Seid gegrüßt, hier ist wieder eure alte Baruther Schule!
Diesmal berichte ich vom „Lager für E und A“ (Erholung und Arbeit), welches meine 9. Klasse und ihre Klassenleiterin nach Abschluss des Schuljahres 1979/80 in Jelenia Gorá (Hirschberg), am Fuße des Riesengebirges in Polen, ausgewählt hatten. Die Patenbrigade vom Astikwerk Baruth übernahm die Beförderung hin und zurück mit einem Bus, Unterkunft und Verpflegung fanden sie kostenlos für zwei Wochen in einer Schule des Kurortes. Ihre Aufgabe war es, Wege und Treppengelände des Stadtparkes vom Unkraut zu befreien und zwar ohne chemische Mittel. Anleitung erteilte ihnen dazu die Stadtgärtnerei. Lobende Worte und anerkennende Blicke mancher Passanten erhöhten den Arbeitseifer meiner Baruther. Natürlich lockten vor allem die Freizeit in der Stadt, der Lift zur Schneekoppe und am Ende der ersten Arbeitswoche die Busfahrt nach Wroclaw (Breslau). Zunächst besichtigen sie die wunderschöne Breslauer Altstadt, danach erfolgte die obligatorische Belehrung für die anschließenden 2 Stunden, die jeder individuell nutzen durfte.
Die Mädchen interessierten sich dabei besonders für die Geschäfte und deren Schaufenster, die Jungen „machten große Augen“ bei den vielen hübschen Studentinnen, die an ihnen vorbeigingen. Ihre Klassenlehrerin hatte von ihrem Mann den Auftrag, eventuell ein Sensenblatt zu kaufen, aber von guter Qualität sollte es sein. In Begleitung der polnischen Betreuerin suchte sie ein Eisenwarengeschäft auf. Dort wollte sie ihre erworbenen Kenntnisse in der polnischen Sprache anwenden und von der Verkäuferin eine scharfe Sense verlangen. Dabei verwechselte sie aber die für Deutsche recht ähnlich klingenden Worte für Sense mit Ziege und verlangte auf polnisch: „Meine Dame, ich möchte bitte eine scharfe Ziege.“ Fröhliches Lachen war die Antwort, dann folgte die Aufklärung und die polnische Begleiterin übernahm die weitere Kaufhandlung. Im Anschluss daran besuchten beide ein Modegeschäft. Dort überließ Frau M. lieber gleich das Wort der polnischen Kollegin und verließ mit einem schicken sportlichen Kleid die Boutique.
Davon und von einem weiteren besonderen Ereignis erfuhr ich erst nach der Rückkehr der Truppe aus Polen. In der 2. Hälfte ihres Aufenthalts in Jelenia Gorá hörte die Klassenleiterin eines Nachts Geräusche im Schulgelände und sah unterhalb der Fenster – gegenüber im Nachbargrundstück – mehrere Gestalten im Dunklen entlanghuschen. Vorsichtig öffnete sie das Fenster einen Spalt und rief in barschem Ton auf polnisch: „Wer seid ihr? Was macht ihr da?“ Sie bezweckte, der Gruppe zu zeigen, dass diese ertappt wurde. Gleichzeitig überfiel sie die Angst, vor allem Angst um ihre Schülerinnen und Schüler, denn nur sie und ihre 9. Klasse übernachteten hier. Im Schlafanzug lief sie zitternd durch die einsamen dunklen Schulgänge bis zur Wohnung des Hausmeisters, den sie aufgeregt weckte, um ihm das Geschehen zu erklären. Der rief sofort die Polizei an. In kürzester Zeit traf noch in derselben Nacht und für die verbleibenden Nächte eine bewaffnete Bewachung im Schulgebäude ein. Nun fühlten sich unsere Baruther sicher, obwohl sie nicht verstanden, dass das Erlebte vielleicht einen politischen Hintergrund hatte und gar nicht ihnen galt.
Für ihre fleißige Arbeit im Park von Jelenia Gorá und ihr vorbildliches Benehmen wurde auch diese Klasse lobend verabschiedet. Das und viele schöne gemeinsame Erlebnisse ließen recht schnell die angstvollen Minuten in besagter Nacht vergessen.
Abschließend sei noch zu ergänzen, dass Frau M. während des Aufenthalts im „Lager für E und A“ Besuch von Kolleginnen der Partnerschule Jezow erhielt. Aber in der Folgezeit mussten sich die Partnerschaftsbeziehungen lösen, weil damals die politischen Vorgänge in Polen denen der Staatsführung der DDR widersprachen.
Im letzten Spreeauenboten vom Dezember hatte sich der Fehlerteufel (erneut) eingeschlichen. Deshalb folgen heute hier noch die passenden Fotos als Ergänzung. Foto 1 zeigt die Teilnehmer des Tanzstundenballs 1979 und Foto 2 gibt noch einmal einen Einblick in das Jugendherbergsleben vom Februar 1980.
Bleibt schön neugierig und seid gegrüßt von eurer Schule Baruth.