Dr. Heiko Enke
Im zweiten Teil unserer Betrachtung über die Straßen in der Großgemeinde wollen wir uns mit vermutlich weniger bekannten und zum Teil kuriosen Straßennamen befassen. Ein unschätzbarer Fundus ist hierbei das Buch Gotthold Schwela: Flurnamen des Kreises Cottbus.
Schon mal etwas von der Schönweiberstraße in Kolkwitz gehört?
Begeben wir uns in den südlichen Teil der Bahnhofstraße. Dieser Straßenabschnitt zwischen der Berliner Chaussee und dem Bahnhof Süd hatte in seiner Geschichte schon viele verschiedene Namen. In diversen Unterlagen ab ca. 1890 finden wir folgende Benennungen:
| • | Weg nach der Putgolla/Pottgolla/Pouttgolla |
| • | Weg von Leuthen nach Kolkwitz |
| • | Weg nach dem Bahnhof Süd |
| • | Ab 1925 Bahnhofstraße |
| • | NS Zeit Hindenburgstraße |
| • | Ab 1947 wieder Bahnhofstraße |
Die Bebauung der südlichen Bahnhofstraße begann in den frühen 1890er Jahren und wurde mitgeprägt durch die damalige Inhaberin des Gasthauses „Schwarzer Adler“ Christiane Kühn. Sie muss eine sehr geschäftstüchtige Frau gewesen sein. Wir finden ihren Namen in diversen Baugenehmigungen für Um- und Erweiterungsbauten des Schwarzen Adlers, aber auch für Wohnhäuser in der südlichen Bahnhofstraße.
Im Volksmund wurde die unmittelbare Region um den Schwarzen Adler wohl nicht umsonst auch Kynojc góra: Kühns Berg oder Kinberg genannt (benannt nach der früheren Besitzerin Kühn).
Wir wissen heute nur sehr wenig über die ursprünglichen Bewohner der südlichen Bahnhofstraße um 1900. Überliefert ist jedoch für diesen Straßenabschnitt in der Sammlung von Gotthold Schwela die Bezeichnung „Schönweiberstraße“. Können wir dem Volksmund Glauben schenken?
Die Jungfernstraße in Kolkwitz
Die gesuchte Straße in Kolkwitz hatte in den Jahrzehnten oder Jahrhunderten ihrer Existenz viele Namen:
| • | Měsćański u. Měsćany kóńc: Städtische Ende |
| • | Pśedejs: Vordorf |
| • | Měsćańska droga: Stadtweg |
| • | Dorfstraße |
In Gotthold Schwela: Flurnamen des Kreises Cottbus, lesen wir auch den Namen Jungfernstraße.
Wir befinden uns in der heutigen Schulstraße in Kolkwitz. Wohl eine deftige Anspielung auf die jungen Mädchen, welche die 1848 gegenüber der Kirche errichtete Schule besuchten.
Eine nie umgesetzte Planung: Die Erst-Thälmann-Straße in Kolkwitz
Wir befinden uns in der Neuen Siedlung. Früher die Penkacka droga: Penkacweg oder auch Maly Barlin: „Klein Berlin“, 6 Gehöfte am Penkacweg, die Bewohner sind male Barlinaŕe (s. Gotthold Schwela). Den Namen Neue Siedlung finden wir noch nicht im Adressbuch von 1927. 1940 sind dann mehrere Einwohner hier eingetragen.
Im Kreisarchiv Forst finden wir ein Protokoll der Gemeindevertreterversammlung Kolkwitz vom 25.6.1952. Hierin wird der Beschluss gefasst, drei Straßen in Kolkwitz umzubenennen. Die Alte Straße in Friedrich-Engels-Straße, die Neue Straße in Karl-Marx-Straße und die Neue Siedlung in Ernst Thälmann Straße. Die weitere Geschichte verlief jedoch anders. Die Alte Straße behielt ihren Namen. Statt ihrer wurde die ehemalige Vetschauer Straße in Friedrich-Engels-Straße umbenannt. Und auch die Umsetzung des Beschlusses für die Neue Siedlung erfolgte nicht. In einer Flurkarte von Kolkwitz von 1975/1984 ist zwar statt der Neuen Siedlung der Name „Ernst-Thälmann-Straße“ verzeichnet, aber eine offizielle Umbenennung erfolgte nie. Dazu haben wir 2024 mehrere Anwohner befragt.
Die Semmelgasse in Kolkwitz
In einem der vielen Gespräche mit Ernst Pujo, einem exzellenten Kenner des Ortes Kolkwitz, kamen wir auf mundartliche Straßennamen zu sprechen. Er erwähnte die Semmelgasse in Kolkwitz. Es handelt sich um die heutige Ströbitzer Straße. Bei Gotthold Schwela finden wir noch den alten Namen Strobicańska droga: Ströbitzer Weg.
Wer kann sich noch an die Semmelgasse und den dort befindlichen Lebensmittelladen Ringel erinnern und ein wenig Licht ins Dunkel bringen? Wir möchten gerne an Ihrem heimatkundlichen Wissen teilhaben.
Die Wurschtsuppengasse in Glinzig
So wurde lt. unserem Mitstreiter in der IG Heimatgeschichte und Glinzigkenner Wolfgang Lehnigk der heutige Budener Weg mit den Hausnummern 10-19 genannt. Hier hat ein Fleischer gewohnt.
Hänchen: Jungfernstraße, Beamtenstraße und Ochsengasse
Wie Kolkwitz gab es auch in Hänchen eine Jungfernstraße. Diese führte an der Schmiede vorbei (heute Dorfbogen), vermutlich zum alten Schulhaus neben der Kirche.
Die Beamtenstraße in Hänchen führte lt. Schwela zur neuen Schule. Leider können wir aber aus seiner Sammlung nicht entnehmen, ob er dabei das 1930/31 neuerbaute Schulgebäude meinte. Dies wäre durchaus denkbar, da Gotthold Schwela seine Sammlungstätigkeit bis zu seinem Tod 1948 fortsetzte.
Die Ochsengasse entspricht lt. Schwela der genannten Beamtenstraße, „weil dort nur Ochsengespanne sind“.
Vielleicht gibt es in Hänchen noch Einwohner, die sich an diese Namen erinnern können?
Sibirien liegt in Krieschow
Wir befinden uns im ehemaligen Vorwerk Krieschow. Hier standen herrschaftliche Arbeitshäuser. „Diese waren Strafhäuser, indem mißliebige Personen dort hingesteckt wurden und sie trotz des weiten Weges rechtzeitig zum Hofdienst zur Stelle sein mußten. Die Bewohner feierten alle Feste mit den Milkersdorfern, nur zur Männerfastnacht kommen sie nach Krieschow“. (Zitat Gottholf Schwela)
Seit November 2022 gehört der Wohnpark Vorwerk verwaltungstechnisch zu Milkersdorf.
Zahsow: Die Buttergasse
Die früheren Straßen in Zahsow müssen sehr holperig gewesen sein. Wurde der Karren mit den Milchkannen über das Kopfsteinpflaster in der Buttergasse gezogen, so wurde die darin befindliche Milch förmlich zu Butter geschlagen. Genannt wurde so lt. persönlicher Mitteilung eines Zahsower Einwohners im Volksmund der Vorgänger des heute sicherlich ebeneren Sielower Weges.
Zum Abschluss dieses kleinen Abrisses über ungewöhnliche Straßennamen in der Großgemeinde möchte ich wiederum dazu aufrufen, in den Erinnerungen zu kramen und diese mit uns zu teilen. Wer kennt weitere mundartliche Straßennamen in seinem Ort? Es wäre schön, wenn diese kleinen Dinge unserer Heimatgeschichte nicht in Vergessenheit geraten würden. Bitte melden Sie sich bei uns.
Unsere Kontaktdaten:
Interessengemeinschaft Heimatgeschichte
erreichbar über die Gemeindebibliothek Kolkwitz
oder an Dr. Enke per E-Mail: h.e.kolkwitz@web.de
Quellen:
Gotthold Schwela: Flurnamen des Kreises Cottbus. Reprint Ausgabe, 1. Auflage 2019, Domowina-Verlag GmbH, Bautzen
Weitere Quellen können beim Autor erfragt werden.