Fortsetzung zur Spreeregulierung:
Im April 1931 (Berichtigung zum Amtsblattbeitrag Dezember 2023) wurde endlich veranlasst, die erforderlichen Planungen und Kostenrechnungen für die Spreeregulierung in Neusalza-Spremberg vom Kretscham bis zur Fa. C.C. Förster aufzustellen. …
Im Februar 1933 wandte sich Bürgermeister Richter in einem erneuten dringlichen Schreiben an die Amtshauptmannschaft in Löbau, nachdem im o.g. Bereich bis dahin keine Arbeiten ausgeführt wurden. Ein weiteres Hochwasser mit schwerem Eisgang hatte hier nämlich enorme Schäden verursacht. Im Folgenden der originale Text:
„Wie der Amtshauptmannschaft aus den Berichten der Presse bereits bekannt sein wird, hat die Spree auch in unserer Stadt am Nachmittag des 2. Februar und in der Nacht vom 4. zum 5. Februar d.J. Hochwasser mit Eisgang geführt, bei dem beträchtlicher Schaden, der sich z.Zt. noch nicht abschätzen läßt, verursacht worden ist.
Bis zum 2.d.M. war die Spree, die eine Eisdecke bis zu 30 cm Stärke aufwies, noch völlig zugefroren. Durch das Steigen der Wassermenge hatte sich nur längst der Mitte ein Riß gebildet. Das von Ebersbach und Friedersdorf zufließende Wasser, das ungeheuere Eismannsen mit sich führte, schob sich in großer Geschwindigkeit über dem Grundeis vorwärts und staute sich an den niederen Brücken und den abflußhindernden Wehren. Dadurch nahm die Stauung einen gefährlichen Charakter an, sodaß sich der Unterzeichnete veranlaßt sah, die Steigerzüge der Feuerwehr zu alarmieren, die sodann die Brücken und Wehre von den angestauten Eismassen zu befreien versuchten. Leider war der Druck der nachdrängenden Menge so groß, daß nur Stück für Stück zerkleinert und durch die Brücken gestoßen werden konnte. Durch diese Stauungen setzte die Wassermenge die anliegenden Häuser vollkommen unter Wasser und verschlammte die Häuser vollständig. Erst in den späten Abendstunden begann das Wasser zu fallen. Am folgenden Tag hat der Unterzeichnete von den übriggebliebenen Eismassen einige Aufnahmen angefertigt, die in der Anlage als Beweismaterial übersandt werden.
Die oberhalb des Schäfer’schen Wehres stehende niedrige Steinbrücke trug mit ihrem verhältnismäßig breiten Steinpfeiler viel dazu bei, die großen Stauungen zu verursachen. Auf dem Bilde Nr. 1 ist sie im Hintergrunde (leider etwas trüb) ersichtlich. Das Flußbett war am Tage nach dem Hochwasser vollständig mit Eisschollen ausgefüllt, wie aus dem gleichen Bilde ersichtlich, und führte nur eine ganz geringe Wassermenge mit sich, sodaß sich das Eis nicht heben und dadurch auch nicht weiterbewegen konnte. Dieser Zustand sollte verhängnisvoll für das zweite, später geschilderte Hochwasser werden.
Viel trostloser sah die Spree mit den anliegenden Gärten oberhalb der Schmiedebrücke aus. Während Bild 2) einen Blick flußabwärts gewährt, zeigt Bild 3) den oberen Teil der Spree in der Nähe des Kretschams. Die ganze Talbreite ist mit Eisschollen, mehrmals übereinander geschichtet, bedeckt.
In einem viel größeren Ausmaße wiederholte sich das Hochwasser in der Nacht vom 4. zum 5. d.M. Die gegen 9 Uhr abends heranströmenden Wasser- und Eismassen hatten in kurzer Zeit derart zugenommen, daß die Anlieger in ihren Häusern vollständig eingeschlossen und nicht nur durch das Hochwasser, sondern auch durch die Eismassen stark gefährdet waren. Der Unterzeichnete sah sich deshalb gegen 11 Uhr gezwungen, erneut die Feuerwehr zu alarmieren, die sofort sämtliche bedrohte und den Eisgang hinderten Brücken besetzte. Sie versuchte im Scheine von Fackeln und elektr. Taschenlampen (der Schein der elektr. Straßenbeleuchtung reichte leider nicht bis zu den Gefahrenstellen) die einzelnen Eisschollen zu zerhacken und so einen Abfluß der Eis- und Wassermenge zu erreichen, was ihr auch mit großer Mühe und oft unter Lebensgefahr gelang. Durch die verursachten Stauungen überflutete das Wasser Flächen, die bisher überhaupt noch nicht von einem Hochwasser berührt worden waren. Die Feuerwehr hat ununterbrochen in Gegenwart des Herrn Branddirektor Eberhard Hünlich und des Unterzeichneten bis gegen ½ 5 Uhr morgens angestrengt gearbeitet, nachdem gegen 4 Uhr das Fallen des Wassers beobachtet werden konnte. Der Pegelstand an der oberen Staatsstraßenbrücke zeigte gegen 2 Uhr morgens eine Höhe von 1,75 m über normal. Die Gemeinde Taubenheim ist rechtzeitig von dem Anwachsen des Hochwassers verständigt worden, nachdem zuvor dieselbe Meldung von Ebersbach eingegangen war.
Leider war dem Unterzeichneten infolge der Nacht nicht möglich die gewaltigen Ausmaße der Überschwemmung bildlich festzuhalten. Er hat jedoch am folgenden Vormittag beifolgende Aufnahmen anfertigen können, aus denen noch deutlich zu erkennen ist, wie das wie das Hochwasser mit seinen Eismassen gewütet hat.
Alle von Hochwasser überfluteten Gärten und Wiesen sind total verschlammt und mit Geröll und Eisschollen bedeckt. Daß gleichzeitig die Keller der angrenzenden Gebäude völlig verschlammt sind, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung. Die in der Nähe der Spree liegenden Straßen und Wege sind entweder ihrer Straßendecke verlustig gegangen oder sind mit Schlamm bis zu 15 cm Höhe überdeckt, der sich bei eintretender wärmerer Witterung und beim Ausbleiben von Regen sehr gesundheitsschädigend auswirken kann. Die sich auf den Wegen befindlichen Eisschollen sind noch am Sonntagvormittag von städtischen Arbeitern beseitigt worden, damit der Verkehr nicht beeinträchtigt wurde.
Bei einer Besichtigung der hiesigen Gegend läßt sich heute noch genau feststellen, wie hoch das Wasser gestanden, wo die Eismassen Reibungsflächen gefunden haben und wie stark die Gärten verschlammt worden sind.
Der entstandene Schaden läßt sich vorderhand noch nicht schätzen. Die unter Wasser gestandenen Häuser müssen wieder damit rechnen, daß ihnen die Dielung erneut in Fäulnis übergeht.
In verschiedenen Gärten lagen die Eisschollen, die eine Größe bis zu 20 qm und eine Stärke bis zu 25 cm aufwiesen, 5 bis 6 fach übereinandergeschichtet und hatten sich inmitten der Obstbäume und Gartenzäune festgerammt, wie u.a. auch aus dem Bilde Nr. 4 zu ersehen ist.
Im niederen Stadtteil, in dem die Regulierung bereits vor 12 Jahren durchgeführt worden ist, machten sich keinerlei Schwierigkeiten bemerkbar, da das Wasser durch die Regulierung in Fugau und Taubenheim einen ungehinderten Abfluß hat.
Der Stadtrat bittet nun, auf Grund vorstehender Schilderung, diesen Bericht mit dazu zu benutzen, daß die geplante und längst ersehnte Spreeregulierung im oberen Stadtteil nun endlich zur Durchführung gelangt, nachdem ober- und unterhalb dieser Strecke die Spree ordnungsgemäß reguliert worden ist und damit einerseits nicht immer wieder die Anlieger, die selbst meist arbeitslos sind, beträchtlichen Schaden erleiden und andererseits die vielen Erwerbslosen endlich einmal Gelegenheit haben, wieder auf eine gewisse Zeit in den Arbeitsprozeß eingereiht zu werden, damit ihre wirtschaftliche Lage und damit auch die des darniederliegenden Gewerbes und Handwerks auf einen bestimmten Zeitraum etwas gebessert werden könnte.
Wir sind gern bereit, mit weiteren Angaben zu dienen und geben uns der Hoffnung hin, daß es durch Vermittlung der Amtshauptmannschaft und des Bezirksausschusses doch möglich sein möge, mit der Spreeregulierung noch im Laufe dieses Jahres beginnen zu können.