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Mölkauer Gemeindeblatt
Ausgabe 10/2025
Aus dem Mölkauer Leben
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Stadtteilgeschichten

Moltrecht – der Gutsbesitzer von nebenan

In Mölkau, genauer gesagt im Ortsteil Zweinaundorf, gibt es eine Straße, die einen recht ungewöhnlichen Namen trägt: Moltrechtstraße. Klingt nach etwas zwischen preußischem Beamten und altem Mühlenrecht – ist aber in Wirklichkeit ganz bodenständig der Nachname eines Mannes, der Mitte des 19. Jahrhunderts hier seine Spuren hinterlassen hat: Heinrich Robert Moltrecht.

Moltrecht war kein Adliger, kein Weltverbesserer, kein Dichter – er war ein Leipziger Kaufmann, wie es damals viele gab: ehrgeizig, solide, mit einem Gespür für das, was sich rechnet. 1842 kaufte er das Rittergut Zweinaundorf, ein Anwesen mit Feldern, Wirtschaftsgebäuden und ordentlich Einfluss im Dorf. Wer ein Rittergut besaß, war automatisch jemand, den man beim Namen kannte – und beim sonntäglichen Kirchgang auch höflich grüßte, ob man nun mochte oder nicht.

Man kann sich gut vorstellen, wie der Herr Moltrecht morgens mit Gehrock und Spazierstock über den Hof ging, die Stallungen kontrollierte, mit dem Gutsverwalter sprach und sich dann vom Knecht auf dem holprigen Kutschweg nach Leipzig fahren ließ – geschäftliche Angelegenheiten. Schließlich war man nicht nur Landwirt, sondern auch Geschäftsmann mit städtischen Ambitionen.

Eine kleine Anekdote aus seiner Zeit in Zweinaundorf erzählt man sich noch – wenn auch ohne Gewähr auf absolute historische Genauigkeit: Eines Tages soll Moltrecht höchstpersönlich auf dem Feld erschienen sein, weil sich ein besonders sturer Ochse geweigert hatte, den Pflug zu ziehen. Statt sich auf seine Leute zu verlassen, stapfte der Gutsbesitzer im Sonntagsrock durchs nasse Erdreich und versuchte, das widerspenstige Tier selbst zu führen – mit wenig Erfolg, aber viel Lacherpotenzial beim Gesinde. Der Ochse blieb stur, Moltrecht wurde schmutzig, und ein alter Feldarbeiter soll gemurmelt haben: „Na, Herr Moltrecht, Respekt vor de Viecher is och ne Tugend.“

Leider blieb Heinrich Robert Moltrecht nicht lange Herr des Guts – er starb schon 1845, mit gerade einmal 37 Jahren. Warum so früh? Darüber schweigt die Geschichte. Vielleicht Krankheit, vielleicht ein Unfall, vielleicht einfach Pech. Doch sein Name blieb, vor allem durch die Straße, die später nach ihm benannt wurde – als stilles Andenken an einen jener typischen, fleißigen Männer des 19. Jahrhunderts, die lieber anpackten als reden.

Heute rauscht der Autoverkehr durch die Moltrechtstraße, vorbei an Einfamilienhäusern, Bäumen und dem einen oder anderen Überbleibsel alter Gutsmauern. Vom Ochsen ist keine Spur mehr. Aber wer weiß – vielleicht würde Moltrecht selbst schmunzeln, wenn er wüsste, dass sein Name fast 200 Jahre später noch durchs Viertel spaziert.