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Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft für die Stadt Neusalza-Spremberg
Ausgabe 1/2023
Stadt Neusalza-Spremberg
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Kultur- und Heimatfreunde Neusalza-Spremberg e. V.

Interessengemeinschaft Ortsgeschichte

Als zusammenfassende Übersicht zum 2. Historiker-Stammtisch vom 23. November 2022 wollen wir zur Geschichte des Ratskellers einige Fakten geben:

• Im Rezess der Rittergutsherrschaft mit der Bürgerschaft von 1673 wurde festgeschrieben, dass Bürgermeister und Ratspersonen im jährlichen Wechsel zu bestimmen sind. Die Amtsgeschäfte wurden vermutlich in deren jeweiligen Wohn- und Geschäftshäusern verrichtet. Erst 1718 kam es zur Etablierung eines Rathauses.

• 12.09.1718: Der Bürger und Handelsmann Johann Christoph Möller verkaufte seinen verpfändeten Gasthof und Bürgerhaus mit Hof, Scheune und Ställen an den „Rat und sämtliche Bürgerschaft“ für die Summe von 350 Talern. Die „Hochgräflich gnädige Herrschaft“ gewährte, dass das erworbene Haus zukünftig zu einem Rathaus genutzt und gebaut werden soll.

Am 26. und 27. September 1718 wurden 107 Stämme „aus dem herrschaftlichen Busche“ als Bauholz für das neue Rathaus erkauft.

Noch im Herbst erfolgte der Abriss des angekauften Hauses.

• 22. Mai 1719: Der Grundstein zum neuen Rat- und Gewandhaus wurde gelegt. Maurermeister Caspar Tammer aus Schirgiswalde und Zimmermeister Hans Knote aus Berthelsdorf führten den Bau für 2.000 Taler aus.

• 20. September 1719: Der Rathausturm wurde aufgesetzt. 1723 wurde eine Schlaguhr nebst metallener Schelle angeschafft und aufgehängt. Sie war eine Stiftung des Gerichtsverwalters Hohlfeld.

Verpachtung des Ratskellers: Der Rat verpachtete das neu aufgebaute Rathaus zusammen mit dem freien Wein-, Bier-, Branntwein- und Salzschank gemäß den hiesigen Statuten und des „Privilegien-Recesses“ sowie der „bürgerlichen Freiheiten und Gerechtigkeiten im Handel, Wandel, Schlachten, Backen und öffentliche Gastung zu halten“ am 7. Juli 1719 an den Neusalzaer Bürger Christian Hennig und seine Ehefrau Anna Sophia. Die Pachtzeit sollte drei Jahre betragen, von Lichtmess 1720 bis 1723. Das jährliche Pachtgeld war mit 40 Talern angesetzt, eine Kaution von 150 Talern war fällig. Ob Hennig seine Pachtzeit angetreten hat, ist nicht belegt. Er war „in ziemlichen Abfall seines Vermögens geraten“.

Am 22. Mai 1720 wurde ein 13 Punkte umfassendes Inventarium für den Pächter George Schmied erstellt. Darin finden sich viele Details der Ausstattung des Rathauses. So befand sich im Obergeschoss der Tuchmacherboden, der zehn Fenster mit je einem Fensterladen hatte.

• 1775: Das „Halseisen“, das bisher am Pranger an der Rohrbütte auf dem Markt befestigt war, wurde am Eckpfeiler zum Marktplatz eingemauert.

• 1820: Eine neue Uhr mit Schlagglocke wurde für den Rathausturm angeschafft.

• 1831/32: erfolgte ein größerer Umbau. Durch Verlängerung des Hauses sollte mehr Platz zur Unterbringung von Reisenden und die Vergrößerung der Pferdeställe in Erwartung verstärkten Reiseaufkommens geschaffen werden.

• 1838: Das Königreich Sachsen erhielt eine Verfassung. Die Gerichtsbarkeit ging von den Rittergutsbesitzern an das Königreich Sachsen über. Die Stadt Neusalza wurde zum Gerichtsstandort.

Mit erneuten Bauarbeiten wurde der Gasthof zum Sitz des neu aufgerichteten Königlichen Gerichts umgestaltet und von 1840 bis 1852 auf 12 Jahre an den Staat verpachtet. Das Gebäude nahm nun die Diensträume und die Wohnung des „Amtsfron“ auf. In die Pferdeställe wurden fünf Gefangenenzellen eingebaut.

• 29.01.1841: Eröffnung des Königlich-Sächsischen Gerichts im Ratskeller.

• 11.09.1863: Der Stadtrat verkaufte das Ratskellergebäude für 4.000 Taler an Peter Fliegel. Jedoch bat sich der Stadtrat die jederzeitige Nutzung einer Bodenkammer und des Sessionszimmers aus. Türmchen und Turmuhr verblieben ebenfalls im Eigentum der Stadt.

• 1893: Bau des großen Saales auf dem ehemaligen Ratskellerhof durch den damaligen Besitzer Samuel Wolf.

Ratskeller und Saal wechselten in den kommenden Jahren in rascher Folge die Besitzer und Pächter.

• 17.06.1928: Ein Großfeuer vernichtete Gasthof und Hotel "Zum Ratskeller" samt Saalgebäude und Nachbarhäusern.

Gasthof und Saal wurden durch dessen Eigentümer Hans Erxleben wieder aufgebaut. Beim Wiederaufbau wurde der Bau verkürzt, um die Reichenstraße von 4 auf 6,6 Meter zu verbreitern. Noch bis zur Neupflasterung der Straßen im Jahr 1995 war die ursprüngliche Straßenbreite durch die unterschiedliche Pflasterung erkennbar.

• 31.08.1929: Neu- bzw. Wiedereröffnung des „Hotels zum Ratskeller“. Erxleben bewirtschaftete das Haus bis 1939. Danach wurde das Haus von der Familie verpachtet. Erster Pächter war Ernst Heinzke. Er betrieb das Lokal bis 1954.

• nach 1945: Der Ratskeller diente in diesen Jahren verschiedenen Nutzungen (siehe auch Pacht Heinzke). So z.B. als Wohnheim für Arbeiterinnen der Baumwollweberei und Spinnerei und als Möbellager. Die Gaststättenbewirtschaftung wurde durch den Konsum übernommen. Für die jeweiligen Pächter (u.a. Fam. Müller; Fam. Neumann – letzter Pächter bis Ende der DDR-Zeit) befand sich eine Wohnung im Dachgeschoss.

• ab 1965: Umzug des früheren Kulturhauses aus dem ehemaligen Rittergut in den Ratskeller. Das Haus, immer noch im Besitz der Nachkommen Erxleben (inzwischen in der BRD lebend), wurde in „staatliche Verwaltung“ überführt. Dadurch wurden DDR-Investitionen möglich.

• bis Juni 1991: Nutzung der Räume im Obergeschoss sowie des Saales für den Kulturbetrieb der Stadt. Kulturhausleiter war bis 1972 Richard Hensel, danach Karl Semmler und um 1990 Juana Kirchner.

Im Kulturhaus-Saal fanden viele Veranstaltungen des städtischen und schulischen Lebens statt: Faschingsveranstaltungen, Tanzstunden und deren Bälle, Jugendweihefeiern, Schulabschlußbälle usw.

• Oktober 1990: Antrag der Nachkommen Erxleben auf Rückübertragung des Grundstückes.

• Juli 1992: Die Türen schlossen sich für die Öffentlichkeit. Das Gebäude stand längere Zeit leer.

• ab Januar 2000: Herr Torsten Würker übernahm die Immobilie. Er organisierte den kompletten Umbau und die Modernisierung einschließlich des Saales, in den er Wohnungen einbauen ließ.

• 10.03.2002: Tag der offenen Tür nach dem Umbau.

• April 2002: Neueröffnung der rekonstruierten Ratskeller-Gaststätte durch den Dresdner Gastronom Claus Schubert mit Team. Doch trotz gutem Konzept stellte sich der Zuspruch schwer ein und Schubert gab wieder auf. Anschließend übernahm das Ehepaar Weber die Gaststätte. Nach einigen Jahren gaben auch sie das Geschäft auf (Rente) und es kam wieder zu einem längeren Leerstand.

• 01.03.2020: Neustart durch Aniello Coscio unter dem Namen „SORRENTO – Italienische Spezialitäten“. Der Neustart brachte für den neuen Pächter mit den „Corona-Jahren“ komplizierte und schwierige Zeiten. Das Restaurant musste zwei Wochen nach der Eröffnung auf Grund der Allgemeinverfügungen wieder geschlossen werden. Coscio und sein Team wollten aber nicht aufgeben und können nun wieder im normalen Bereich arbeiten.

Ausgewählt von F. Wittwer, H. Wagner und G. Hensel (IGO)