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Heimatspiegel Verbandsgemeinde Wethautal mit Sitz in der Stadt Osterfeld
Ausgabe 3/2025
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Die Windmühle zu Meineweh

Wenn wir in der Geschichte unterwegs sind, dann können wir jedes Jahr kleinere und größere Jubiläen finden. Manche sind erwähnenswert und manche sollten wir nicht groß erwähnen, aber auch nicht vergessen. Wenn wir aus der Geschichte lernen, dann können wir mit diesem Wissen die Zukunft gestalten. Positiv aber auch negativ. Es liegt an uns und in unseren Händen. Das vergangene Jahr ist auch geprägt von lokalen und epochalen Jubiläen. Ich möchte mich auf meinen Heimatort beziehen, obwohl manches auch über die Ortsgrenzen hinausgewirkt hat und manches noch wirkt. Im September 1924 erfolgte die bombastisch und groß aufgezogene Fahnenweihe des Schützenvereins Meineweh. Da war schon was los und die Gäste kamen teilweise aus weiter entfernten Regionen nach Meineweh und huldigten den Schützen und Kriegern, denn die Situation des vergangenen Krieges wirkte noch sehr stark in politischen und wirtschaftlichen Kreisen, ich kann behaupten, in der gesamten Gesellschaft. Neben diesem rückwärtsgewandtem Brimborium steht aber noch ein anderes Jubiläum. Im Jahre 1924 wurde der Neubau der Holländermühle am alten Mühlenstandort fertiggestellt und seitdem ragt der über 20 m hohe Mühlenturm über die Landschaft unserer Feldflur. Mit dieser Präsenz zeigte er über viele Jahre die wirtschaftliche Bedeutung unseres Ortes auch für Außenstehende an. Es war die größte und leistungsfähigste Windmühle der damaligen Zeit im gesamten, auch weiteren Umkreis. In einer Zeit, welche den Menschen nicht unbedingt große Hoffnungen brachte. Es herrschte eine galoppierende Inflation, der Weltkrieg war gerade einmal fünf Jahre vorbei, die Weimarer Republik krankte an allen Ecken und Enden, die Reparationszahlungen drohten das Deutsche Reich zu ersticken und so mussten die Deutschen im Mai und im Dezember 1924 an die Wahlurnen zum Reichstag treten. In dieser schwierigen Zeit hat der Eigentümer der Meineweher Mühle, Karl Albrecht, den Schritt gewagt und mit viel Mut, Sachverstand, Mühe und Risikobereitschaft, den Weg in die Moderne eingeschlagen. Die Windmühle zu Meineweh ist natürlich viel älter und sie gehörte in der vergangenen Zeit als Pachtmühle zum Rittergut Meineweh. Bereits ab 1653 ist als Pachtmüller Christoph Becker nachgewiesen. Erst am 02. Dezember 1712 entsteht durch Kauf/Verkauf das separate Eigentum der Mühle. Die Geheimrätin von Schönberg verkauft die Gutsmühle an Christian Fritzsche und in der Folgezeit bleibt sie in Privatbesitz. In der zweiten Hälfte des Neunzehnten Jahrhunderts wird sie nochmals verpachtet. Ab 01. Januar 1897 ist sie dann im Privatbesitz des Karl Albrecht aus Raguhn. Albrecht war vormals Seefahrer, hatte sich dann ausbilden lassen als Müller und kaufte die Meineweher Bockwindmühle nebst Wohngebäuden und Stallungen. Diese Bockwindmühle hatte bereits 1813 Napoleon versucht zu zerstören. Mehrere Pferdegespanne sollten sie umziehen, denn sie diente für die Artillerie als Richtpunkt für die Berechnung der Schusssektoren in den damaligen Kämpfen. Napoleon hat versagt. Karl Albrecht heiratete eine schmucke Kaline aus Hollsteitz und in deren Familie gab es einen Mühlenbauer. Die alte Mühle war nach der Jahrhundertwende ein knarrendes und in die Jahre gekommenes Etwas und bedurfte ebenso wie die übrigen Gebäude ständiger Reparaturen. Albrecht hatte die Idee, schmiedete die Pläne, suchte Partner und organisierte Material und nach erteilter Genehmigung ging der Bau aber los. Mit dem Kohleabbau in der näheren und weiteren Umgebung, wurden Dörfer abgerissen und die Ziegel und Natursteine waren günstig zu beschaffen. Dazu noch einen Anteil neuer Steine und Baumaterialien und mit Hilfe ortsansässiger Handwerker, von Familienmitgliedern, Freunden und sehr viel Eigenleistung, wurde der Mühlenturm hochgezogen. Abweichend von der klassischen Form der Holländermühlen entstand ein gleichmäßig nach oben verjüngter Turmkegel, mit einem drehbaren, auf Holzrollen gelagerten Turmkranz. Der Durchmesser beträgt an der Basis 8,50 m und in der Spitze 7,50 m. Die Mauerdicke beträgt unten 60 – 80 cm und am oberen Abschluss 24 cm. Das Turmoberteil ist 360° drehbar und konnte somit immer in den Wind gedreht werden. Auf 16 m Höhe sitzt die Flügelwelle, welche ca. 10° angestellt ist, damit die Flügel nicht am Kegel schleifen. Die einzelnen Flügel hatten eine Länge von 12 m und waren mit jeweils 24 Jalousienklappen versehen, welche je nach Windstärke geöffnet oder geschlossen werden konnten. Über dem Erdgeschoss befinden sich vier Arbeitsböden mit ca. 3 m Deckenhöhe und von Etage zu Etage ist eine jeweilige Mittelsäule. Der Antrieb und die Kraftumsetzung ist ein Wunderwerk der Technik und eine Mischung aus Holzkonstruktion und Stahlguss. Das Riesige Kammrad ist komplett aus Holz und die Kraftübertragung erfolgt über Holzverzahnung zu Gusszahnrädern bis zu den Mahlsteinen respektive Walzen. So erfolgte vor 100 Jahren die Inbetriebnahme einer effizienten Windkraftmaschine zur Produktion von Mehl und Schrot für die menschliche Ernährung und die Futterversorgung der Tierbestände. Mit zwei Bäckereien und der leistungsfähigen Windmühle konnte Meineweh völlig autark leben und sich versorgen. Später wurde umgestellt auf Elektroantrieb und zwischenzeitlich der Betrieb mit einem Einzylinder Dieselverdampfer als Standmotor, dann wieder auf Elektroantrieb. In der Endphase zu Zeiten der LPG wurden 1.200 t Jahresdurchlauf produziert und das sind immerhin 24.000 Zentner. Heute ist der Holländer nicht mehr in Betrieb und die übrigen Gebäude werden zu Wohnzwecken und als „Zimmerei Hagen Schmaltz“ durch die Familien Schmaltz genutzt. Karlheinz Schmaltz hatte seine Familie zu einer Familienfeier mit einer Präsentation der Geschichte der Mühle überrascht und ich habe in persönlichen Gesprächen festgestellt, dass Schmaltzens auch heute noch stolz auf die Vision und die Leistung des Urgroßvaters sind. Mit diesem Stolz und den Bemühungen zum Erhalt, lebt die Geschichte weiter und ich wünsche mir auch heute noch solche Visionäre und mutige Leistungsträger, wie damals in der schwierigen Zeit Anfang der Zwanziger, wie Karl Albrecht. Dann kann es auch was werden in unserem Land.

Frank Müller