Am 1. Mai 1965, dem „Kampftag der Werktätigen“, mussten auch die Schüler mitdemonstrieren
Beim Manöver „Schneeflocke“ mit der Kampfgruppe des Fortschrittwerkes, dem Patenbetrieb
Die Fahne der Pionierfreundschaft „Bruno Dietze“ anlässlich des 25. Geburtstages der Pionierorganisation im Dezember 1973
Die Lehrer und das technische Personal im Schuljahr 1987/88 1. Reihe v. l. n. r. Schneider, Schreiber, Schindler, Güldner, Böhme, Voigt, Schöne, Töppel, Hubrich, Gnauck (Direktor), 2. Reihe v. l. n. r. Gierth, Dummer, Wiedrich, Sinnatsch, Unger, Giebe, Kreßner, Lischke, Engel, Hedrich, 3. Reihe v. l. n. r. Voß, Tietze, Nestler, Grahl, Dufke, Beyer, Hänsel, Rinke, Hempel, Haftmann, Baumhekel, Schmidt, Grohmann, 4. Reihe v. l. n. r. Schneider, Scneider, E. Siegel, H. Siegel, Demel, Urban, Ulbricht, Konrad, Ludwig, Hennig, Kollowa, Hoffmann, 5. Reihe v. l. n. r. Richter, Müller, Böhme, Gräfe, Trompler, Schüßler, Kindermann
Nachdem wir uns in der letzten Folge an die Entstehung der Sternwarte und der Sonnenuhr erinnert haben, soll nun wieder der Inhalt des Schulalltags in den Mittelpunkt rücken.
Die Ziele der SED-Politik wurden nach 1952 mit ganzer Kraft in Angriff genommen: die Schüler für diese neue Gesellschaft zu gewinnen und sie zu sozialistischen Persönlichkeiten zu entwickeln, war das Programm und der Anspruch, dem alles untergeordnet wurde. Die Sowjetpädagogik sollte die Richtlinie der Bildungs- und Erziehungsarbeit für die Lehrer sein. Es gab Lehrer, die nach strengen Eignungsüberprüfungen aus dem alten System übernommen wurden und die sogenannten Neulehrer. Letztere hatten es besonders schwer. Am Tage standen sie vor den Kindern, nachts lernten sie für die Stunden am nächsten Tag und waren den Schülern oft nur eine Stunde im Wissenserwerb voraus. Dazu gab es so viel Neues! Es wurde eine Schulparteiorganisation mit einem Parteilehrjahr eingerichtet, an dem auch Nicht-Genossen teilnehmen mussten. Ziel war es „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ zu werden. Aber es gab keine geringe Zahl an Pädagogen, die sich in geeigneter Form über bestimmte Anordnungen hinwegsetzten. Die Kinder wurden in die Wettbewerbsbewegung eingebunden. Zu Beginn jedes Schuljahres erhielt jede Klasse einen Pionier- und FDJ-Auftrag, der die Liebe zur Heimat, der DDR, beweisen sollte und den es zu erfüllen galt. Dabei gab es viele schöne Erlebnisse, aber eben auch Repressalien für Kinder und deren Eltern, die sich mit dem neuen System nicht identifizieren konnten. Beispiele waren die Jugendweihe, statt Konfirmation oder ein Schulverbot für weiterführende Schulen.
Im Dezember 1959 erschien ein neues Lehrplanwerk, das Schritt für Schritt eingeführt wurde. Sehr neu und wohl auch sehr wichtig war der Beginn des polytechnischen Unterrichts, der den Schülern Einsicht in die Produktion eines Betriebes geben sollte. Das VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen war der Träger für unsere Schule und - wer erinnert sich nicht an den wöchentlichen Gang ins „Polytechnische Zentrum“ im Emaillierwerk zum ESP und später zur PA, die aber auch in Abteilungen des Betriebes stattfanden.
Der Nutzen für das Kombinat bestand darin, dass sie später Lehrlinge einstellen konnten, die schon über betriebliche Einsichten verfügten. Es entstanden auch die Patenschaftsbrigaden. Das waren Patenschaften zwischen den Brigaden und den Schulklassen. Jeder Teil brauchte den anderen, um sein „Jahresziel“ beim Wettbewerb zu erreichen. Dabei profitierten die Klassen sicher mehr. Es gab zum Beispiel finanzielle Unterstützung für Exkursionen.
1960 war wieder einmal ein bedeutendes Jahr für unsere alte Schule. 1959 hatte die Ortsgruppe der LDPD in Neustadt unter Federführung des damaligen Standesbeamten Arthur Konrad vorgeschlagen, der Schule den Namen des großen deutschen Dichters Friedrich Schiller zu verleihen. Dies geschah am 10. November 1960, dem 201. Geburtstag des Dichters in einer feierlichen Zeremonie. Unsere Schule führte diesen Namen unter verschiedenen Zusatzbezeichnungen wie Oberschule/Polytechnische Oberschule/Mittelschule ... bis zum Jahr 2007. Aber dazu später mehr ...
1965 beschloss die Volkskammer der DDR das „Gesetz zum einheitlichen sozialistischen Bildungssystem“, welches einheitliche Grundlagen für die Bildung vom Kindergarten bis zum Schulabschluss schuf. Es wurde die 10-klassige Schulpflicht eingeführt, bei der nur noch leistungsschwächere Schüler die Schule nach Klasse 8 verlassen durften. Ebenso wurde die Erweiterte Oberschule nach Klasse 8 für die Besten möglich. 1964 gab es einen weiteren Versuch zwischen Schule und Praxis. Mit dem Kombinat Fortschritt in Verbindung mit der Betriebsberufsschule wurde eine Vereinbarung für Schüler der 9. und 10. Klassen auf freiwilliger Basis getroffen, den Unterricht und die berufliche Ausbildung mit einander zu verbinden. Das hieß drei Wochen Unterricht und danach eine Woche Berufsausbildung als Maschinenbauer oder Werkzeugmacher. Nach der 10. Klasse schloss sich dann eine verkürzte Ausbildungszeit in beiden Berufen im Kombinat an (1/1,5 Jahre), die mit dem Facharbeiterzeugnis endete. Es ist aus heutiger Sicht unverständlich, warum dieser Bildungsweg nach drei Jahren nicht mehr fortgesetzt wurde.
1969/70 wurde die 2. Schule in Neustadt in Sachsen, die „Wilhelm-Pieck-Oberschule,“ fertig gestellt und ein Großteil unserer Schüler sowie 18 Lehrer in die neue Schule umgesetzt. Danach stand die erste große Renovierung nach dem Wiederaufbau an. Teilweise bis zu 1050! Schüler wurden bis dahin über viele Jahre unterrichtet und das hinterließ seine Spuren. Erhebliche finanzielle Mittel waren nötig, um die verschlissenen Räumlichkeiten zu renovieren und besonders zu modernisieren. Alte Klappbänke wurden entfernt, Hortzimmer eingerichtet, Dachdecker- und Klempnerarbeiten waren notwendig und alte Kugellampen in den Klassenzimmern wurden durch Leuchtstoffröhren ersetzt und die vielen Fenster über mehrere Jahre, auch unter Mitwirkung der Lehrerschaft, ausgetauscht.
Das alles fand im Vorfeld der 100-Jahr-Feier 1974 statt. Eine Schulausstellung wurde liebevoll gestaltet und eine Festschrift herausgebracht. Es fanden Appelle, eine Pionierestrade, eine Schüler-Disco sowie ein Schulfest statt. Die Festveranstaltung fand am 27. September 1974 in der Aula unserer Schule statt. Die Festansprachen hielten der damalige Direktor Heinrich Schmitt und die Freundschaftsratsvorsitzende im Namen der Pionierorganisation „Bruno Dietze“, dessen Namen die Pioniere der Schule im Dezember 1972 erhielten. Inzwischen gab es bei den Pionieren auch die Trennung in Jungpioniere (blaues Halstuch) und Thälmann-Pioniere (rotes Tuch).
1976/77 entstand die erste Schulpartnerschaft zu einer Schule in Prag. Es waren hauptsächlich gegenseitige Besuche der Lehrerkollegien in Prag und Neustadt, bei denen man das Bildungssystem des jeweils anderen Landes kennenlernen konnte. In den siebziger und achtziger Jahren hatten sich zudem eine Reihe außerschulischer Traditionen etabliert: das Fest der jungen Künstler, die jährliche Schulmesse, legendäre Altstoffsammlungen im Frühjahr und Herbst mit der Krönung eines „Altstoff-Königs/Königin“ (das beste Ergebnis einer Wochensammlung waren verrückte 140 Tonnen!), Pioniergeburtstagsfeiern, Winter- und Sommerferienprogramme gehörten ebenfalls dazu.
Auch Friedrich Schillers wurde mit einer Schillerfeier am 10. November jedes Jahres geehrt. Seit 1985 erhalten Schüler, Lehrer, Eltern und Unterstützer von außerhalb der Schule die Schiller-Ehrenurkunde für besondere Verdienste zum Wohle der Schule! Das waren im Zeitraum von 1985 bis 2007 (der Zeit im alten Schulgebäude) immerhin 74 Personen! Ein kulturelles Aushängeschild war über viele Jahre auch der Schulchor. Unter der engagierten Leitung von Bruno Müller, Isolde Seidel, Gertraude Juz bis zu Susanne Müller war der Chor eine Institution an der Schule, aber auch in der Stadt. Was wäre die 650-Jahr-Feier von Neustadt ohne ihn gewesen!? Ebenso spielte der Sport eine große Rolle bei der körperlichen Entwicklung und hatte über all die Jahre einen hohen Stellenwert bei den Schülern als auch den Lehrern. Basketballwettkämpfe bis hin zur Bezirksliga, Turnen, Leichtathletik ..., das waren die Stärken unserer Schule.
Ende der 80er Jahre kamen Unzufriedenheit und Unruhe im Land auf und beeinträchtigten auch das Klima an der Schule. Viele Diskussionen im Unterricht und in Dienstberatungen wurden - erst zurückhaltend - dann zunehmend offener. Große Unsicherheit über den Fortbestand der DDR war an der Tagesordnung. Das war keine leichte Zeit, denn mit diesen Umbrüchen hatte keiner gerechnet. Aus den Sommerferien 1989 kamen manche Kinder nicht in die Schule zurück. Sie fuhren mit ihren Eltern nach Ungarn ... doch das Schulleben ging im September 1989 erst einmal normal los ..., also seinen sozialistischen Gang.
Am 7. Oktober wurde in Berlin noch mit großem Pomp der 40. Geburtstag der DDR gefeiert, während die Bevölkerung friedlich auf den Straßen demonstrierte und „Wir sind das Volk“ wie eine Hymne skandierte. Als selbst am 7. November scheinbar noch niemand den wirklichen Ernst der Lage erkannte, kam es auch in unserer Schule zu Auseinandersetzungen „Betreffs blindem Gehorsam“ und „weiter machen um jeden Preis“! Der 9. November, der Tag der Grenzöffnung in Berlin, war eine Erleichterung für alle. Der Schulleiter, Joachim Gnauck, trat auf eigenen Wunsch zurück. Das wurde mit viel Hochachtung des Kollegiums angenommen. Die stellvertretende Schulleiterin Marlies Voß übernahm in dieser nicht so einfachen Zeit. Im folgenden 2. Schulhalbjahr zogen Veränderungen in die Schulen der DDR ein, die man durchaus als revolutionär bezeichnen kann: die Abschaffung der 6-Tage-Schulwoche, zunächst 14-tägig, die Auflösung der Pionier- und FDJ-Organisationen, Gemeinschaftskunde statt Staatsbürgerkunde, die Absetzung des umstrittenen Wehrunterrichts und einiges mehr. Es gab eine neue Regel zur Fremdsprache, Englisch ab Klasse 5 als Pflichtsprache, über Religion und Ethik wurde diskutiert. Wichtig wurden allen zunehmend die Wahrnehmung der demokratischen Rechte. Dazu gab es im Mai eine „Verordnung des Ministerrates der DDR“, welche die alten Strukturen ablöste.
Fortsetzung folgt.
Quelle: 125 Jahre Friedrich-Schiller-Schule von Klaus Anders