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Stadtanzeiger – Mitteilungsblatt der Stadt Leuna mit den Ortschaften
Ausgabe 11/2024
Aus dem Rathaus
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Verleihung des Walter-Bauer-Preises

Egbert Schmidt Fotografie

Egbert Schmidt Fotografie

JÜRGEN JANKOFSKY

Am 4. November 2024 fand im Walter-Bauer-Saal des Kulturhauses Leuna, die diesjährige Verleihung des Walter-Bauer-Preises und die Vergabe des Walter-Bauer-Stipendiums statt. Der Walter Walter-Preis der Städte Merseburg und Leuna ging an den Leipziger Schriftsteller Thomas Böhme, das Walter-Bauer-Stipendium an Henriette Baier und Moritz Bense aus Halle. Eröffnet wurde dieser Abend vom Bürgermeister der Stadt Leuna, Michael Bedla. Er sagte:

„Seit 1994 vergeben die Städte Merseburg und Leuna gemeinsam alle zwei Jahre den Walter-Bauer-Preis. Damit soll an einen Mann erinnert werden, der mit seinem umfangreichen literarischen Gesamtschaffen, mit seiner Botschaft der Menschlichkeit und seinem Bekenntnis zum europäischen Geist zu den namhaften deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts zählt.

Der Walter-Bauer-Preis wird von seiner Geburtsstadt Merseburg und der Stadt Leuna vergeben und ist damit der einzige Literaturpreis, der von einer oder mehreren Kommunen in Sachsen-Anhalt vergeben wird. Heute wird der 18. Autor/in seit 1994 geehrt. Ein Alleinstellungsmerkmal für beide Städte die sich damit auch in Kreisen der Schriftsteller/innen einen Namen machen. Sein reichhaltiges Erbe ist gleichermaßen Glanzstück wie Verpflichtung für unsere gesamte Region.

Am 4. November 2024 wäre der Schriftsteller Walter Bauer 120 Jahre alt geworden. Er wurde am 4. November 1904 als fünftes Kind eines Fuhrknechts und einer Aufwartefrau in der preußischen Provinz Sachsen im beschaulichen Regierungsstädtchen Merseburg geboren. Hier besuchte er die Volksschule und absolvierte Dank der Fürsprache eines Lehrers selbst eine Ausbildung zum Lehrer. Prägend für den jungen Bauer war zu erleben, wie sich die verschlafene Beamtenstadt Merseburg durch den Bau und die Inbetriebnahme der Leuna-Werke, deren 100 jährige Geschichte wir 2016 auf vielfältige Weise gefeiert haben, rasant veränderte. Kein Wunder also, dass seine ersten beiden Bücher aus diesen Erfahrungen erwuchsen. 1929 erschien Kameraden, zu euch spreche ich, 1930 Stimme aus dem Leuna-Werk. Letzteres machte Walter Bauer schlagartig berühmt. Namhafte Autoren wie Kurt Tucholsky, Ernst Toller oder Herrmann Hesse lobten Bauer in höchsten Tönen. Nach 1933 erfuhr Walter Bauer Publikationsbeschränkungen, schrieb aber weiter. Nach 1935 (infolge eines denunzierten heimlichen Treffens zu Stefan Zweig in Zürich) musste der Lehrer Walter Bauer Strafversetzungen erdulden. 1940 wurde er einberufen und kehrte erst 1946 aus englischer Gefangenschaft zurück, ging aber nicht in seine nunmehr sowjetisch besetzte Heimat zurück, sondern blieb im Westen (in Bayern und Baden-Württemberg). Im Jahr 1952 wanderte er nach Kanada aus, wo er es später bis zum Universitätsprofessor schaffte, weiter schrieb und im Alter von 72 Jahren verstarb. Insgesamt veröffentlichte Walter Bauer fast 90 Bücher, zahlreiche Hörspiele und Dramen, unzählige Essays, Artikel, Berichte etc.

Und jetzt zitiere ich die (heute auch anwesende) Walter-Bauer-Preisträgerin von 2004, Angelika Arend:

Seine Schriften konnten sich zu ihrer Zeit aufgrund gegenläufiger geisteshistorischer und ungünstiger persönlich-biographischer Faktoren nicht durchsetzen. Er selbst weigerte sich, mit irgendeinem Strom zu schwimmen, und die Literaturwissenschaft, die trotz ihrer grundsätzlichen Bemühung um Objektivität sich nicht ganz dem Einfluss von Strömungen und Tendenzen entziehen kann, versiegelte mit kollektivem Schweigen das Grab der Schriften Walter Bauers.

Viel zu schnell geriet er aufgrund seiner besonderen Lebensumstände im heimatlichen Deutschland in Vergessenheit. Die Traueranzeige des Merlin-Verlages in Hamburg würdigte Bauers Schaffen 1976 mit folgenden Worten: Er hatte den Deutschen viel zu sagen und sagte es; Aber er sprach leise und wurde nicht gehört in einer Zeit, in der die Lautstärke schon als Botschaft gilt. Welch bemerkenswerte Parallele zum heutigen Zeitgeist.

Mein Dank gilt all denjenigen, die sich in den letzten Jahren um die Bewahrung des Erbes von Walter Bauer bemüht haben, die Schriften von ihm veröffentlicht haben, die über ihn und in seinem Geist geschrieben haben, um die gleichsam verschüttete Literatur wieder an den Tag zu bringen. Ein Walter Bauer, der Wanderer zwischen den Welten, dessen Weg von Merseburg über manche erfolgreiche, aber auch schmerzhafte Zwischenstation nach Toronto führte, hat uns mit seiner unermüdlichen literarischen Energie, das Gute im Menschen auch heute noch etwas zu sagen. Bauer war keine Abenteuernatur, aber ruhelos suchte er die Herausforderung, das Wagnis. Stets befand er sich auf der Suche nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit, um den einfachen Menschen, den Entrechteten und Bedrängten eine Stimme zu geben.

Aus Anlass seines 120. Geburtstages fanden in diesem Jahr schon eine Reihe von Veranstaltungen statt, so in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, an der Hochschule Merseburg oder im Schloss Merseburg. Ich glaube für beide Städte sprechen zu können, wenn ich sage, dass wir an der Tradition des Walter-Bauer-Preises, der mittlerweile seit 1994 vergeben wird, festhalten wollen. Mittlerweile hat sich zur kulturpolitischen Würdigung Walter Bauers einiges getan. Zugleich wird in den kommenden Wochen und Monaten in den Kulturausschüssen beider Städte eine Diskussion geführt wird, wie die Satzung des Preises neuen, aber keineswegs weniger anspruchsvollen Zielen angepasst werden kann.

diese Arbeit, diese Veränderung mit den sie Erfahrenden macht.“

Musikalisch werden wir heute von AuditivVokal aus Dresden unter der künstlerischen Leitung von Olaf Katzer begleitet. Auch in Leuna wird es, nachdem es bereits in Merseburg anlässlich der letzten Preisverleihung eine Welturaufführung gegeben hat, eine weitere erleben, nämlich von Drei Gesängen für Männerchor a cappella zu Walter Bauers ‚Stimmen aus dem Leunawerk’ des Schweizer Komponisten Walter Furrer.

Und zu sehen sind heute acht Bilder des Merseburger Künstlers Klaus-Dieter Urban, die er eigens für diese Preisverleihung malte.

Die Laudatio auf Thomas Böhme hielt die Walter-Bauer-Preisträgerin des Jahres 2022, Daniela Danz. Mir oblag es, die diesjährigen Stipendiaten vorzustellen:

Zum dritten Mal vergibt die Infra Leuna das Walter-Bauer-Stipendium - alles andere als eine Selbstverständigkeit, zumal in Zeiten kriselnder Wirtschaft. Zuvor war dieses Stipendium von wechselnden Sponsoren seit 2006 vergeben worden, so an Autoren die mittlerweile erfolgreich publizierten wie Christian Kreis, Thomas Rackwitz oder Bernhard Spring sowie an die österreichische Germanistin Anna Mochar.

Verliehen werden kann das Walter-Bauer-Stipendium laut Satzung an „junge Autorinnen und Autoren bis zum vollendeten 40. Lebensjahr, die im Sinne Walter Bauers literarisch wirken. Das Walter-Bauer-Stipendium kann jedoch auch für bedeutende Beiträge zur Bewahrung und Verbreitung des Lebenswerkes von Walter Bauer verliehen werden.“

In diesem Jahr nun wird das Walter-Bauer-Stipendium zum ersten Mal geteilt und geht an die jungen halleschen Germanisten Henriette Baier und Moritz Bense.

Henriette Baier, geboren am 10. April 2001 in Bernburg (Saale). 2011-2019 Gymnasium Carolinum Bernburg, dann Bachelorstudium der Germanistik und Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dann Wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Index Librorum Civitatum“. Seit 2023 ehrenamtliche Mitarbeit in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und im Louise-Otto-Peters-Archiv Leipzig. Mitwirkung an Publikationen (ebenso Moritz Bense) vor allem Publikation des Gleimhauses Halberstadt.

Moritz Bense geboren am 08. September 2000 in Halberstadt. 2011-2019 Käthe-Kollwitz-Gymnasium Halberstadt, seit Winter 2020: Doppel-Bachelorstudium (Germanistik / Geschichte) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, seit Sommer 2022: Tutor der Germanistischen Mediävistik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, seit Herbst 2023: Hilfskraft am IZEA (Institut zur Erforschung der Europäischen Aufklärung) in Halle (Saale). Er publizierte auch schon künstlerische Arbeiten, Gedichte und Prosa.

Die Jury zur Vergebe des Walter-Bauer-Stipendiums 2024 votierte einstimmig für das Vorhaben Henriette Baiers und Moritz Benses, Tagebücher Walter Bauers (insbesondere die der Jahrgänge 1952/53 und 1975/76) zu transkribieren und für eine Herausgabe in der Walter-Bauer-Reihe des Mitteldeutschen Verlages als Beitrag zum 50. Todestag Walter Bauers mit vorzubereiten.

Die Zuerkennung dieses Stipendiums rührt nicht zuletzt daher, dass somit zum ersten Mal seit Aufrichtung des Walter-Bauer-Stipendiums Studierende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit einem literaturwissenschaftlichen Vorhaben unterstützt und somit zielgerichtet hiesige junge Germanisten in die weitere Aufarbeitung und Verbreitung des Bauerschen Œvres mit einbezogen würden. Es wäre wunderbar, wenn dies Schule machte.. Allein im Deutschen Literaturarchiv Marbach harren etwa 60 weitere handschriftliche Tagebücher Walter Bauers einer wissenschaftlichen Sichtung – eine germanistische Fundgrube! Wohlan!