Um 1908 führte die Firma W. Surmann Stickautomaten ein, welche die Produktion an Spitzen maßgeblich erhöhte, auch an jenem Standort an welchen Ernst Surmann wohnte, dem heutigen Wohn- und Geschäftshaus Auerbacher Straße 13. (zu DDR-Zeiten auch Gebäudewirtschaft).
Luftaufnahme aus dem Jahr 1928: In der unteren Bildmitte begrenzt eine dicht mit Laubbäumen bewachsene Fläche den Marktplatz von Klingenthal. Weiterhin sind umzäunte Rasenflächen und Beete erkennbar. Irgendwo dort hatte Ernst Surmann am 27. April 1925 vier Raketen abfeuern lassen.
Die Weimarer Republik war geprägt von politischen Grabenkämpfen. Nicht nur im Reichstag oder in großen Städten, sondern auch auf dem abgelegenen Land war die Zerstrittenheit zwischen Parteien, politischen Einstellungen und Ideologien deutlich vernehmbar. Raue Umgangstöne, ein drastisches Vokabular und wilde Unterstellungen prägten auch auf lokaler Ebene die Politik. Zeugnis dieser Zeit in Klingenthal ist ein Vorgang, dessen Originalbriefwechsel heute im Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz bewahrt wird:
Anlass dazu gab Textilfabrikant Ernst Surmann (Bruder von Kommerzienrat Friedrich Hugo Surmann), welcher aus Freude über den Ausgang der Reichspräsidentenwahl 1925 zu Gunsten Paul von Hindenburgs Böllerschüsse abfeuern ließ. Klingenthals Bürgermeister Hugo Zimmermann verhängte daraufhin ein Bußgeld über welches sich Ernst Surmann schließlich bei der Amtshauptmannschaft in Zwickau beschwerte und eine Maßregelung für das Stadtoberhaupt verlangte. In Surmanns Beschwerdebrief heißt es: „Am Montag, den 27. April, habe ich aus Freude über den Ausfall der Reichpräsidentenwahl gegen 7.15 Uhr vormittag von einem meiner Angestellten in meinem Garten 4 Feuerwerkskörper abbrennen lassen und habe daraufhin vom hiesigen sozialdemokratischen Bürgermeister Dr. Zimmermann eine Strafverfügung in Höhe von M. 25,- zuzügl. M. 5,- Gebühren (…) erhalten.“ Ort des Geschehens war laut dem Adreßbuch für Klingenthal und Umgebung aus dem Jahr 1924 die heutige Auerbacher Str. 13 – ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem sich früher neben Produktionsräumen auch die Wohnung des „Fabrikbesitzers Ernst Surmann“ befand. Der besagte umzäunte Garten war vermutlich das Gelände des heutigen Stadtparks, welches sich damals im Besitz der Familie befand.
Paul von Hindenburg war im zweiten Anlauf zum Reichpräsidenten gewählt worden. Als Vertreter des antirepublikanischen Reichsblocks gewann er gegen Wilhelm Marx, den republikfreundlichen Zentrumspolitiker. Ernst Surmann unterstellte Dr. Hugo Zimmermann politische Parteinahme, der Ausgang der Wahl habe bei Dr. Zimmermann zu persönlicher Unzufriedenheit geführt. Ernst Surmann gehörte nicht nur einer der reichsten Fabrikantenfamilien des Klingenden Tales an, sondern auch einer einflussreichen politisch engagierten Familie, welche Kontakte bis in höchste Kreise besaß: Mehrfach bestand Kontakt zum Sächsischen Königshaus, Bruder Friedrich Hugo Surmann war Kommerzienrat und lenkte die politischen Geschicke Klingenthals aktiv mit. So argumentiert auch Ernst Surmann, dass ihm ein „befreundeter Bürgermeister eines anderen Ortes“ versichert habe, dass es dieser „nicht gewagt haben würde“ eine derartige Strafe zu verhängen. Der Ton im insgesamt 8-seitigen Brief wird schließlich rauer: Ernst Surmann unterstellte dem sozialdemokratischen Bürgermeister – von Beruf Lehrer und nicht wie üblich ein Jurist – mangelnde Sachkenntnis und emotionale Unsachlichkeit, genauso wie Dr. Zimmermann den Aufmarsch der Werwolf-Bewegung einen Tag vor der Wahl durch seinen Stellvertreter verbieten lassen hatte. - Der Vorsitzende der paramilitärischen und rechtsgerichteten Werwolf-Bewegung war Ernst Surmanns Schwager, der Mund- und Handharmonikafabrikant Kurt Weidlich aus Brunndöbra. So habe Dr. Zimmermann nun auch an Surmann selbst die Enttäuschung über den Wahlausgang auslassen wollen. Ernst Surmann lässt im Brief an die Amtshauptmannschaft keinen Zweifel daran, dass er sich republikfeindlichen und nationalsozialistischen Ideologien näher fühlte, als den republikfreundlichen Ideen der Sozialdemokratie, dessen Lager eben jener Bürgermeister Dr. Hugo Zimmermann angehörte. Surmann berichtet vom „Terror welcher von einer kleinen Gruppe von Sozialdemokraten ausgeübt wird“. Was die Wahl des neuen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg anbetraf, begründete Surmann die „kleine Gruppe“ mit Zahlen: In der Stadt Klingenthal erhielt Hindenburg 1757 Stimmen, 1002 Stimmen fielen auf Wilhelm Marx und 156 Stimmen auf Ernst Thälmann.
Surmann verlangte im Brief schließlich von der Amtshauptmannschaft dass die „Sozialistischen Stadtratsmitglieder angewiesen werden“, den „bürgerlichen Elementen“ gleiche Rechte einzuräumen und diese nicht weiter zu benachteiligen. Die demokratische Ordnung von Amts wegen funktionierte jedoch noch auf sachlicher Basis und Ernst Surmann erhielt nach Anhörung des Bürgermeisters Dr. Zimmermann eine für ihn enttäuschende Antwort: Das Klingenthaler Stadtoberhaupt habe richtig gehandelt und man könne „keine Verfehlung“ erkennen. Für Surmann muss es wenig später schließlich noch einen besonders glücklichen Moment gegeben haben: Die postalische Adresse für die Familienvilla in Sichtweite gegenüber („Kreml“) lautete zu Ehren des Reichspräsidenten schließlich „Hindenburgstraße“. Aber die Geschichte nahm ihren eigenen Lauf: 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Nationalsozialisten Adolf Hitler zum Reichskanzler. In der Gegenwart trägt die Straße den Namen des Theologen Dietrich Bonhoeffer, der am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt war und noch am 9. April 1945 dafür hingerichtet wurde. Ernst Surmann selbst starb bereits 1935 in einem Sanatorium in Bad Elster.