangreichen Chronik des Jagdgeschwaders 1 und Mitarbeiter des Flugplatzmuseums Cottbus, können wir heute den Unfallhergang rekonstruieren.

Am 08.01.1981 startete um 14.06 Uhr die MIG 21 SPS Nr. 704 vom Flugplatz Cottbus zu einem Übungsgefechtsflug im Paar mit einer weiteren MIG 21. Pilot der MIG 21 Nr. 704 war Major Reiner Keilau. Er war 41 Jahre alt, Oberflieger im JG-1 und Flugzeugführer der Leistungsklasse I und damit ein sehr erfahrener Jagdflieger der NVA.

Der Start erfolgte in Richtung Westen. Beim Abheben des Bugrades bei ca. 300 km/h öffnete sich plötzlich das Kabinendach des Flugzeuges. Das Flugzeug machte heftige Schlingerbewegungen, das Kabinen-dach schlug in schneller Folge auf und zu. Etwa 1-2 km hinter dem Ende der Start- und Landebahn leitete der Major Keilau eine Linkskurve ein, um in die Platzrunde einzufliegen. Durch das geöffnete Kabinendach und das noch ausgefahrene Fahrwerk war die Aerodynamik des Flugzeuges jedoch so stark gestört, dass es nicht mehr steuerbar war, nach Durchführung der Linkskurve abkippte und um 14.08 Uhr abstürzte. Eine Aufschlagexplosion erfolgt nicht.

Major Keilau starb bei diesem Absturz. Eine Rettung mit dem Schleudersitz war dem Piloten nicht möglich, da bei der MIG 21 konstruktionsbedingt die Auslösung des Rettungssystems nur bei vollständig verriegeltem Kabinendach möglich war. Es gibt in den Untersuchungsunterlagen Hinweise darauf, dass Major Keilau noch versucht hatte, das Kabinendach im Flug zu schließen.

Nach Abbruch der Funkverbindung war der Flugleitstelle des Flugplatzes zunächst nicht klar, was mit Flugzeug Nr. 704 passiert war. Es erfolgte der sofortige Einsatz eines Suchflugzeuges AN 2. Die Besatzung fand das verunglückte Flugzeug ca. 200 m westlich der Straße Kolkwitz-Hänchen südlich der Eisenbahn in den Wiesen. Ein Bergungs- und Rettungskommando wurde eingesetzt. Die erste Sicherung des Unfallortes erfolgte in der Anfangsphase durch den ABV (Abschnitts-bevollmächtigter, heute Revierpolizist) und örtliche Kräfte, gegen 15.00 Uhr übernahmen Kräfte des FTB-1 die Sicherung und die weitere Ermittlung.

Die Öffentlichkeit wurde über den Vorfall nicht informiert. Bei der Durchsicht der Lausitzer Rundschau bis 6 Wochen nach dem Unfall konnte keinerlei Information über das Vorkommnis gefunden werden. Strengste Geheimhaltung von Seiten der staatlichen Organe war damals in solchen Fällen üblich.

Nach Abschluss der Untersuchungen wurde das verunglückte Flugzeug vollständig geborgen. Als Ursache für das Öffnen des Kabinendaches während des Startes wurde durch die Flugunfalluntersuchung später eine fehlerhafte Verriegelung und fehlende Vorstartkontrolle des Flugzeugdaches festgestellt. Wahrscheinlich passierte das durch den Zeitdruck in der Startvorbereitung (technische Probleme an dem Flugzeug des ursprünglich geplanten Flugpartners führten zu einer kurzfristigen Umplanung der Startreihenfolge, dadurch entstand Zeitdruck, um den Flugplan einzuhalten). Wie durch ein Wunder blieb Kolkwitz an diesem Tag von einer größeren Katastrophe verschont. Weitere Personenopfer waren zum Glück nicht zu beklagen. Laut der Untersuchungsakten der NVA entstand nur ein „unbedeutender Flurschaden“.

Der Absturz der MIG 21 Nr. 704 am 08.01.1981 war der letzte Absturz eines Flugzeuges des Jagdgeschwaders 1 aus Cottbus in unmittelbarer Umgebung des Flugplatzes.

1982 wurde das JG-1 auf den Flugplatz Holzdorf verlegt. Diese Verlegung war schon lange vor 1981 beschlossen worden und eine Reaktion auf den Absturz einer MIG 21 am 14.1.1975 in einen Neubaublock in der Schmellwitzer Straße in Cottbus mit fünf zivilen Todesopfern und zehn Schwerverletzten. Auch der Pilot Major Peter Makowicka kam damals beim Versuch ums Leben, das abstürzende Flugzeug noch auf den Nordfriedhof zu steuern. Der letzte Absturz eines Jagdflugzeuges der NVA in Cottbus ereignete sich am 16.03.1985. Eine MIG 21 aus Drewitz stürzte in ein Wohnheim im Bildungszentrum. Der Pilot konnte sich zuvor mit dem Schleudersitz retten. Es gab wie durch ein Wunder nur drei leichtverletzte Zivilpersonen. Nach Verlegung des JG-1 nach Holzdorf erfolgte auf dem Flugplatz Cottbus Nord die Stationierung von Kampf- und Transport-hubschraubern der NVA. Der Lärm der startenden Düsenflugzeuge wurde jetzt abgelöst durch das anhaltende monotone Brummen der Rotoren. Nach der Wiedervereinigung 1990 und Auflösung der Nationalen Volksarmee übernahm die Bundeswehr den Flugplatz bis 2002. Zuletzt wurden hier MIG 29 der NVA umgebaut und danach ins Ausland verkauft. Am 11.6.2003 wurde der Flugplatz geschlossen.

PS:

Bei meinen Gesprächen hörte ich in verschiedenen Varianten Berichte über ein zu DDR-Zeiten in unserer Region abgestürztes und im Sumpf versunkenes Flugzeug.

Wir können anhand von Unfallakten der NVA die Hintergründe für dieses Ereignis aufklären:

Am 21. September 1967 stürzte die MIG 21 Nr. 924 aus dem JG-1 aus Cottbus ca. 500 nordöstlich von Werben bei einem Übungsflug ab. Sie stürzte dabei in ein sumpfiges Gebiet und versank im nassen Untergrund. Der Pilot konnte sich nicht mehr mit dem Schleudersitz retten und kam ums Leben. Die genauen Ursachen für das Unglück konnten nicht ermittelt werden. Mit der damals vorhandenen Technik wäre es möglich gewesen, den Absturzort bis zu einer maximalen Tiefe von 8 m trockenzulegen. Das Flugzeug war jedoch schon am Unfalltag tiefer als 8 m versunken. Eine Bergung war daher nicht möglich. Wasser und Erde haben das Flugzeug und den verunglückten Piloten für immer begraben.

Wenn unsere Leser ihre Erinnerungen an dieses oder auch an andere interessante Ereignisse in unserer Großgemeinde mit uns teilen möchten, dann können Sie uns gerne kontaktieren:

Interessengemeinschaft Heimatgeschichte, erreichbar über die Gemeindebibliothek Kolkwitz oder an

Dr. Enke per E-Mail: h.e.kolkwitz@web.de

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Herrn Armin Schulz. Die weiteren verwendeten Quellen können beim Autor erfragt werden.