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Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft für die Stadt Neusalza-Spremberg
Ausgabe 2/2023
Stadt Neusalza-Spremberg
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In der Zeitung „Unsere Heimat“ Nr. 6 vom 22. März 1929, die in Schirgiswalde erschien, veröffentlichte Ortschronist Walter Heinich (1876-1940) einen interessanten Artikel über das Theatergeschehen in unserem Städtchen – konkret in Neusalza. Wir geben diesen Text in 2 Teilen im originalen Wortlaut wieder.

Teil 1 von 2:

„Die Wandertheater in Neusalza bis 1838

Von Walter Heinich

Die Nachrichten über das Auftreten wandernder Theatertruppen in Neusalza sind recht spärlich, nur in den alten Stadtrechnungen wird ihrer hie und da gedacht. Die erste Nachricht gibt uns jedoch der Bürgermeister Hohlfeld in seiner handschriftlichen Chronik der Stadt Neusalza (Stadtarchiv, Abschrift im Pfarrarchiv) aus dem Jahre 1770. Die Hauptsache nennt er uns aber nicht …. Nämlich, welches Stück damals aufgeführt worden ist! Dafür erzählt er aber lang und breit und mit sichtbarem Behagen den Aufbau des Zuschauerraumes und alles Drum und Drann, denn er, „der Bürgermeister, hatte Auftrag, diese sich vorgenommene Lustbarkeit …. zu veranstalten“. Da nun der Herr Bürgermeister Hohlfeld - ein sonst recht wackerer Mann - in seiner Chronik gern das eigene Licht leuchten läßt, läßt er uns leider über die Bühnenvorgänge ganz im Dunkeln. Die Theatervorstellung fand damals in Gegenwart der Gutsherrschaft statt, die sich zufällig und vorübergehend mit Gästen in Spremberg aufhielt. Hohlfeld schreibt: „ … Weil nun an diesem Tage (den 3. Mai 1770) Schlesische Komedianten sich allhier befanden, und von Ihro Exzell …. der hiesigen Bürgerschaft bekannt gemacht wurde, daß dieselben mit ihren Weibern und Kindern frei und ohne Entgelt dabei erscheinen möchten, so erhielt von Ihro Exzell. und gnädigen Herrschaft ich, der Bürgermeister, Auftrag, diese Sich vorgenommene Lustbarkeit so zu veranstalten, daß alles, soviel in der Kürze möglich, und zum Divertissement der hohen Gäste geschehen möge. Dem zu gehorsamster Befolgung wurden ohnverzüglich auf dem großen Saale oder Gewand-Boden auf dem Rathause auf beiden Seiten des Theaters erhobene Sitze, als von der Treppe an zur rechten Hand vor das weibliche Gerschlecht, und zur linken Hand vor die Bürgerschaft und hinter der Treppe, bei der Gerichtsstube, ein erhöhter Platz vor die Spremberger Unterthanen und anderen fremden Zuschauern, aufgebaut, auch in Mitte des Saales, dem Theater gleich über, vor die hohen Herrschaften und hinter denselben auch zur rechten Hand vor Distinguierte Mannes- und Frauenspersonen Stühle gesetzt. Zur Beleuchtung des Schauplatzes wurden in zwei Linien der Länge und in einer Linie der Quere des Saales doppelte Linien gezogen und daran, wie auch an die, an der auf diesem Platz befindlichen Säule angemachten großen Wandleuchter, auf die 1 ½ Zoll starke Lichter angebracht, an der Treppe und das Theatrum aber bunte gläserne Lampen aufgehangen usw. usw.“

Welches Stück mögen diese schlesischen Schauspieler wohl aufgeführt haben? Sicherlich ist diese Truppe auch in anderen Lausitzer Städten aufgetreten und hat hier bei uns vielleicht eins von den Stücken gespielt, die damals in Görlitz aufgeführt worden sind (Neues Lausitzisches Magazin, Band 103, 1927; Max Gondolatsch, Beiträge zur Görlitzer Theatergeschichte bis 1800; Seite 160 flgde), etwa Minna von Barnhelm von Lessing oder Romeo und Julia oder Hamlet von Shakespeare? Wahrscheinlich aber eins von den vielen anderen Stücken, die längst verschollen und mit samt den Verfassern längst vergessen sind. Viele der damals gespielten Stücke waren nämlich überhaupt nicht gedruckt, sondern gingen handschriftlich verbreitet und unter willkürlichen Titeln von Hand zu Hand.“

Erst 1792 hören wir dann wieder von Schauspielern in Neusalza. In der Zwischenzeit hat man aber sicherlich von Zeit zu Zeit auf dem Rathaussaale wandernde Darsteller beherbergt. Im genannten Jahre 1792 sagt die Stadtrechnung: „5 Groschen vom Comödianten Hirseberg, von gemachten Schaden an Brettern auf dem Rathause.“ Vielleicht hat Herr Hirseberg, (ein übrigens recht nahrhafter und guter Name, der an den Hirseberg des Schlaraffenlandes erinnert), an der vorhandenen Theater-Ausstattung des Rathaussaales herumgesägt. Schlimm kann der Schaden nicht gewesen sein, denn er wird mit 5 Groschen abgegolten.

Im Jahre 1806 trat ein Schauspieler Leo mit seiner Truppe hier auf und gab 15 Vorstellungen. Er mußte für jede Vorstellung 6 Groschen in die Stadtkasse abliefern. Bis dahin scheint das Theater nur eine „moralische Anstalt“ gewesen zu sein, jetzt wurde es im Nebenamte scheinbar auch eine melkende Kuh. Es ist aber auch möglich, daß diese 6 Groschen Saalmiete gewesen sind, die von da ab an die Stadtkasse fließen, während sie vielleicht vorher an den Rathauspächter gegangen sind.

Eine Schauspielerin Anna Groß gab 1808 mit ihrer Truppe 12 Vorstellungen und 1830 (von 1809 bis 1826 fehlen leider die Stadtrechnungen) ein Schauspieler von Wülfingen im Oktober sechs. Als 1832 der Schauspieler Moser im Rathaussaale Komödie spielte, mußte er für jede Vorstellung bereits 12 Groschen bezahlen. Er gab 44 Vorstellungen. Wenn diese auch nicht alle ausverkauft gewesen sein mögen, so deutet die große Anzahl der Theaterabende immerhin auf eine gewisse Theaterfreudigkeit der Einwohnerschaft. Uebrigens scheint man die Theatereinrichtung des Rathaussaales, über die aber nichts überliefert ist, auch gelegentlich anderwärts, etwa im Freien, aufgeschlagen und benutzt zu haben.“

Ausgewählt von Horst Wagner und Günter Hensel (IGO)