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Heimatspiegel Verbandsgemeinde Wethautal mit Sitz in der Stadt Osterfeld
Ausgabe 3/2023
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Rückblicke auf das Storchenjahr 2022 -Teil 2

Vorab eine Bemerkung zur Pflege des Nestes oder Horstes (beide Bezeichnungen werden verwendet). Die Störche bringen beim Nestbau alles ein, was die Umgebung bietet. Sie nehmen nicht nur Zweige, sondern gerne auch Halbverrottetes vom Kompost- oder Misthaufen. Das ergibt in Verbindung mit den darin befindlichen Samen richtig harte Grasverklumpungen, die das Nest ausfüllen und nur per Hebebühne und Spaten zu entfernen sind. Gelegentlich finden auch Plastikteile den Weg ins Nest. Zum Glück gibt es bei uns fleißige Helfer, die die Nestbereinigung im Winter, wenn die Störche noch nicht da sind, durchführen.

Das ist schon wichtig, da ein verhärteter, zugesetzter Nestboden den Abfluss des Regenwassers behindert, was schlimmstenfalls zum Ertrinken der Storchenküken führen kann.

Im Namen der Störche: Vielen Dank an die Helfer !

Das Brutpaar 2022 richtete sich in der sozusagen frisch renovierten Wohnung häuslich ein. Sie spazierten gemeinsam durch unser schönes Tal, inspizierten die umliegenden Wiesen als Nahrungsbasis und bauten am Nest.

Am 16. April, dem Ostersamstag, war immer nur ein Storch allein unterwegs und das Nest blieb ganztägig vom anderen besetzt. Für uns ein klarer Hinweis auf den Brutbeginn.

Trubel und Osterfeuer auf der Wiese nebenan nahmen die Störche relativ gelassen zur Kenntnis, zumal der Rauch nicht in Richtung des Horstes zog. Ein Storch stand am Horstrand, der andere saß auf den Eiern und beide beobachteten aufmerksam das Geschehen auf der Festwiese.

Als es dann krachte und bunte Kugeln vom Himmel fielen, ergriffen beide Störche die Flucht und verließen das Nest. In dieser frostigen Nacht waren die Eier schutzlos der Kälte ausgeliefert.

Für uns war es eine Nacht voller Sorge. Ob die Störche wohl zurückkommen werden ?

Das Brüten war zwar abgebrochen, aber zu unserer Erleichterung kehrte das Storchenpaar wenigstens am nächsten Morgen zurück.

Beide wirkten deutlich verunsichert, saßen nur kurz auf den Eiern und flogen unruhig hin und her.

Am Tag darauf stocherten die Störche im Nest herum und warfen Eierschalen hinaus, die wir in Nähe des Mastes fanden.

Dann wurde erneut zum Brüten angesetzt. Ob vom Ostersamstag noch Eier den Frost überlebt hatten, wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass die Störchin in der Lage war, weitere Eier zu legen.

Ein Storchenpaar beginnt normalerweise zu brüten, sobald 2 Eier im Nest sind. Die Störchin legt dann jeden zweiten Tag ein weiteres Ei hinzu. Ein Gelege besteht aus 3 bis 5 Eiern und die Brutzeit beträgt 28 bis 32 Tage.

Wir sahen es als großes Glück an, dass das Paar dennoch erfolgreich 3 Küken ausbrütete, die um den 20. Mai herum schlüpften und von den Eltern eifrig mit Nahrung versorgt wurden.

Dass der Agrarbetrieb die große Wiese neben dem Horst gemäht hat, kam dem Futterbedarf der Störche sehr entgegen.

Aus unserer Sicht entwickelten sich die drei Storchenküken gut und hatten inzwischen etwa die Größe eines Zwerghuhnes, allerdings mit langem Hals.. Die Eltern schauten oft liebevoll auf die drei hinab, die schon ganz storchentypisch den Kopf nach hinten werfen und mit den kleinen Schnäbeln klappern konnten. Es wirkte wie ein Familienidyll und war Anlass für viele Foto- und Videoaufnahmen.

Mit Schrecken entdeckten wir am 10. Juni, also nach knapp 3 Wochen, dass nur noch ein Jungstorch im Nest zu sehen war. Wir waren erschüttert …

Ein noch so genaues Hinsehen mit Kamera oder Fernglas änderte leider nichts an unserer Wahrnehmung. Die Tiefe des Nestes ist für uns nicht einsehbar. Wir hätten sonst erkennen können, dass die beiden anderen Jungstörche tot im Nest lagen.

Später wurden wir Augenzeugen davon, dass die Störchin die schon toten Jungen heftig mit dem Schnabel traktierte und vergeblich versuchte, sie über den Nestrand zu ziehen. Schließlich müssen die Altstörche es doch geschafft haben, die beiden toten Jungen aus dem Nest zu befördern. Es heißt korrekt „Abwurf“, aber das macht das grausige Geschehen auch nicht besser.

Wir hatten gemischte Gefühle, entschieden uns aber dafür, nicht menschliche Maßstäbe anzulegen, sondern die Klugheit der Störche anzuerkennen.

Sie wussten bereits vor Beginn der lang anhaltenden Trockenperiode, dass diese kommen würde und sie somit nicht ausreichend Futter für 3 Storchenkinder finden werden.

Woher wissen die das ???

Fazit: Sieg der Vernunft - wir bleiben trotz der schockierenden Bilder Storchenfreunde!

Das verbleibende Storchenküken entwickelte sich in den folgenden Wochen gut und wurde liebevoll umsorgt. Ein Elternteil war stets auf Nahrungssuche während der andere das Nest mit dem Jungstorch bewachte. Einige Male galt es Fremdstörche abzuwehren, die sich dem Horst, in welcher Absicht auch immer, näherten.

Was gefüttert wurde, war nicht so ersichtlich wie andere Jahre, in denen vorrangig Mäuse und gelegentlich Maulwürfe und Schlangen gebracht wurden. Vermutlich waren es eher Kleintiere.

Allerdings ist uns bei Spaziergängen in der Natur aufgefallen, dass kaum noch Grillen zirpen und dass nur noch wenige Grashüpfer erschreckt aufspringen, wenn man eine Wiese betritt.

Ebenso mangelte es an Regenwürmern, die von Störchen gern genommen werden.

Mit Sorge betrachten wir die anhaltende Trockenheit in den letzten Jahren, auch im Hinblick auf die Futterversorgung aller Wildvögel.

Wird diese Trockenheit vielleicht durch die vielen Windräder begünstigt? Wir beobachten immer wieder wie dunkle Wolkenwände heranziehen, die dann plötzlich verschwunden sind. Es entsteht der Eindruck, dass die durch die Riesenflügel der ringsum stationierten Windräder verursachte Luftverwirbelung diese Regenwolken zerpflückt. Sie sind dann nicht mehr in der Lage, Regen abzugeben – bestenfalls Sprühregen.

Wie viele Jahre werden die Störche noch unsere Region zum Brüten aufsuchen? Wie lange werden wir uns noch daran erfreuen können, dass sie nur wenige Meter entfernt vom Wanderweg auf der Wiese schreiten und nach Nahrung suchen.

Das sind so Fragen, die uns umtreiben, auf die wir (noch) keine eindeutigen Antworten haben.

Fortsetzung folgt

R. & K. Kantzke