Postkutsche von Berlin nach Lübbenau
Am Abend des 6. August 1859 reiste Theodor Fontane per Postkutsche von Berlin nach Lübbenau, wo er am Morgen des 7. August ankam. Seine Begleiter waren Karl Bormann (Theologe und Lehrer), Wilhelm Lübke (Kulturhistoriker) sowie Otto Roquette (Schriftsteller). Zeitgleich reiste Ludwig Loefler (Lithograf) mit einem Reisegefährten ebenfalls nach Lübbenau. Hier und im Spreewald kreuzten sich Fontanes und Löflers Wege. Ob die Reise zwischen ihnen abgestimmt war, ist unbekannt. Fontane fuhr am Abend des 8. August zurück nach Berlin. Sein Spreewaldbericht erschien vom 31. August bis 3. September 1859 in der "Preußischen Zeitung". Ludwig Loefler durchreiste von Lübbenau aus weitere Orte der Lausitz und trat in Sorau (Zary/Polen) die Rückreise nach Berlin mit der Eisenbahn an. Sein Spreewaldausflug, der hier bis Burg wiedergegeben wird, erschien in der 41. Kalenderwoche 1859, der zweiten Oktoberwoche, in der "Gartenlaube". Die Betrachtungen über den Spreewald und die Menschen kann als Ergänzung zu Fontanes Bericht gesehen werden.
Bei der Wiedergabe habe ich die Urform der Veröffentlichung beibehalten, um dem damaligen Zeitgeist gerecht zu werden.
Die eingefügten Lithographien entstammen aus Ludwig Loeflers Feder.
Postreise! Welche Poesie im Klange dieses Wortes gegen die starre Prosa „Eisenbahn“! Welche Vorspiegelung gemüthlicher Scenen im gut gepolsteten Wagen und traulichen Poststationen! Welche Begeisterung für die gute alte Zeit, in der man dieses Genusses bei jeder Veränderung der Localität theilhaftig werden konnte!
Dies Gefühl der Wonne dauert indessen nur so lange, als man in der Zukunft oder Vergangenheit lebt. Die Gegenwart ist schrecklich, und sie wurde es, als wir an einem warmen Augustabend in dem dumpf dröhnenden Kasten aus dem Post-Thorwege der Spandauer Straße hinausfuhren. Die Straßen waren fast fremd, die Menschen andere, als wir die Bilder, Stück für Stück, durch die kleinen Fensteröffnungen der Kutsche vorübergleiten sahen. Ein schleierartiger heißer Dunst lag zwischen den Gegenständen und drang in unser Gefängniß, das außer uns noch eine kränkliche Frau mit einem Bündel Kinderzeug, in das ein junger Weltbürger zweifelhaften Geschlechts gewickelt war, und ein diesem zarten Alter schon seit geraumer Zeit entwachsenes Mädchen enthielt. Ein wenig frischere Luft umwehete uns, als wir auf die trostlose Chaussee kamen, die sich durch die Einöden von Tempelhof und Mariendorf hindurchquält, dagegen stellte sich ein neues Leiden in der nächsten Ortschaft ein. Es war, da wir in eine Beichaise (Zusatzkutsche, wenn das Platzangebot der Hauptkutsche nicht ausreichte) gekommen waren, das Wagenwechseln, bei dem wir bis Lübben allen möglichen Turnübungen unterworfen waren und hinsichtlich unserer werthen Persönlichkeiten fast zu schlecht wegkamen, als in Baruth der Postmeister dem Postillon zurief: „Laden Sie aus, ich habe den Sechssitzigen bestellt.“ Das „Ausladen“ betraf uns.
Traurige kleine Städtchen, noch trauriger in dem herumkletternden Laternenschein der schlaftrunkenen Postknechte, waren die Stationsörter bis zu dem freundlicheren Lübben, wo uns außer einem Blick in den Hain der Luba nichts vergönnt war, als eine Tasse Postkaffee, ein Aufguß, der weder mit Mokka, noch mit Martinique, noch mit St. Domingo in irgend einem Grade der Verwandtschaft steht.