Inserat in der Zeitung „Meißner Hochland“ mit der Aufforderung einer Angebotsabgabe vom 20. März 1873
Plan der Fassade der Vorderfront
Erinnerungsfoto eines Schülers zum 1. Schultag am 16. April 1928
Das Gebäude der jetzigen Julius-Mißbach-Grundschule wird in diesem Jahr 150 Jahre alt. Am 31. August 2024 sind alle Bürger, ehemalige Lehrer und Schüler sowie Interessierte herzlich zu diesem Jubiläum eingeladen. Genauere Informationen dazu werden Ihnen zeitnah im Amtsblatt mitgeteilt.
Um Ihnen dieses außergewöhnliche Jubiläum etwas näher zu bringen, starten wir in diesem Anzeiger mit einem Einblick in die 150-jährige Geschichte des Schulgebäudes, vom Anfang, d. h. von den ersten Gedanken, eine Schule zu bauen, bis hin in die heutige Zeit, wo das Schulgebäude als unsere Julius-Mißbach-Grundschule fungiert. Die Darstellung dieser geschichtlichen Entwicklung wurde größtenteils aus der von Schulleiter Klaus Anders herausgegebenen Broschüre anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der Friedrich-Schiller-Schule im Jahre 1999 entnommen. Herzlichen Dank dafür. Wir haben für Sie die wichtigsten Abschnitte zusammengefasst, so dass kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.
Begleiten Sie uns nun auf die Reise in die Vergangenheit eines der ältesten Schulgebäude in der ganzen Region.
Bereits aus dem 16. Jahrhundert stammen nachweislich die ältesten Nachrichten, dass es in Neustadt eine Schule gab. Die Stadt galt bereits im Mittelalter als schulfreundlich. Wo die erste Schule gestanden hat, ist nicht mehr feststellbar. Jedenfalls gab es um 1555 eine Schule, die sich zwischen der St.-Jacobi-Kirche und der heutigen Druckerei „Julius Mißbach“ befand. Aufgrund des schlechten Zustandes und des Platzmangels wurde eine weitere Schule ab dem Jahr 1661 an der Südseite der Kirche errichtet, so dass bis zum Jahr 1886 beide Gebäude als Schule dienten. Aber auch das reichte nicht für die wachsende Schülerzahl. So wurden zusätzlich Zimmer angemietet und Privatschulen entstanden. Somit entstand ein Konkurrenzkampf zwischen der Stadtschule und den privaten Schulen.
Der Bau
Deshalb fassten am 5. März 1870 die Stadtratsabgeordneten den Beschluss zum Bau eines neuen Schulgebäudes. Durch den Druck der Öffentlichkeit angesichts steigenden Schulgeldes (ein Ergebnis der Konkurrenz zwischen Stadtschule und Privatschulen) sowie mangelnder Unterrichtsbedingungen sah sich der Stadtrat und die Verwaltung dazu gezwungen. Zudem stieg die Bevölkerung im 19. Jahrhundert ungewöhnlich dynamisch an. Im Jahr 1871 nahm die industrielle Entwicklung einen schnellen Aufschwung. Um alle Aufgaben bewältigen zu können, war eine bessere Bildung notwendig. Diese Entwicklung machte auch um Neustadt keinen Bogen, so dass der Zunahme von Schülern nicht nur personell, sondern auch materiell Rechnung getragen werden musste.
Der unbefriedigende Zustand der Neustädter Stadtschule blieb auch der Königlichen Kreisdirektion zu Dresden nicht verborgen. Diese legte dem Stadtrat mit einer Verordnung vom 11. September 1871 nahe, das hiesige Schulwesen zu reorganisieren und einen Neubau einer Schule in Angriff zu nehmen. So beschloss der Stadtrat am 15. März 1872 nun endlich die Erbauung eines neuen Schulgebäudes mit acht Klassenzimmern, zwei Lehrerwohnungen, einem Saal (Aula) sowie einer Hausmeisterwohnung. Jedes Klassenzimmer sollte für 60 Kinder eingerichtet werden. Als Standort wurde der Platz an der Bischofswerdaer Straße vorgesehen.
Die damalige Baukommission erhielt den Auftrag dazu. Anfangs gestaltete sich der Bau schwierig. Mit dem Architekten Sörensen stritt man monatelang über die Bauzeichnungen und die damit verbundenen hohen Kosten für das Projekt. Die Bearbeitungsfristen der Baugenehmigungsbehörde in der Kreisdirektion verzögerten den Baubeginn abermals. Aber auch die überzogene Kaufpreisforderung der Landeigentümer des Standorts drohten das Projekt scheitern zu lassen.
Mit Beginn des Baus stellten sich die nächsten Herausforderungen, der Baugrund war sumpfig und ungeeignet für die gewaltigen Fundamente dieses großen Gebäudes. Unter heutiger Betrachtung wurde eine meisterhafte Lösung mit der Verlegung eines dreifachen Schwellenrostes aus Eichenholz gefunden, auf welchem die Grundmauern bis heute einen sicheren Halt fanden. Doch dadurch entstanden ungeplante Mehrkosten. Über die tatsächlichen Baukosten war man sich im Unklaren, da keine verbindlichen Angebote vorlagen. Am 20. März 1873 erschien im „Meißner Hochland“ eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für den Schulneubau.
Alle Interessenten sollten sich am 9. April 1873 im Rathaus einfinden. Es waren eine Reihe von Bauunternehmen erschienen, allerdings wurde kein schriftliches Angebot vorgelegt. Die Vergabe der Baulizenz konnte somit nicht durchgeführt werden. So musste ein Termin festgelegt werden, zu diesem schließlich fünf Angebote vorgelegt wurden. Das günstigste Angebot des Amtsmaurermeister August Kunze lag bei 35.475 Talern. Er erhielt am 15. Mai 1873 den Auftrag. Gemeinsam mit Maurermeister Krippner nahm er den Bau in Angriff. Die Oberaufsicht wurde dem Landbaumeister a. D. Crosting aus Dresden übertragen. Da die finanziellen Mittel die Möglichkeiten der Stadt weit überstiegen, bemühte sich der Rat um ein Darlehen. Dazu wurden Verhandlungen mit der Landständischen Bank in Bautzen, dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts des Landes Sachsen und dem Reichsinvalidenfonds in Berlin geführt. Letzterer war bereit, ein Darlehen von 100.000 Reichsmark bei 4,5 % Verzinsung auf 39 Jahre zu gewähren. Im Herbst 1874 näherte sich die Vollendung des Schulneubaus, so dass am 1. Oktober 1874 die Einweihung des imposanten Gebäudes nach eineinhalb Jahren Bauzeit erfolgen konnte.
Die Einweihung
Die Schuleinweihung organisierte ein in der Bauzeit gebildeter Schulausschuss. Die Schule wurde in zwei Bereiche unterteilt, die „Erste Bürgerschule“ für leistungsstarke Schüler und die „Zweite Bürgerschule“, welche die sogenannte einfache Volksschule integriert hatte. Eine Trennung der Geschlechter war vorgeschrieben. Beide Abteilungen standen unter der einheitlichen Leitung des damaligen Schuldirektors Friedrich August Ferdinand Rüsse aus Schöneck, welcher in der Stadtratssitzung am 5. Oktober 1874 verpflichtet wurde. Damit konnte am 1. Oktober die technische Übergabe des Gebäudes veranlasst werden, das offizielle Zeremoniell erfolgte am 13. Oktober 1874. Das „Meißner Hochland“ berichtete darüber in der Ausgabe vom 17. Oktober 1874. Hervorgehoben wurde, dass die neue Lehrstätte die schönste und zweckmäßigste im ganzen pirnaischen Schulbezirk sei. Am 30. April 1886 wurden die Anlagen fertiggestellt.
Schule in der Kaiserzeit 1874 - 1918
Der Schulalltag trat schnell ein. In jeder der Abteilungen unterrichteten der Direktor, vier Lehrer und ein Hilfslehrer. Jede Klasse hatte ihren Klassenlehrer. Als neues Fach führte die Schulleitung 1873 in den älteren Mädchenklassen den Handarbeitsunterricht ein. Zum Ende des ersten Schuljahres wurden bereits 450 Schüler unterrichtet, aus heutiger Sicht bei der geringen Lehrerzahl damals eine unglaubliche Zahl.
Am 5. Januar 1897 trat der erste Schuldirektor in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde Ernst Heinrich Brenner. Unter seiner Leitung wurden die beiden Abteilungen 1902 zu einer „Mittleren Volksschule“ vereint. Wie der spätere Direktor und Chronist Oswin Hantzsch bemerkte, sollte eine einheitliche Grundbildung für das gesamte Volk der Neustädter Stadtschule ihren modernen Charakter verleihen.
1899 erhielt die Schule eine Aufwertung durch die Integration der neugegründeten Gewerbeschule und Verbandsberufsschule. Somit lernten alle Berufsschüler Neustadts und der Ortsteile in der Neustädter Schule. Erst zum 1. Januar 1933 wurde ein eigenständiges Berufsschulgebäude bezogen.
1905 stieg die Zahl der Schüler auf 810 an. Unterrichteten 1874 sechs Lehrer so waren es nun neben dem Direktor bereits 14 eigenständige Lehrer, drei Hilfslehrer und eine Handarbeitslehrerin. Es wurden 20 Klassen in 16 Klassenzimmern unterrichtet, acht Knaben-, acht Mädchen- und vier gemischte Klassen. Die Kapazitäten waren überschritten, ein Ende des Anstiegs der Kinderzahlen nicht absehbar. Eine Erweiterung der Schule war unabdingbar.
Im Juli 1905 wurde der Anbau eines Flügels an der nördlichen Seite beschlossen. Die Arbeiten begannen am 29. September 1906. 1907 erfolgte die feierliche Übergabe. Wie notwendig der Anbau war, zeigte sich 1909 mit der bisher höchsten Schülerzahl von 902 seit dem Bestehen der Schule. Unterrichtet wurde von 19 Lehrern.
Im Kellergeschoss des Anbaus wurde eine Koch- und Haushaltsschule eingerichtet, welche später zum Kochschulverband der Volksschule zu Neustadt, Langburkersdorf, Polenz und Berthelsdorf erweitert wurde.
Ein starker Rückgang der Schülerzahlen war infolge der Auswirkungen des 1. Weltkrieges (1914 - 1918) zu verzeichnen. Durch den Krieg verschlechterten sich auch die Unterrichtsbedingungen, die wenigen Lehrkräfte, welche nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurden, konnten die gestellten Forderungen nicht erfüllen, der Unterricht wurde verkürzt.
Schule während der Weimarer Republik 1919 - 1933
Nach Ende des 1. Weltkriegs und Beseitigung der Kaiserherrschaft zog erstmalig demokratischer Geist in die Neustädter Schule. 1919 wurde das Schuldirektorat abgeschafft, der Titel Direktor durfte nicht mehr geführt werden. Die vierjährige Grundschulpflicht wurde eingeführt, wobei die Schule nach dem Achtklassensystem eingerichtet war. Eine Trennung nach Geschlechtern war nicht mehr vorgesehen. In der Vorschulzeit gab es die Möglichkeit, die Spielschule zu besuchen, dies entsprach dem späteren Kindergarten.
Kernpunkt des neuen Schulgesetzes war die leistungsorientierte Differenzierung der Schüler, wobei nach dem dritten Schuljahr eine Leistungsüberprüfung mit anschließender „Auslese minderbegabter Kinder“ durchgeführt wurde. Diese kamen in eine Nachhilfeklasse. Am Ende des vierten Schuljahres erfolgte eine weitere Überprüfung. Es wurde dabei ausdrücklich verwiesen, keine sozialen Unterschiede zu machen, sondern arm und reich gleichermaßen zu behandeln. In den höheren Klassen wurde Englisch und Stenografie sowie ab der 5. Klasse der Werkunterricht eingeführt. Mitte der 20er Jahre legte man das Augenmerk auf die Körperertüchtigung (Sport). Besonders Turnen, Schwimmen, Rodeln, Ski- und Eislauf wurden gefördert. Aber auch Wandertage, Unterrichtsgänge, Fahrten in Jugendherbergen und Landheime brachten Abwechslung. 1925 erließ das Kultusministerium dazu Richtlinien (Lehrpläne). Am 2. August 1923 übernahm Oswin Hantzsch die Stelle des Schulleiters. Die Schülerzahlen sanken nach dem Weltkrieg ab. Es besuchten 1923 noch 640 Kinder die Schule. Dies rief kein Bedauern hervor, die Räume konnten effektiver genutzt werden. Neben den Klassenzimmern gab es im Kellergeschoss noch eine Speiseküche und einen Werkraum zur Holzbearbeitung, im Erdgeschoss einen Raum zur Aufbewahrung der Schneeschuhe, ein Zimmer für die städtische Volksbücherei, im ersten Stock ein Physikzimmer, ein Physikalienkabinett mit Radioanlage, eine Dunkelkammer, ein Büchereizimmer, ein Lehrer- und ein Schulleiterzimmer sowie zwei weitere Lehrmittelzimmer und ein Nadelarbeitszimmer. Im zweiten Stock befand sich ein Aquarienzimmer, die Aula, ein Abstellraum und ein Zeichensaal sowie ein Schrankzimmer. Im dritten Stock gab es zwei Zimmer für den Pappunterricht. Außerdem befanden sich im Gebäude eine Hausmeister- und eine Lehrerwohnung. Nachdem 1930 die Berufsschule ausgegliedert wurde, entspannten sich die Platzverhältnisse weiter. 1920 stiftete Friedrich Wilhelm Kaulisch eine Gedenktafel an der Vorderseite des Gebäudes. Zum 50-jährigen Bestehen 1924 setzte sich Wilhelm Hoffmeister dafür ein, dass ein in Muschelkalkstein gehauenes Reliefbild im südlichen Schuleingang angebracht wurde. Somit fand diese Zeit mit einer gebührenden Jubiläumsfeier einen gelungenen Abschluss. Aber auch die „Goldenen Zwanziger“ und deren wirtschaftlicher Aufschwung wurden genutzt, in die Erhaltung der Neustädter Volksschule zu investieren.