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Heimatspiegel Verbandsgemeinde Wethautal mit Sitz in der Stadt Osterfeld
Ausgabe 6/2025
NICHTAMTLICHER TEIL
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Erinnerungen an schwere Tage

„Erinnerungen an schwere Tage.“ Ein Enkel arbeitet seine Familiengeschichte auf und sucht nach Antworten.

Warum wurde mein Opa 1945 mitten in der Erntezeit einfach vom Feld abgeholt und später für sieben Jahre eingesperrt? Die Bauernfamilie P. war seit Jahrhunderten Eigentümer eines „Bauerngutes“ und bewirtschaftete ihren Hof, Felder und Wiesen, rund 20 ha. Im Zuge der „Bauernbefreiung“ 1844 lösten sich die Vorfahren aus der Zinsverpflichtung gegenüber dem Rittergutsbesitzer aus und lebten wie andere Bauern auch in Mitten der rund 250 zählenden Einwohner der Gemeinde. Die NS-Zeit ging auch in diesem Ort nicht vorbei. Der letzte Rittergutsbesitzer, Abgeordneter seit 1933 im Deutschen Reichstag und Kreisbauernführer, fand in Walter dem Opa, einen möglichen „Verbündeten“. Walter wurde der „Parteisekretär“ der NSDAP im Dorf. Am 06. Juli 1939, so in der Ortschronik nachzulesen, hat er dieses Amt abgegeben. Es sind auch keine Aktivitäten für diese Partei seinerseits in der Chronik zu finden und auch später konnte man dem Opa sowie der Familie nichts nachreden.

Kriegsende 1945, die Amerikaner marschierten am 12. April 1945 in dem Ort ein und danach die Rote Armee. Es folgte eine „Säuberungsaktion“, die Entnazifizierung. Parteinahe Personen wurden abgeholt und eingesperrt, auch Opa Walter.

Er durchlief sowjetische Speziallager und kam im Februar 1950 in Waldheim an. Hier wurde er wie mit weiteren 3308 eingesperrten im Zuge der Waldheimer Prozesse, (25. 04. Bis 29.06.1950), durch die damalige Justiz zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Ohne substantielle Anklage, ohne Verteidigung und ohne Aushändigung des Urteils, eben wegen einem „Verdacht“ auf Parteinähe. Opa Walter wurde 1952 amnestiert, die Familie enteignet und musste Dorf verlassen (Verweis aus dem Kreis). Eine MDR-Kultursendung vom 11.02.2025 berichtet hier von einem Justizverbrechen vor 75 Jahren.

Text: W. B.