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Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft für die Stadt Neusalza-Spremberg
Ausgabe 10/2024
Gemeinde Dürrhennersdorf
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In der Geschichte unseres Dorfes geblättert

Werner, Dora und Gustav Jeremias 1895 im Hofepark

Teil 14

Die Leute strömten in die Fabriken, und es fehlte den Gütern an Arbeitskräften. Auch nach Dürrhennersdorf wurden darum jährlich fremde Arbeiter geholt; sie kamen aus Brandenburg und aus Polen. Es wurden auch für die Landwirtschaft vielerlei Maschinen erfunden, aber nur wer die Mittel hatte, in großzügiger Weise die Neuerungen einzuführen, konnte ihren Nutzen wahrnehmen; Zeit – und Kraftersparnis und gründlichere Ausnutzung des Bodens. Das Verhältnis zwischen Gutsherr und Gesinde lockerte sich immer mehr, wie es später auch in den Industriebetrieben wurde, und dieses Schwinden des Gemeinschaftsgefühls wirkte sich überall nachteilig aus. Nun kannte in Dürrhennersdorf jedermann den „Herrn“ und die „Herrnfrau“ als gütige Menschen, es gab auch „Hofleute“, die ihnen in alter Treue dienten, doch die Heranziehung der Fremden und der Mode gewordene Stellenwechsel des Gesindes zeigten auch hier schädliche Folgen, wo doch gerade jede Kraft sich hätte ganz einsetzen müssen, um die Lage des Besitzers zu erleichtern!

Arthur Jeremias vergrößerte zunächst den Gasthof auf die heutige Größe, da der Saal bei Tanz und Theaterabende nicht mehr genügte. Es wurde dabei auch zwei Wohnungen gewonnen, die für den Vogt und die für den Förster. Der Förster hatte, seit die Herrschaft, die Räume am Ende des Stall- und Scheunengebäudes (am hinteren Tore) innegehabt. Dort richtete Jeremias nun die Käserei ein und unter der Wohnung des Käsers die Gesindestube. Neue Schweineställe und eine neue Scheune entstanden. Schließlich bekam der Hof einen schöneren Abschluss an der Dorfstraße. Rechts vom Haupttor war noch immer ein Teich, der aber mehr einem Sumpf ähnlich sah. An seiner Stelle erbaute der „Herr“ den bis ans Tor reichenden Schuppen mit Rundmauer (Rundteil). Er hätte sicher noch manche Veränderung getroffen, die dem Gutsbetriebe zum Nutzen gewesen wäre und das Bild verschönert hätte.

Da brach das Unglück über ihn herein. Er verlor auf einen anderen Gute 75000 Mark, auf wieder einem anderen 11000 Mark. Dazu erlitt er schweren Hagelschaden. In dem Prozesse, den er wegen des großen Geldverlusts führte, wurde er falsch beraten. Das kostete zwar dem betreffenden Rechtsanwalt die Praxis, aber Jeremias hatte nur neue Einbuße. Von seinen schweren Schlägen konnte er sich bei strengster Sparsamkeit und angestrengtester Arbeit nicht erholen.

Es blieb ihm nichts übrig, als einen Teil des Grundbesitzes zu verkaufen. Nachdem er den Frau - Mutter - Busch hatte abschlagen lassen, um die Fläche als Weide zu nutzen, entschloss er sich, den Wald auf dem Kuhberg und den Hutberge zum Rittergut abzutrennen. Die Stadt Zittau wollte ihn erwerben. Sie wurde aber mit Jeremias über den Preis nicht einig. Unterdes hatten in Löbau die Stadträte Schönbach und Friedrich den Ankauf der beiden Berge empfohlen. Die Zittauer erfuhren, dass der Löbauer Stadtrat auf einer Sitzung darüber beriet, und wollten nun doch noch zugreifen, kamen aber zu spät. Löbau hatte die Erwerbung beschlossen. Der Preis war 127818 Mark.

Das brachte für Jeremias eine Erleichterung, hielt aber den Verfall nicht auf.Deshalb verkaufte er das Rittergut. Im Oktober 1911 konnte Rudolph Rothe sehr billig in den Besitz des Rittergutes gelangen. Arthur Jeremias zog mit seiner Familie nach Löbau und übernahm eine Viehhandelsvertretung, die seine Existenz sicherte. Aber das Schicksal verfolgte ihn weiter. Beide Söhne, Werner und Gustav, zogen in den I. Weltkrieg. Werner als Artillerist, Gustav als Trainsoldat. Beide erhielten das Eiserne Kreuz. Die Freude darüber wurde durch neue Sorgen um Werners Gesundheit zerstört. Er hatte sich eine eine gefährliche Erkrankung des Knies zugezogen, und aller ärztlichen Kunst gelang es nicht, eine Besserung herbeizuführen. Gustav kehrte gesund nach Löbau zurück, um hier vom tückischen Tod erreicht zu werden. Er hatte dem Vater bei der Arbeit auf dem Heuboden geholfen, lehnte sich ausruhend ans Geländer und stürzte ab. Der gesunde Sohn, den die Eltern nach dem Kriege ein zweites mal geschenkt erhalten zu haben meinten, war ihnen am 07.Dezember 1919 jäh entrissen worden! Der Bruder Werner ertrug in Bethel bei Bielefeld noch zwei Jahre hindurch die Qualen seines Kriegsleidens und wurde am 09. Dezember 1921 davon erlöst. Nur einen Monat später starb auch seine Frau. Es blieb ihm allein noch die Tochter Dora. Mit 75 Jahren sah er sich gezwungen, das Gewerbe zu wechsel, da der Viehhandel ihn nicht mehr nähren konnte. Seitdem betrieb er ein Fuhrgeschäft.

Aber zurück zu Rudolph Rothe der 1911 das Rittergut erwarb. Er starb bereits 1913, zwei Jahre darauf. Nun erbte dessen Sohn Rudolf Rothe das Gut. Zu beginn des I. Weltkrieges 1914 erwarb es der Landwirt Gustav Glaser. Der es im Juni 1917 an Kommerzienrat Arno Hoffmann verkaufte, aber weiterhin das Gut als Pächter verwaltete. Kommerzienrat Arno Hoffmann war ein Fabrikant aus Neugersdorf. Sein Altvorderer Carl Gottlieb Hoffmann hatte in Neugersdorf den Grundstein für die Textilfabrik C.G.Hoffmann gelegt. Der Textilunternehmer Carl Gottlieb erwarb 1809 ein um 1800 errichtetes Umgebindehaus und errichtete in den Folgejahren weitere Fabrikgebäude um es herum. Frühzeitig setzte er auf die Mechanisierung : 1834 stellte er Bandwebstühle auf. 1855 folgten zwei liegende Dampfmaschinen, es waren in Sachsen die Ersten, und 1862 die ersten mechanischen Webstühle. Das Unternehmen entwickelte sich mit seinen rund 2000 Beschäftigten zum ersten Großbetrieb der Oberlausitz. Zahlreiche Arbeiter kamen auch aus dem benachbarten Böhmen. In diesem Sinne führte Arno Hoffmann das Unternehmen weiter. Er unterstützte unter anderem mit zahlreichen Spenden den Bau und Erhalt der Neugersdorfer Hütte beim Alpenverein. Auch beim Aufbau des Neugersdorfer Bismarck Turm war er ein großer Unterstützer. Die Firma C.G.Hoffmann war auch für die damalige Zeit sehr Sozial eingestellt. Für seine Beschäftigten gab es eine eigene Krankenversicherung. Nach dem Tod des Kommerzienrates Hoffmann erbte dessen Frau Luise Hoffmann im Mai 1918 das Gut, die es baulich und wirtschaftlich verbesserte. Seit dem 14. Oktober 1928 war Martin Erich Schubert, ein Neffe der Frau Kommerzienrat Hoffmann Besitzer des Rittergutes.

Hartmut Klinger

Fortsetzung folgt!